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Band 200-249 – Der Held von Arkon – Teil 1

 

Seit Orbanaschol III. seinen Bruder – den rechtmäßigen arkonidischen Imperator und Vater des jungen Atlan – ermorden ließ und die Herrschaft über das mächtigste Sternenreich der Milchstraße an sich riss, kennt Atlan selbst nur ein Ziel: Er will Rache nehmen und seinen skrupellosen Onkel für seine Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. Doch dieses Unterfangen ist mit zahlreichen Gefahren verbunden.

Acht Jahrtausende vor Beginn der irdischen Zeitrechnung muss sich der Kristallprinz nicht nur gegen die Kopfgeldjäger des Thronräubers zur Wehr setzen, sondern wird zudem mit einem mächtigen Wesen aus der Vergangenheit konfrontiert. Einmal mehr müssen der Arkonide und seine Gefährten um ihr Leben kämpfen – und um die Zukunft des Großen Imperiums ...

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Nr. 200

– ATLAN exklusiv Band 61 –

 

Herrscher im Mikrokosmos

 

Sie sind Wanderer zwischen den Universen – Atlan ist in ihrer Gewalt

 

von William Voltz

 

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In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen.

Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihr eigenes Wohl bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig aber ist Atlan nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen. Der Kristallprinz ist durch die Einwirkung einer neuen Geheimwaffe der Maahks in ein anderes Raum-Zeitkontinuum gelangt – in den Mikrokosmos.

Und der Weg zurück aus dem Bereich des unendlich Kleinen führt nur über die HERRSCHER IM MIKROKOSMOS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Crysalgira – Der Kristallprinz und die Prinzessin in der Gewalt der Herren des Mikrokosmos.

Vargo – Entdecker der Absoluten Bewegung.

Mamrohn – Ein Rebell unter den Varganen.

Kreton und Kandro – Beherrscher der Eisigen Sphäre.

Magantilliken – Henker der Varganen.

1.

Atlan

 

Crysalgira wand sich aus meinen Armen und trat einen Schritt zurück, um mich nachdenklich anzusehen.

»Ich liebe dich nicht«, stellte sie fest. »Es ist die Situation, die mich zu dir getrieben hat. Wenn wir jemals zurückfinden sollten, werde ich zu Sonnenträger Chergost zurückkehren.«

Es war eine sehr schwache Form des Protests, und vielleicht hätte ich mich entschlossen, ihn zu ignorieren, aber in diesem Augenblick öffnete sich die Kabinentür, und ein bewaffneter Tejonther blickte zu uns herein. Seine gelben Augen richteten sich auf das Mädchen, so dass ich mich unwillkürlich fragte, ob ein Tejonther fähig war, die hinreißende Schönheit der Prinzessin zu erkennen.

»Wir sind gelandet«, verkündete der Raumfahrer. Seine Worte wurden von einem kleinen Gerät übersetzt. »Sie werden das Schiff in wenigen Augenblicken verlassen.«

Er trat zur Seite, um uns Platz zu machen. Jede seiner Bewegungen wurde von erhöhter Wachsamkeit diktiert; zu glauben, diesen Mann überrumpeln zu können, wäre ein gefährlicher Trugschluss gewesen.

Der Tejonther führte uns in die Zentrale des Schiffes. Auf den Bildschirmen konnte ich erkennen, dass wir uns auf einem kleinen Asteroiden befanden.

»Das ist die Gefühlsbasis!«, erklärte der tejonthische Kommandant teilnahmslos.

Ich fragte mich, warum ich weder Furcht noch Unbehagen empfand, vielleicht war dieser im Weltraum treibende Schlackehaufen nicht aktiviert. Ein Tejonther betrat die Zentrale und übergab Crysalgira und mir zwei Atemmasken und Isolationsanzüge. Ich überlegte, wie die Tejonther dieses Problem gelöst hätten, wenn ihre Körpergröße nicht der unseren entsprochen hätte. Mein Zeitgefühl sagte mir, dass der Flug von Belkathyr hierher zwei Tage arkonidischer Zeitrechnung gedauert hatte.

Die Tejonther in der Zentrale machten einen sehr ungeduldigen Eindruck, sie schienen kaum erwarten zu können, uns endlich loszuwerden. Als wir die uns zur Verfügung gestellte Ausrüstung angelegt hatten, geleiteten uns zwei bewaffnete, ebenfalls mit Schutzanzügen bekleidete Raumfahrer zur Schleuse des Schiffes. Die Gangway war bereits herabgelassen.

Meine Blicke suchten die zerklüftete Oberfläche des Asteroiden nach Anzeichen von Eingriffen einer raumfahrenden Macht ab, aber in der nur schwach erhellten Umgebung war nichts zu erkennen. Wahrscheinlich lag die eigentliche Gefühlsbasis im Kern dieses Körpers.

Einer unserer Wächter ging voraus und wies uns den Weg, der andere bewegte sich mit schussbereiter Waffe hinter uns. Dieser Aufwand erschien mir übertrieben, nur ein Selbstmörder hätte hier einen Fluchtversuch unternommen. Da zu unserer Ausrüstung kein Sprechgerät gehörte, konnten wir uns mit den Tejonthern nur durch Handzeichen verständigen. Ich bedauerte auch, dass ich mich nicht mit Crysalgira in Verbindung setzen konnte, denn ich hätte gern mit ihr über die Ereignisse gesprochen, die uns erwarteten.

Zielsicher bewegte sich der Tejonther an der Spitze in eine enge Schlucht. Die beiden Wächter schalteten tragbare Scheinwerfer ein und leuchteten den Boden ab, damit wir Unebenheiten und Spalten besser erkennen konnten.

Sie werden euch an jene Macht übergeben, die eure Hinrichtung auf Belkathyr verhindert hat!, meldete sich mein Extrahirn.

Ich überlegte, was uns für die Unbekannten so interessant machte. Niemand wusste, dass wir aus dem Makrokosmos kamen. Es war sinnlos, mit den Tejonthern darüber zu sprechen. Wie sollte ich ihnen begreiflich machen, dass jeder einzelne von ihnen nach meiner Vorstellung tausendmal kleiner als ein Staubkorn war?

Die Wesen, die hier lebten, besaßen ihren eigenen Mikrokosmos, eine Feststellung, die ungeheuerliche Perspektiven eröffnete und über die ich besser nicht nachdachte.

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als unser Führer stehenblieb und den Lichtkegel des Scheinwerfers auf eine glatte Metallfläche zwischen den Felsen richtete.

»Eine Art Schleuse«, sagte ich unwillkürlich, dann fiel mir wieder ein, dass Crysalgira mich nicht verstehen konnte.

Die Tejonther traten zur Seite. Einer von ihnen richtete ein kleines Instrument gegen die Metallfläche. Das Tor glitt zur Seite, so dass ich in eine beleuchtete Druckkammer blicken konnte. Die Einrichtung des Raumes war nicht besonders aufschlussreich. Gemessen an dem, was ich erwartet hatte, wirkte sie geradezu spartanisch einfach.

Der rechts von mir stehende Wächter machte eine unmissverständliche Geste mit seiner Waffe: Crysalgira und ich sollten die Druckkammer betreten.

Crysalgira sah mich an, sie überließ mir die Entscheidung. Wir hatten keine andere Wahl, als den Befehl zu befolgen.

Ich trat in die Druckkammer, Crysalgira folgte mir. Die äußere Tür glitt zu. Bevor sie sich endgültig schloss, sah ich, dass die Tejonther sich bereits zum Gehen gewandt hatten. Für sie war die Angelegenheit offenbar abgeschlossen.

Crysalgira wollte die Atemmaske abnehmen, doch ich zog ihre Hände zurück. Noch wussten wir nicht, welche Umweltbedingungen uns hier erwarteten.

Eine Zeitlang blieb alles still, dann glitt die innere Tür der Druckkammer auf. Ein breiter Korridor lag vor uns. Die Höhe der leuchtenden Decke war nicht leicht zu schätzen, aber als ich die Hand ausstreckte, konnte ich das warme und weiche Material berühren.

Der Boden war mit einem netzartigen Gewirr von Linien bedeckt, die ich zunächst für Kratzspuren hielt. Als wir jedoch ein paar Schritte in den Korridor gemacht hatten, stellte ich fest, dass diese Linien feine Zeichnungen von unbekannten Geräten darstellten. Die Wände waren glatt und von hellgelber Farbe.

Das von der Decke ausgehende Licht war so hell, dass ich das Ende des Korridors nicht sehen konnte, nur wenige Schritte von mir entfernt verschwanden alle Einzelheiten in einer Lichtflut, die den Augen weh tat.

Ich riskierte es, die Atemmaske abzunehmen. Angenehm frische Luft schlug mir ins Gesicht. Ich nickte Crysalgira zu.

»Es gibt atembare Luft, Prinzessin. Ich bin sicher, dass wir erst jetzt die eigentliche Gefühlsbasis betreten haben.«

Sie schob ihre Maske in den Nacken.

»Warum sind wir hier, Atlan?«

»Das wüsste ich gern, aber wir können den Grund nicht einmal vermuten. Jemand ist an uns interessiert. Ich bin sicher, dass wir bald eine Nachricht von den Unbekannten erhalten werden.«

Sie begann ihre Haare zu ordnen, unbewusste Bewegungen einer auf Schönheit bedachten Frau. Trotz der Strapazen der vergangenen Tage hatte Crysalgiras Äußeres sich kaum verändert. Ich ertappte mich dabei, dass ich sie unbewusst mit Farnathia und Ischtar verglich. Auf ihre Art wirkte sie nicht weniger anziehend als die beiden anderen Frauen, obwohl sie natürlich nicht die Ausstrahlungskraft der Goldenen Göttin besaß.

Plötzlich entstand vor uns eine Bewegung. Wir blieben stehen.

Eine Gestalt kam aus der Helligkeit.

Sie wirkte zerbrechlich und durchsichtig. Je näher sie herankam, desto stärker wurde der Eindruck, dass es sich um ein weibliches Wesen handelte. Ich wurde bei ihrem Anblick von innerer Unruhe ergriffen, denn ich fühlte mich an irgend etwas erinnert, was mir noch nicht völlig bewusst wurde.

Die Gestalt schien zu schweben, ein kalter Hauch wehte zu Crysalgira und mir herüber.

Ein Gazeschleier umgab das seltsame Wesen, leuchtende Kristalle wirbelten um seinen Kopf.

Die Erkenntnis, wer diese Gestalt war, traf mich wie ein körperlicher Schlag. Unwillkürlich machte ich einen Schritt zurück. Mein Gesicht musste ungläubiges Entsetzen ausdrücken, denn Crysalgira kam besorgt auf mich zu.

Das Wesen war eine der zwölf Erinnyen, denen ich in der alten varganischen Station auf Sogantvort begegnet war. Ich erinnerte mich genau, wie die zwölf Rachegöttinnen den Behälter mit dem Embryo meines Sohnes Chapat an sich genommen hatten, um ihn in die Eisige Sphäre zu entführen.

Ich schüttelte benommen den Kopf, doch das Bild löste sich nicht auf.

Die Erinnye hätte nicht hier sein dürfen, denn Sogantvort war eine vergessene Welt der Varganen im Makrokosmos!

 

*

 

Crysalgira berührte mich am Arm.

»Atlan!«, rief sie drängend. »Kennst du dieses Wesen?«

Ich nickte. Noch immer war ich so verblüfft, dass ich kein Wort über meine Lippen brachte. Unglaubliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, ich stellte die wildesten Spekulationen an, obwohl ich mir darüber im Klaren war, dass die Wahrheit noch viel phantastischer sein musste als meine Überlegungen.

»Folgt mir!«, forderte uns die Erinnye in varganischer Sprache auf und löschte damit die letzten Zweifel an ihrer Herkunft.

Wie kam einer der geheimnisvollen Roboter der Varganen aus dem Makrokosmos hierher in eine Gefühlsbasis der Tropoythers im Mikrokosmos?

»Warum sprichst du nicht?«, fragte Crysalgira. »Warum sagst du mir nicht, was du weißt? Kannst du dieses Wesen verstehen?«

»Ich verstehe es«, brachte ich hervor. Noch immer war ich überwältigt von der unerwarteten Erscheinung. »Es sagt, dass wir ihm folgen sollen.«

Die Erinnye schwebte voraus, geräuschlos, einen Kranz wirbelnder Eiskristalle um den nebelförmigen Kopf.

Ich merkte, dass ich zitterte – ein äußeres Anzeichen meiner Erregung. Vergeblich lauschte ich in mich hinein. Mein Extrahirn meldete sich nicht. In dieser Situation war es ebenfalls ratlos.

Plötzlich standen wir am Ende des Korridors. Vor uns lag ein Raum mit rundem Querschnitt und einem kuppelförmigen Dach. Vier mächtige Streben liefen von vier Eckpunkten des Bodens zum Zentrum der Decke hinauf, wo ein kugelförmiges Gebilde aus glasähnlichem Material hing. In der Kugel, die langsam rotierte, schienen Bewegungen stattzufinden.

Überall im Boden befanden sich muldenförmige Vertiefungen, die von spiralförmigen Auswüchsen unterschiedlicher Größe und Dicke umrahmt wurden.

Die Erinnye bewegte sich in die Mitte des Raumes.

»Legt euch in diese Mulden!«, befahl sie.

Ich übersetzte Crysalgira, was die Erinnye gesagt hatte.

»Warum sollen wir das tun?«, fragte das Mädchen. »Atlan, was soll mit uns geschehen?«

»Wir haben keine andere Wahl, als alle Anordnungen zu befolgen«, gab ich zurück. »Ich bin überzeugt davon, dass man uns keinen Schaden zufügen wird. Man hat uns eine bestimmte Rolle zugedacht, über die wir sicher bald mehr erfahren werden. Im Augenblick ist alles so rätselhaft, dass ich nicht einmal erahnen kann, was geschehen wird.«

Sie drängte sich gegen mich. In dieser fremdartigen Umgebung verlor sie ihre gewohnte Selbstbeherrschung immer mehr.

Ich wählte zwei Mulden aus, die unmittelbar nebeneinander lagen. Die Erinnye erhob keine Einwände.

Kaum, dass Crysalgira und ich uns in den Vertiefungen niedergelassen hatten, kippten die spiralförmigen Auswüchse am Rande der Mulde über unsere Körper und stellten Kontakt her. Ich war augenblicklich gelähmt und lag starr da. Meine Haut prickelte. Die Kugel über mir schien schneller zu rotieren.

Ich glaubte Gestalten in dieser Kugel zu sehen und fühlte mich plötzlich zu ihnen hingezogen.

Wie aus weiter Ferne hörte ich die Stimme der Erinnye.

»Du sollst die Wahrheit erfahren, weil wir dich brauchen. Dein Bewusstsein wird in die Vergangenheit reisen und erleben, was sich tatsächlich ereignet hat.«

Ich wollte aufschreien, denn ich fühlte instinktiv, dass ungeheuerliche Dinge auf mich warteten. Ich sollte eine Wahrheit erfahren, von der ich nicht wusste, ob ich sie ertragen konnte.

Die Kugel sank auf uns herab, sie dehnte sich aus wie ein Ballon. Ich hatte den Eindruck, dass sie mich unter sich begrub. Um mich herum entstand eine unwirkliche Umgebung. Die bisher nur verschwommen sichtbar werdenden Gestalten bekamen feste Konturen.

Ich stand mitten unter den Fremden.

Aber ich war nicht länger Atlan.

Ich war ...

2.

Vargo

 

Der Überfall erfolgte im Mondschattenfeld der Pyramide, zu einem Zeitpunkt, da Vargo längst nicht mehr mit Aktionen der Projektgegner gerechnet hatte. Vielleicht war dieser verzweifelte Anschlag Ausdruck ohnmächtigen Zorns, denn schließlich war Brenzko Karahn bereits vor drei Tagen durch den Umsetzer gegangen und heute morgen zurückgekehrt. In dem Augenblick, da Vargo das Mondschattenfeld der Pyramide betrat, hatte er keine Chance, von den Wachhabenden Priestern auf dem Gipfelplateau der Pyramide gesehen zu werden.

Die Angreifer hatten damit gerechnet, dass Vargo zum Gottesdienst kommen würde, um für den Erfolg seines Projekts ein Dankgebet zu sprechen, aber sie hatten nicht wissen können, dass er allein kommen würde. Dieses Risiko waren sie eingegangen – und hatten gewonnen.

Sie waren zu sechst, hochgewachsene schlanke Männer, deren Gesichter durch Gazebrei unkenntlich gemacht waren. Wie aus dem Boden gewachsen, standen sie plötzlich vor Vargo und warfen ein Lähmfeld über seinen Kopf. Der Wissenschaftler konnte nicht schreien, seine Schultern wurden schlaff. Er taumelte nach vorn und versuchte noch im Fallen, die Angreifer durch Tritte zu verletzen. Sie hielten ihn fest, einer von ihnen streifte ihm mit geschickten Bewegungen einen schwarzen Mantel über, wie ihn die Tempeldiener trugen.

Vargo begriff, auf welche einfache und freche Weise die Entführung vor sich gehen sollte. Er wurde in die Mitte genommen und gestützt. So trieben sie ihn seitwärts, wo die Buschkette die Grenze zwischen Innen- und Außenhof der Pyramide bildete. Als sie aus dem Mondschattenfeld traten, musste für die Priester oben auf dem Gebäude der Eindruck entstehen, dass ein Tempeldiener eine Gruppe von Gläubigen zum Außenhof begleitete.

Vargo war von den Hüften aufwärts an gelähmt, seine Arme hingen lahm herunter, so dass er sich kaum wehren konnte. Alles geschah mit unglaublicher Schnelligkeit und ließ ihn vermuten, dass seine Gegner nicht zum ersten Mal solche Methoden anwandten. Vargos Freunde hatten oft davor gewarnt, dass die Projektgegner mit kriminellen Vereinigungen zusammenarbeiteten, aber der Wissenschaftler hatte diese Warnungen nie so richtig ernst genommen. Das stellte sich jetzt als schwerwiegender Fehler heraus.

Vargo überlegte, was sie mit ihm vorhaben konnten. Der Umsetzer war fertig gestellt und arbeitete einwandfrei, die Regierung hatte einer großen Expedition in den Makrokosmos bereits zugestimmt.

Diese Expedition würde stattfinden, gleichgültig, ob Vargo sie leiten konnte oder nicht. Die anderen Wissenschaftler, die an diesem Projekt beteiligt waren, besaßen die nötigen Unterlagen und ausreichende Kenntnisse, um alle nötigen Schritte in die Wege zu leiten.

Im Außenhof wartete ein Fahrzeug, in das Vargo geschoben wurde. Im Innern des Wagens wartete ein Mann, der ein zufriedenes Brummen hören ließ und Vargos Beine fesselte. Vargo lag auf dem Boden, er hörte ein paar Männer leise miteinander sprechen.

Er schätzte, dass die Großfahndung in einer Stunde beginnen würde, aber auf Tropoyth gab es zahlreiche Verstecke, wohin man ihn bringen und tagelang festhalten konnte. Die Regierungstruppen würden sich durch keine Drohung von der Suche abhalten lassen, dessen war er sicher. Er rechnete aber nicht damit, dass man ihn töten würde – so weit würden seine Feinde nicht gehen.

Je länger er nachdachte, desto sicherer wurde er, dass man ihn nicht nur aus einem spontanen Entschluss heraus entführt hatte. Zweifellos gab es einen Plan.

Vargo hatte keine Furcht. Er war ein alter Tropoyther, der alle Lebensziele erreicht hatte, die er sich gesteckt hatte. Dabei hatte er niemals Hirngespinsten nachgehangen. Selbst die Erforschung des Makrokosmos war von ihm mit kommerziellem Interesse betrieben worden. So reizvoll die wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Arbeit auch erschienen, Vargo hatte nie die materiellen Vorteile außer acht gelassen, die ein Erfolg des Projekts seinem Volk versprach.

Vargo hatte das Geheimnis der Absoluten Bewegung entdeckt, die Möglichkeit eines Materieaustauschs zwischen zwei völlig unterschiedlichen Existenzebenen. Der Umsetzer, das von Vargo konstruierte Gerät, konnte jede beliebige Materiemenge in den Makrokosmos bringen und zurückholen.

Damit waren alle Probleme der Tropoythers bis in alle Ewigkeit gelöst, ein unermessliches Feld zur Beschaffung aller denkbaren Dinge stand ihnen offen.

Viele wissenschaftliche Mitarbeiter hatten Vargo vor den Gefahren dieser Arbeit gewarnt, sie befürchteten, dass die Grenzen zwischen beiden Existenzebenen zusammenbrechen und dieser Sektor des Mikrokosmos dabei zerstört werden könnte. Vargo hatte diese Mahner verlacht. Es gab keine Anzeichen dafür, dass ihre Experimente das physikalische Gleichgewicht des Universums stören könnten.

Vargo spürte, dass das Fahrzeug anruckte. Er wusste nicht, wie viel Entführer mit eingestiegen waren. Jemand warf ihm ein stinkendes Tuch über den Kopf, wahrscheinlich wollte man verhindern, dass er auf dem Flug Hinweise über den Kurs entdecken konnte.

Das Lähmfeld ließ an Wirkung nach, aber Vargo hielt es für richtiger, ruhig am Boden liegen zu bleiben. Solange die Maschine in der Luft war, hatte er sowieso keine Fluchtchance.

Der Flug dauerte nicht so lange, wie er ursprünglich angenommen hatte, er war überzeugt davon, dass sie sich noch immer auf Yakonth, dem Hauptkontinent von Tropoyth befanden. Vielleicht lag das Versteck irgendwo in den Vralkh-Bergen. Vargo beschloss, auf die atmosphärischen Bedingungen zu achten, die ihn nun erwarteten, denn daraus konnte er auf die ungefähre Höhe des Verstecks schließen und den Behörden später Hinweise geben.

Jemand beugte sich über ihn und löste die Beinfesseln.

»Aufstehen!«, befahl eine raue Stimme. »Hände auf dem Rücken verschränken.«

Vargo gehorchte. Das Tuch blieb auf seinem Kopf. Er atmete tief ein, zu seiner Überraschung stieg warme, würzig riechende Luft in seine Nase.

Wald!, dachte er. Wir befinden uns in einem Wald in der Nähe der Südküste. Er wusste, dass es in diesem Landstrich große Sumpflandschaften und Regenwälder gab. Seine Gegner hatten sich dort offenbar niedergelassen.

Er wurde aus dem Fahrzeug geschoben und dann über weichen Boden weggeführt. Wenig später hörte er Geräusche von Maschinen, dann schlugen Türen. Er merkte, dass er nicht mehr im Freien war. Er erhielt einen Stoß, dann fiel eine Tür ins Schloss.

Es war still.

Vargo wartete einen Augenblick, dann nahm er das Tuch vom Kopf. Wie er erwartet hatte, befand er sich allein in einem kleinen, einfach eingerichteten Raum. Es gab kein Fenster, über der Tür war eine Klimaanlage installiert.

Vargo massierte seine prickelnden Hände und ließ sich auf dem schmalen Bett nieder. Es war nicht ausgeschlossen, dass seine Entführer sich nicht darüber im Klaren waren, wie sie vorgehen sollten. Vielleicht wandten sie auch lediglich den psychologischen Effekt des Wartenlassens an, um ihren Gefangenen gefügiger zu machen.

Vargo lächelte müde.

Die Maschinerie war längst in Gang gesetzt, sein Fehlen im Projektbereich konnte nichts mehr ändern.

Er erinnerte sich an den Augenblick, da Brenzko Karahn an diesem Morgen aus dem Umsetzer getreten war, blass und verschreckt, aber mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen.

»Es hat geklappt, Vargo!«

Erst die Rückkehr Karahns hatte Vargos Theorien bestätigt; einen Mann verschwinden zu lassen, bewies nicht die Möglichkeit der Absoluten Bewegung.

Schritte wurden hörbar und unterbrachen den alten Wissenschaftler in seinen Gedanken.

Die Tür öffnete sich, ein großer Mann stand im Eingang.

Vargo blinzelte.

»Mamrohn!«, stieß er ungläubig hervor. »Wollen Sie behaupten, dass der Wissenschaftliche Erste Rat, der für die Finanzierung meines Projekts sorgte, heimlich mit meinen Gegnern zusammenarbeitet?«

Der Ankömmling grinste breit.

»Ich bin für Ihre Entführung verantwortlich, Vargo.«

Vargo sah ihn abwartend an, noch verstand er nicht, was Mamrohn zu seiner Handlung bewogen haben mochte.

Mamrohn durchquerte den Raum mit langen Schritten und ließ sich neben Vargo auf dem Bett nieder. Die Tür stand offen, draußen schien kein Wächter zu stehen.

»Tatsächlich bin ich der größte Anhänger des Projekts«, behauptete der Wissenschaftliche Erste Rat von Tropoyth. »In letzter Zeit jedoch waren Sie so in Ihre Arbeit vertieft, dass Sie die Veränderung der politischen Szene nicht mehr wahrnahmen.«

»Was heißt das?«, fragte Vargo verblüfft.

»Ihre Gegner gewannen mehr und mehr an Einfluss«, berichtete Mamrohn. »Es fiel mir immer schwerer, das Projekt im Rat zu verteidigen. Besonders schwerwiegend war, dass einige Ihrer Mitarbeiter sich weigerten, das Projekt weiter zu unterstützen.«

»Was hat das mit meiner Entführung zu tun? Haben Sie etwa vor, die Opposition auf diese Weise zu diskreditieren?« Vargo war entrüstet. »Sie können doch nicht glauben, dass ich Sie dabei unterstützen werde?«

Mamrohn blieb unbeeindruckt.

»Diese Aktion sichert uns den Vorsprung, den wir benötigen. Man wird sich wegen Ihres Verschwindens die Köpfe heiß reden und sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Darüber werden die meisten Verantwortlichen das eigentliche Problem für einige Zeit vergessen. Das gibt uns die Zeit, die wir benötigen.«

Vargo stand auf.

»Zeit wozu?«

Mamrohn streckte die Beine aus, in seinem fleischigen Gesicht zuckte ein Muskel. Vargo hatte plötzlich den Eindruck, diesen Mann zum ersten Mal richtig zu sehen und einzuschätzen. Es gab wenig Männer im Rat von Tropoyth, die so zielstrebig und selbstbewusst auf ein Ziel hinarbeiten konnten wie Mamrohn.

Ohne Mamrohn hätte es niemals einen Umsetzer gegeben.

Vargo dachte ein bisschen traurig, dass er selbst eigentlich nur die Idee geliefert hatte, Mamrohn dagegen aber als Vollstrecker aufgetreten war. Die ganze Zeit aber hatte der Wissenschaftliche Erste Rat Pläne geschmiedet, von denen Vargo noch nichts wusste.

»Ich habe das alles nicht getan, um eine Art Reiseunternehmen aufzubauen«, drang Mamrohns Stimme in seine Gedanken. »Sie haben viel zu kleinkariert gedacht, alter Freund. Ich wollte Sie jedoch nicht irritieren, deshalb habe ich Sie in aller Ruhe arbeiten lassen.«

»Was haben Sie vor?«

»Wir werden Stützpunkte im Makrokosmos errichten«, verkündete Mamrohn. »Jetzt haben wir die Chance dazu, neue Räume zu erschließen, sie zu erobern. Denken Sie doch nach, Vargo! Wenn wir den Makrokosmos besitzen, kontrollieren wir den Mikrokosmos. Von oben aus können wir ganze Galaxien im Mikrokosmos mit einem Fingerdruck erledigen.«

Vargo erschauerte. Wusste der Erste Rat überhaupt, was er da von sich gab?

Mamrohn schien die Anwesenheit des Wissenschaftlers vergessen zu haben.

»Eine Invasionsflotte steht bereit«, sagte er begeistert. »Wir werden mit zweitausend Doppelpyramidenschiffen in den Makrokosmos vordringen – und das wird erst der Anfang sein.«

»Dazu habe ich den Umsetzer nicht konstruiert, Mamrohn. Sie dürfen die Absolute Bewegung nicht in dieser Form missbrauchen, es würde zu einer Katastrophe führen.«

»Schweigen Sie!«, herrschte Mamrohn ihn an. »Sie sind trotz Ihres genialen Könnens kurzsichtig. Sehen Sie nicht die Bedrohung für uns, die sich allein aus der Tatsache ergibt, dass wir der Mikrokosmos sind? Im Makrokosmos weiß man nichts von unserer Existenz, vielleicht ist man gerade dabei, völlig gedankenlos jenen Teil unseres Universums zu zerstören, den wir bewohnen. Was gehört schon dazu? Doch nicht mehr, als dass jemand auf einen Erdklumpen tritt!«

Vargo stöhnte auf.

»Sie sehen das falsch!«, rief er beschwörend. »Sie erkennen die Zusammenhänge nicht. Makro- und Mikrokosmos sind eins, ein ineinander geschlossenes System. Jede Veränderung würde apokalyptische Folgen haben.«

»Ich weiß genau, was ich will«, erklärte das Regierungsmitglied mit düsterer Entschlossenheit. »Während Sie Ihre Experimente erfolgreich abschlossen, habe ich auch meine Vorbereitungen beendet. Die erste Flotte steht bereit. Es gibt nur einen Mann, der sie führen kann.«

»Sie!«, sagte Vargo benommen.

Mamrohn sah ihn zum ersten Mal wieder an. Er hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf.

»Ich? Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich es sein könnte? Das ist doch absurd, mein Platz ist hier auf Tropoyth im Rat.«

Da begriff Vargo, dass er gehen sollte. Mamrohn hatte ihn dazu ausersehen, die Expedition in den Makrokosmos zu führen. Das war der Grund, warum er entführt worden war. Mamrohn würde ihn zwingen.

Mamrohn las im Gesicht des Gefangenen, dass dieser die Wahrheit erkannt hatte.

»Wie gefällt Ihnen das?«, lächelte er.

»Es ist Wahnsinn!«

»Sie werden fasziniert sein, wenn Sie erst einmal am Ziel angekommen sind«, prophezeite Mamrohn. »Ich werde veranlassen, dass man Sie für Ihre große Tat belohnt. Die mutigen Tropoythers, die Sie begleiten, werden vom Augenblick des Aufbruchs an Ihren Namen tragen. Wir werden sie Varganen nennen.«

 

*

 

Die nächsten Tage verstrichen für Vargo ohne besondere Ereignisse. Er durfte sein Gefängnis nicht verlassen. Ab und zu kam ein Unbekannter und brachte ihm Nahrung. Vargo verlangte nach den neuesten Nachrichten, aber diese Bitte wurde ihm versagt.

Vargo rechnete damit, dass Mamrohn eintreten und sagen würde, dass alles ein Irrtum war, ein Spaß, der nun endlich vorbei sei. Er klammerte sich so an diesen Gedanken, dass er immer, wenn draußen Schritte laut wurden, aufsprang und erwartungsvoll zur Tür ging.

Aber es war immer nur der schweigsame Fremde, der ihm zu essen brachte. Nur allmählich machte der Wissenschaftler sich mit der Tatsache vertraut, dass er keinen Albtraum erlebte.

Fünf Tage nach Vargos Entführung erschien Mamrohn wieder im Gefängnis. Er war schlampig gekleidet und machte einen überreizten und müden Eindruck. Vargo hoffte, dass irgend etwas schiefgegangen war, aber diese Hoffnung wurde durch Mamrohns Begrüßung bereits gegenstandslos.

»Es ist soweit!«, verkündete der Wissenschaftliche Erste Rat. »Wir haben den Umsetzer in den Weltraum bringen lassen, damit die bereitstehende Flotte ohne Schwierigkeiten in den Prozess der Absoluten Bewegung gebracht werden kann. Das Verschwinden des Umsetzers hat einigen Wirbel verursacht, erstaunlicherweise mehr als das seines Erschaffers.« Sarkastisch fügte er hinzu: »Das ist sicher nicht erstaunlich.«

Vargo überlegte, dass zahlreiche seiner Vertrauten für Mamrohn arbeiten mussten, anders war dieses Vorgehen nicht zu erklären. Der alte Mann fühlte sich überrumpelt und verraten, er wünschte, er hätte das alles nicht mehr zu erleben brauchen.

»Nun sind Sie an der Reihe«, fuhr Mamrohn fort. »Vargo und seine Varganen, wie gefällt Ihnen das?«

»Es ist makaber«, erwiderte Vargo niedergeschlagen. Er versuchte, Mamrohn zu hassen, aber das gelang ihm nicht. Im Grunde genommen hatte er sich bereits damit abgefunden, dass er die Invasionsflotte – denn das war sie – in den Makrokosmos führen würde. Er gestand sich ein, dass diese Aufgabe reizvolle Aspekte besaß.

Mamrohn ergriff ihn am Arm und führte ihn hinaus. Zum ersten Mal sah Vargo etwas von der Umgebung, in der er sich in den vergangenen Tagen aufgehalten hatte. Ringsum im Regenwald standen ein paar flache Gebäude. Männer und Frauen, die Vargo niemals zuvor gesehen hatte, arbeiteten in der Nähe.

Über einen Trampelpfad führte Mamrohn den Wissenschaftler zu einer Lichtung. Dort standen ein paar bewaffnete Männer zwischen den Bäumen. Mamrohns Maschine wartete auf der Lichtung. Es war ein kombinierter Raum-Atmosphäregleiter.

Mamrohn fing Vargos Blick auf.

»Wir fliegen direkt in den Weltraum und gehen an Bord des Doppelpyramidenschiffs GENDROT«, gab er bekannt. »Alles, was Sie brauchen, befindet sich bereits an Bord.«

Vargo hatte nicht gehofft, sich noch von seinen Freunden verabschieden zu können, aber dieser überstürzte Aufbruch bewies ihm, dass Mamrohn in Schwierigkeiten war.

»Sie werden einige Ihrer Freunde an Bord der GENDROT wiedersehen«, fuhr Mamrohn fort. Er kletterte in den Gleiter und ließ sich ächzend in einen Sitz fallen. Der Pilot wartete, dass auch Vargo einstieg, dann startete er.

Vargo blickte zur Seite und sah, dass Mamrohn der Kopf auf die Brust fiel. Der Wissenschaftliche Erste Rat von Tropoyth war unmittelbar nach dem Start vor Erschöpfung eingeschlafen.

Vargo wandte sich an den Piloten.

»Sind alle Schiffe einsatzbereit?«

»Ich kümmere mich um nichts«, erwiderte der Mann gelassen. »Ich fliege diesen Gleiter, das ist alles.«

Vargo wappnete sich mit Geduld. Bei zunehmender Beschleunigung, musste er sich in den Andrucksessel zurücklehnen und warten, bis die Maschine den offenen Weltraum erreicht hatte. Sie wurden weder aufgehalten noch angefunkt. Mamrohn musste den gesamten Sicherheitsapparat der Regierung kontrollieren. Vielleicht handelte er sogar im Auftrag der Regierung.

Tropoyth blieb hinter ihnen zurück, eine blaugrün leuchtende Scheibe mit weißen Wolkenfetzen davor. Es war nun achtzehn Jahre her, dass Vargo sich zum letzten Mal im Weltraum aufgehalten hatte, aber er hatte den Eindruck, dass es erst vor ein paar Tagen gewesen war.

Der Pilot schien den Kurs genau zu kennen.

Mamrohn, der eine innere Uhr zu besitzen schien, erwachte, als der Gleiter die Flotte erreicht hatte.

Das Einschleusungsmanöver in die GENDROT vollzog sich schnell und reibungslos.

»Ich dachte, Sie würden nicht mitgehen«, wandte Vargo sich an den Wissenschaftlichen Ersten Rat.

»Das war ein Irrtum«, erklärte Mamrohn verbissen. »Auf Tropoyth hat sich vieles verändert. Ich begleite Sie, Vargo. Eines Tages jedoch werden wir zurückkehren, das versichere ich Ihnen.«

Vargo hatte das sichere Gefühl, dass alles anders verlaufen würde als Mamrohn sich das vorstellte. Er wurde von schlimmen Ahnungen geplagt. Sein Volk hatte eine gefährliche Grenze überschritten.

 

*

 

Die Ereignisse der nächsten Tage schienen Vargos Bedenken zu widerlegen. Der Umsetzer brachte alle Schiffe in den Prozess der Absoluten Bewegung und führte die Flotte in den Makrokosmos. Wie Vargo vorhergesagt hatte, änderten sich während des Durchgangs alle Größen- und Massenverhältnisse, Schiffe und Besatzungen passten sich den Verhältnissen im Makrokosmos an. Dieser Effekt wurde durch den Massenaustausch herbeigeführt, der bei der Rückkehr in umgekehrter Form auftreten würde.

Doch an eine Rückkehr dachte Vargo vorläufig nicht.

An Bord der GENDROT hielten sich sieben seiner ehemaligen engen Mitarbeiter auf.

»Wir müssen damit rechnen, dass es hier im Makrokosmos große raumfahrende Völker gibt, die uns unter Umständen gefährlich werden können«, erklärte Mamrohn während der ersten Besprechung nach ihrer Ankunft. »Deshalb werden wir die Flotte teilen und unsere Stationen in verschiedenen Sektoren dieser Galaxis errichten.«

Mamrohn ließ durchblicken, dass ihm nicht an einer schnellen Rückkehr gelegen war. In Vargo wuchs der Verdacht, dass der ehemalige Wissenschaftliche Erste Rat an eine Kolonisation dachte. Er wollte ein zweites tropoythisches Imperium im Makrokosmos errichten.

Ein varganisches Imperium!, korrigierte Vargo sich in Gedanken.

Die GENDROT gehörte zu einem Verband von siebenundzwanzig Schiffen, die ein paar Tage später in ein kleines Sonnensystem eindrangen und auf dem zweiten von insgesamt sechs Planeten landeten.

Mamrohn hatte eine Sauerstoffwelt ausgewählt, die alle Voraussetzungen für den Ausbau einer Station bot. Vargo und die anderen Wissenschaftler erhoben Bedenken, denn auf der von Mamrohn erwählten Welt gab es bereits eine primitive Zivilisation.

Mamrohn ließ diese Einwände nicht gelten.

»Wir kümmern uns nicht um sie«, befahl er. »Wenn sie uns in die Quere kommen sollten, verjagen wir sie.«

Vargo erkannte, dass Mamrohn ein rücksichtsloser Eroberer war. Der ehemalige Wissenschaftliche Erste Rat wollte sich in dieser Galaxis des Makrokosmos ein Imperium aufbauen.

Ein knappes Jahr nach ihrer Ankunft im Makrokosmos machten die Teilnehmer an dieser verhängnisvollen Expedition zwei ungeheuerliche Entdeckungen.

Die Varganen, wie sie sich Mamrohns Anordnung entsprechend jetzt nannten, alterten nicht mehr. Durch den Einfluss der Absoluten Bewegung hatten sie Unsterblichkeit erlangt.

Der zweite Effekt war schrecklich.

Die Varganen verloren die Fähigkeit, sich miteinander fortzupflanzen.

3.

Vargo

 

Der Ausbau der Station auf Dopmorg ging jetzt langsamer voran, vielleicht weil die Unsterblichen sich unbewusst darüber im Klaren waren, dass sie unendlich viel Zeit zur Verfügung hatten. Die überall in dieser Galaxis verteilten Stationen glichen Inseln. Zwar flogen die Doppelpyramidenschiffe ständig hin und her, aber auch diese Kontakte ließen mehr und mehr nach.

Von seinem Platz auf dem Dach des Hauptgebäudes aus konnte Vargo das Landeplateau sehen. Dort standen einundzwanzig Doppelpyramidenschiffe. Das bedeutete, dass nur sechs Schiffe zu anderen Stationen unterwegs waren.

Vargo kam jeden Morgen hier herauf, um den Sonnenaufgang zu erleben. Trotz seiner Unsterblichkeit fühlte er sich müde. Er spielte mit dem Gedanken, seinem Leben ein gewaltsames Ende zu setzen.

Vargo war ein einsamer Mann, denn die anderen Varganen mieden ihn.

Sie verdankten ihm indirekt die Unsterblichkeit, aber sie brachten nur ihre Zeugungsunfähigkeit mit ihm in Verbindung. Vargo hatte keinen dieser Effekte vorhersehen können, er bedauerte, dass es dazu gekommen war.

Seit ihrer Ankunft auf Dopmorg hatte Vargo den Planeten nicht mehr verlassen, er ahnte, dass ihn auf allen anderen besetzten Planeten die gleiche Feindseligkeit entgegenschlagen würde.

Vargo dachte an Mamrohn, der bereits seit ein paar Jahren unterwegs war. In Gedanken sah er Mamrohn von Station zu Station eilen, verzweifelt darum bemüht, Verbindungen zwischen den einzelnen Welten zu schaffen.

Als die Sonne über den Bergen stand, verließ Vargo seinen Beobachtungsplatz auf dem Dach und kehrte in seine Räume im Innern der Station zurück. Zu seiner Überraschung wurde er erwartet.

Kreton, einer der führenden varganischen Wissenschaftler, kam ihm entgegen.

Die Erinnerung an frühere gemeinsame Arbeiten wurde in Vargo wach, selten zuvor hatte er das Ende seiner Kontakte zu anderen Männern und Frauen so bedrückend empfunden wie in diesem Augenblick. Er verhielt sich jedoch zurückhaltend, denn Kreton war bestimmt nicht gekommen, um alte Beziehungen aufzufrischen.

Kreton ging im Zimmer auf und ab, blieb vor dem Teller mit den Blüten stehen und starrte nachdenklich auf ihn hinab. Die Blüten wurden jeden Tag erneuert, es war eine Marotte Vargos, von der er nun befürchtete, sie könnte seinen inneren Zustand verraten. Er war zu stolz, um das Mitgefühl anderer zu ersehnen.

Kreton beugte sich zum Teller hinab und nahm eine Blüte heraus.

»Wundern Sie sich über meine Anwesenheit?«

»Eigentlich ja«, gab Vargo zurück. »Ich werde nicht sehr häufig besucht.«

»Sie haben sich zurückgezogen«, stellte Kreton fest. »Ich verstehe das, es ist Ausdruck eines unterschwelligen Schuldbewusstseins.«

Vargo runzelte die Stirn, er hatte nicht damit gerechnet, dass die anderen die Situation so sahen. Immerhin war es interessant, diesen Standpunkt zu erfahren.

»Ich bin aus eigenem Antrieb hier«, fuhr Kreton fort. »Wir hatten eine Besprechung, und ist bin der Meinung, dass wir Ihre Ansichten hören sollten. Immerhin haben Sie dieses Projekt ermöglicht und ihm Ihren Namen gegeben.«

»Das war Mamrohns Idee!«

Kreton winkte ab. Während Vargo ihn beobachtete, überlegte er, was geschehen sein konnte. Kreton machte den Eindruck eines Überbringers wichtiger Entschlüsse.

»Was halten Sie von unserer Lage?«, fragte er Vargo.

»Wir leben hier!«

Kreton unterdrückte ein Lachen. »Früher waren Sie in der Beurteilung einer Situation nicht so vorsichtig, mein Lieber. Aber vielleicht wissen Sie nicht, worauf ich hinaus will. Wir kamen in den Makrokosmos, um hier ein Reich aufzubauen. Wir wollten Sonnensystem um Sonnensystem erobern.«

»Hm!«, machte Vargo.

»Um Sonnensysteme zu bevölkern, braucht man Tropoythers.« Kreton zupfte die Blütenblätter ab und warf die Knospe in den Teller zurück. »Aber unsere Anzahl hat sich nicht vergrößert, wir verlieren im Gegenteil immer mehr Männer und Frauen durch gewaltsamen Tod. Da wir uns nicht mehr fortpflanzen können, ist der ursprüngliche Sinn dieses Unternehmens in Frage gestellt.«

Was Kreton aussprach, hatte Vargo hundertmal überdacht, ohne zu einer Lösung zu gelangen.

»Uns fehlt eine Motivation«, fuhr Kreton ernst fort. »Wir haben bereits alles erreicht, was zu erreichen war – gemessen an den Umständen. Da wir keine Kinder haben, brauchen wir keine neuen Welten. Es ist schon schwer genug, die in Besitz genommenen Systeme zu halten.«

Vargo gab sich einen Ruck.

»Was wollen Sie eigentlich?«

»Wissen Sie das nicht?« Kreton blickte ihm direkt in die Augen. »Viele von uns sind der Meinung, dass wir aufgeben und zurückkehren sollten.«

Vargo fühlte einen Schauer über den Rücken laufen, er begann zu zittern und begriff, wonach er sich die ganze Zeit über in Wirklichkeit gesehnt hatte.

Zurück!, dachte er inbrünstig.

Zurück in den Mikrokosmos, zurück nach Tropoyth!

 

*

 

Zwei Jahre später kehrte Mamrohn zurück. Seine Ankunft auf Dopmorg fiel zusammen mit dem Ausbruch heftiger Kontroversen zwischen den Befürwortern einer Rückkehr und ihren Gegnern.

Mamrohns Gesicht war verbrannt, sein rechter Unterarm amputiert und seine Stimme klang entstellt. Er hatte den Tod gesucht und nicht gefunden. In seinen Augen leuchtete ein verzehrendes Feuer. Seine Fähigkeit, Einfluss auf andere Varganen auszuüben, hatte sich noch verstärkt.

Mamrohns Anwesenheit schien die Streitigkeiten zu beenden, aber die unterschiedlichen Ansichten schwelten unter der Oberfläche weiter. Die Varganen, die nach Tropoyth zurückkehren wollten, befanden sich in der Überzahl. Eine offizielle Befragung hätte wahrscheinlich ergeben, dass nur eine sehr kleine Gruppe im Makrokosmos bleiben wollte. Allein die Tatsache, dass Mamrohn zu dieser Gruppe gehörte, verlieh ihr Gewicht.

Mamrohn war in Begleitung einer jungen Varganin nach Dopmorg gekommen, eines der schönsten Mädchen, das Vargo jemals gesehen hatte. Mamrohn hatte sie von einer anderen Station mitgebracht. Ihr Name war Ischtar.

Trotz seines äußeren Zustands hatte Mamrohn nichts von seiner inneren Energie verloren. Er sprach davon, einen Großteil der eroberten Planeten aufzugeben und die Varganen auf ein paar auserwählten Stationen zusammenzuziehen. Von dort aus wollte Mamrohn die Galaxis beherrschen.

Ein paar Tage nach seiner Rückkehr lud Mamrohn die Wissenschaftler zu einer Besprechung ein. Vargo war gespannt, wie der Mann, der sich nach wie vor für den Anführer aller Varganen hielt, sich verhalten würde.

In den letzten Tagen hatte Kreton sich als Sprecher der Mehrheit profiliert. Kreton besaß nicht die Willensstärke Mamrohns, aber er wusste, wie er zu taktieren hatte.

Als Vargo im Besprechungsraum eintraf, ahnte er nicht, dass es im Verlauf der Debatte zu einem schweren Zusammenstoß kommen würde. Sein fehlender Kontakt zu anderen Varganen verleitete ihn auch diesmal zu einer Fehleinschätzung der Lage.

Mamrohn erschien. Er nahm am oberen Ende des Tisches Platz. Sein Gesicht war verbissen, er sah wie ein Fremder aus und machte den Eindruck eines unwillkommenen Besuchers. Die Begrüßung durch die Diskussionsteilnehmer fiel so distanziert aus, dass Vargo Mitleid mit Mamrohn empfand, obwohl er bezweifelte, dass der ehemalige Erste Rat die allgemeine Zurückhaltung überhaupt registrierte.

Ischtar saß neben Mamrohn, ihr goldenes Haar berührte die Schultern.

Ein seltsames Paar!, dachte Vargo unwillkürlich und seltsam berührt.

Kreton trat in Begleitung aller wichtigen Wissenschaftler ein. Auch diese Demonstration schien an Mamrohn abzuprallen, er sah nicht einmal auf.

Als alle Diskussionsteilnehmer Platz genommen hatte, warf Mamrohn ein paar Papiere auf den Tisch und sortierte sie mit der linken Hand. Bei jedem anderen Mann hätte sich die Frage gestellt, warum er den verlorenen rechten Unterarm nicht durch eine Prothese ersetzte – nicht aber bei Mamrohn. Es war unvorstellbar, dass er seinen Körper durch irgend etwas Künstliches ergänzen würde.

»Ich war lange unterwegs«, eröffnete Mamrohn die Debatte ohne lange Vorrede. »Dabei habe ich alle Stationen in den verschiedensten Teilen dieser Galaxis besucht, einige sogar mehrmals. Es ist erschreckend, was auf verschiedenen von uns eroberten Planeten geschieht.«

Er blickte zum ersten Mal auf, in seinem Gesicht spiegelten sich Zorn und Trotz und eine gewisse Rastlosigkeit.

»Es gibt Welten, auf denen Varganen den Freitod gewählt haben«, berichtete er. »Sie haben ihre Körper in den Stationen präparieren lassen, weil sie an eine spätere Wiedererweckung glauben. Diese Wiedererweckung soll erst stattfinden, wenn wir eine Möglichkeit gefunden haben, die Zeugungsunfähigkeit zu besiegen.

Die Wahrheit ist, dass sie sich aufgeben!«, rief er aus. »Ihnen fehlt jeder Antrieb für ein weiteres Leben.«

»Nein«, sagte jemand entschieden. »Das ist nicht die Wahrheit.«

Vargo drehte sich auf seinem Sitz herum. Er sah zu Kreton hinüber, der gesprochen hatte. Der Wissenschaftler war blass, seine Lippen bebten, aber er saß nach vorn gebeugt da, entschlossen und unnachgiebig.

»Sie haben uns in den Makrokosmos geführt, um hier ein zweites Reich der Tropoythers aufzubauen«, erinnerte Kreton. »Von Anfang an wollten Sie alle Brücken zu unserer Heimat abbrechen, deshalb mussten wir uns Varganen nennen. Sie wollten keine Verbindung mehr in den Mikrokosmos, Sie wollten vergessen, dass wir in Wirklichkeit unendlich winzig sind. Dafür mussten wir einen hohen Preis bezahlen.«

»Niemand konnte das vorhersehen«, verteidigte sich Mamrohn.

»Das ist richtig«, gab Kreton zu. »Aber wir hätten uns auf die veränderte Situation einstellen und zurückkehren sollen. Mit dem Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit verlor das Unternehmen seinen Sinn. Man braucht keine Sonnensysteme zu erobern, wenn man keine Kinder zeugen kann, mit denen man die Planeten bevölkern kann. Aber Sie haben das nicht einsehen wollen, Mamrohn. Sie hörten nicht auf, Ihren Traum von einem neuen Imperium zu träumen, Sie träumen ihn immer noch.«

So, wie Mamrohn dasaß, konnte man Angst vor ihm bekommen. Vargo hatte den Eindruck, dass dieser Mann allein Kraft seiner Gefühle irgend etwas zerstören konnte. Er bewunderte Kreton, der den Mut hatte, dagegen anzugehen.

»Ich weiß, was auf Dopmorg vorgeht!« Mamrohn schien Mühe zu haben, die einzelnen Worte auszusprechen. »Hier wird nur noch von einer Rückkehr geredet. Sie und Ihre Anhänger wollen alles, was wir aufgebaut haben, wieder aufgeben und in den Mikrokosmos zurückkehren. Als würde sich dadurch etwas ändern.« Seine Blicke richteten sich auf Vargo, der unwillkürlich zusammenzuckte. »Sagen Sie ihnen, ob sich durch die Rückkehr irgend etwas ändert, Vargo. Werden Sie sterblich werden oder ihre Zeugungsfähigkeit zurückerlangen?«

Vargo schüttelte den Kopf.

»Nichts würde sich ändern!« Mamrohn schrie es heraus. »Wir wären Ausgestoßene vom Augenblick unserer Rückkehr an.«

Einen Moment sah es so aus, als würde Kreton unter dem Druck von Mamrohns Persönlichkeit aufgeben. Vargo sah, wie sich in Kreton ein innerer Kampf abspielte.

»Sie verstehen nicht, Mamrohn«, sagte der Wissenschaftler mühsam. »Wir werden zurückgehen, um jeden Preis.«

Er stand auf.

»Alle, die meiner Meinung sind, sollen sich erheben.«

Vargo sah die Männer und Frauen nacheinander aufstehen, der beinahe lautlose Vorgang erinnerte ihn an eine Hinrichtung. Zum Schluss saßen nur noch Mamrohn, Ischtar und Vargo auf ihren Plätzen.

Mamrohn sah Vargo an.

»Sie?«, fragte er erstaunt. »Ausgerechnet Sie?«

Vargo schluckte und schob sich aus seinem Sitz hoch, als müsste er dabei eine Last anheben.

»Es tut mir leid«, sagte er tonlos. »Es ist nun einmal so. Ich kann nicht anders.«

 

*

 

Kreton, der nach dieser denkwürdigen Sitzung das Kommando übernahm, schickte Kurierschiffe nach allen von Varganen besetzten Welten und befahl den Raumfahrern, mit den verschiedenen Gruppen einen Treffpunkt zur Rückkehr auszuhandeln.

Mamrohn und seine wenigen Anhänger wurden als Rebellen bezeichnet. Ein paar von ihnen wurden gefangen genommen und sollten den Rückflug unter Zwang mitmachen.

Vergeblich versuchte Vargo in Erfahrung zu bringen, ob auch Mamrohn zu den Gefangenen gehörte. Unmittelbar nach der Besprechung hatte Mamrohn zusammen mit Ischtar Dopmorg an Bord eines Doppelpyramidenschiffs verlassen. Über ihr weiteres Schicksal war nichts bekannt. Kreton verweigerte auf alle Fragen eine Antwort.

Zu Vargos Erstaunen lehnte Kreton einen Vorschlag der Wissenschaftler ab, alle Stationen der Varganen auf den Planeten im Makrokosmos zu vernichten.

»Wir wollen unsere Spuren hier hinterlassen«, meinte Kreton. »Vielleicht werden eines Tages andere raumfahrende Völker auf unsere Bauwerke stoßen und überlegen, wer sie errichtet haben mag. Auf die Idee, dass es Besucher aus dem Mikrokosmos waren, kommen sie sicher niemals.«

Später erfuhr Vargo, dass einige der so genannten Rebellen verschwunden waren. Sie würden die Rückkehr in den Mikrokosmos nicht mitmachen. Vargo nahm an, dass Kreton nicht so unbarmherzig war, wie er sich nach außen hin gab, und die Stationen für diese Rebellen zurückließ.

Der Termin für eine Rückkehr rückte immer näher, auch auf Dopmorg deuteten alle Anzeichen auf einen baldigen Aufbruch hin. Ein Treffpunkt war vereinbart worden. Knapp achtzehnhundert der ursprünglich zweitausend Einheiten starken Flotte sollte die Stelle anfliegen, wo die Absolute Bewegung des Umsetzers wirksam wurde.

Vargo, der den Zeitpunkt der Rückkehr immer herbeigesehnt hatte, wurde mit zunehmender Dauer immer unruhiger. Bestand nicht die Gefahr, dass während des zweiten Durchgangs noch viel schlimmere Effekte auftraten als beim ersten Mal?

Drei Tage vor dem Aufbruch der dopmorgischen Gruppe landete ein Doppelpyramidenschiff auf dem Planeten. Gerüchte, die auch Vargo erreichten, kamen in Umlauf. Es hieß, Mamrohn befände sich als Gefangener an Bord des Schiffes.

Vargo fühlte sich durch diese Nachrichten weiter verunsichert.

Als die Gerüchte sich verdichteten, begab Vargo sich zu Kreton. Er fand den neuen Anführer der Varganen in einer Besprechung mit den führenden Wissenschaftlern im Hauptgebäude der dopmorgischen Station. Vargo fühlte Enttäuschung; früher hatte man ihn ebenfalls zu solchen Anlässen eingeladen.

So musste er froh sein, dass Kreton ihn nach Abschluss der Besprechung empfing.

»Es geht um einen Passagier des gestern gelandeten Schiffes«, kam Vargo sofort auf sein Anliegen zu sprechen.

Kreton hob die Augenbrauen.

»Sie meinen Mamrohn?«

»Er ist also tatsächlich an Bord?«

»Als Gefangener«, erklärte Kreton mürrisch. »Er hat uns in letzter Zeit viele Schwierigkeiten bereitet.«

Vargo vermochte sich Mamrohn nicht als Gefangenen vorzustellen, es erschien ihm unmöglich, ja geradezu verwerflich, diesem Mann einen fremden Willen aufzuzwingen.

»Lassen Sie ihn frei!«, forderte er.

»Ich wundere mich, dass gerade Sie diesen Vorschlag machen«, meinte der Anführer. »Schließlich hat Mamrohn Sie von Anfang an betrogen und ausgenutzt. Ich werde ihn auf keinen Fall freilassen. Er wird mit nach Tropoyth zurückkehren und dort vor ein Gericht gestellt.«

Vargo hatte den vagen Verdacht, dass Kreton beabsichtigte, ihn ebenfalls verurteilen zu lassen, aber er war zu müde und gleichgültig, um dieser Vermutung nachzugehen.