cover.jpg

Band 250-299 – Der Held von Arkon – Teil 2

 

Nach wie vor ist der junge Kristallprinz Atlan auf der Flucht vor den Nachstellungen seines gewissenlosen Onkels Orbanaschol III. Dieser hatte sich mit der Ermordung seines Bruders – Atlans Vater – selbst zum Imperator des Großen Imperiums gekrönt. Doch das Ende des Thronräubers rückt näher ...

In den vergangenen Jahren konnte Atlan wertvolle Verbündete gewinnen. Bevor jedoch er die Rache an seinem Erzfeind vollenden kann, muss er noch einmal all seinen Mut und sein Können aufbieten. Orbanaschol gibt sich nicht kampflos geschlagen, und er hat einen wichtigen Trumpf in der Hinterhand ...

img1.jpg

img2.jpg

 

Nr. 250

– ATLAN exklusiv Band 111 –

 

Die Gefangenen von Akon

 

Sie gelten als Unedle – und werden vor Gericht gestellt

 

von Kurt Mahr

 

img3.jpg

 

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht in der Lage, an diesem Kampf mitzuwirken, da er sowie ein paar Dutzend seiner Gefährten von der ISCHTAR im Bann Akon-Akons, des Psycho-Tyrannen, stehen, gegen dessen Befehle es keine Auflehnung gibt.

Akon-Akon, der mit Atlans und Fartuloons Hilfe den »Stab der Macht« in Besitz nehmen konnte, treibt die von ihm beherrschte Gruppe immer weiter voran auf der Suche nach dem Blauen System, wo der Hypnosuggestor »sein« Volk zu finden erwartet.

Der mysteriöse junge Mann erreicht schließlich sein erstrebtes Ziel. Er wird mit großem Respekt empfangen – doch seine Begleiter gelten als Unedle. Sie werden DIE GEFANGENEN VON AKON ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Kristallprinz gelangt ins Blaue System.

Fartuloon, Vorry, Ra und Karmina Arthamin – Atlans Gefährten und Mitgefangene.

Daalmors von Borgool – Rat von Akon.

Pali Ragnaar – Ein Rebell von Akon.

Marissa Er-Raan – Eine Verräterin.

1.

Der Edle Daalmors von Borgool

 

Das war's ... ich spürte es im ersten Augenblick!

Der Schmerz der Entzerrung lag mir wie schrilles Gekreisch in den Ohren. Ich taumelte und kämpfte um mein Gleichgewicht ... aber ich wusste: wir waren am Ziel! Schimmernde, silbrige Reflexe einer hochentwickelten, allgegenwärtigen Technik gaukelten mir vor den Augen. Metallische Geräusche übertönten den kreischenden Schmerz. Silberne Gestalten wuchsen in mein Blickfeld.

Hinter uns lagen ein halbes Dutzend Transmitterstationen. Oder waren es mehr? Weniger? Ich hatte aufgehört zu zählen. Jedes Mal, wenn ich am Ende einer Transmitterstrecke unter höllischen Schmerzen rematerialisierte, hatte ich quälende Augenblicke lang eine fast unerträgliche Spannung empfunden, eine angsterfüllte Begierde zu wissen, ob wir endlich das Ziel erreicht hatten. Jedes Mal war ich enttäuscht worden. Die Stationen, die unseren Irrweg säumten, lagen auf längst vergessenen Welten, inmitten der Trümmerwüsten. Einige von ihnen waren Albträume, zum Beispiel die der BLÜTE DES LEBENS, die wir vor wenigen Augenblicken verlassen hatten. Der modrige Geruch der wildgewordenen Pflanzen stank noch in meiner Kleidung. Ich würde ihn mein Leben lang nicht vergessen.

Hier aber war es anders. Ich fing mich, gewann das Gleichgewicht zurück. Die silbernen Gestalten bekamen feste Konturen, die schimmernden Reflexe hörten auf zu tanzen. Ich sah eine gewaltige Halle, die von pulsierendem Leben erfüllt war. Wie üblich war ich einer der ersten, die den Entzerrungsschmerz überwanden. Nur Fartuloon tat es mir gleich, und Vorry, der Unbeschreibliche. Selbst Akon-Akon wand sich noch in Krämpfen, als ich längst aufrecht stand und die ersten klaren Eindrücke der neuen Umgebung in mir aufnahm und alles registrierte.

Die silbernen Gestalten waren Roboter. Sie standen in weitem Kreis um den schillernden Torbogen, der den Ausgang der Transmitterstrecke bezeichnete. Sie beobachteten uns aufmerksam. Sie waren bewaffnet, und einige Waffen richteten sich auf unsere Gruppe.

Ich griff nach dem Blaster. Im selben Augenblick fühlte ich einen harten Druck auf dem Unterarm.

»Lass das sein!«

Das war Fartuloons raue Stimme. Er hatte die Lage rascher überblickt als ich. Und er hatte Recht. Mein kleiner Strahler würde die Roboter mit ihren schweren Waffen nicht beeindrucken. Sie waren mir in jeder Hinsicht überlegen, nicht zuletzt in der Reaktionsschnelligkeit.

Mein Blick fiel auf Akon-Akon, den Jungen, der jetzt ebenfalls fest auf den Beinen stand. Der Kerlas-Stab, das geheimnisvolle Zeichen der Macht, hatte zu glühen begonnen. Die Spitze leuchtete in grellem Rot. Der Junge stand starr und blickte mit weit geöffneten Augen über die Runde der Roboter hinaus. Ich wandte mich um und folgte seiner Blickrichtung.

Jenseits des Kreises der Kampfroboter spielte sich das Leben einer hochtechnifizierten Installation ab. Maschinenwesen aller Art und Typen eilten hin und her, Signallichter flackerten, Aggregate summten und brummten. Es war, als sei außerhalb der Runde der Kampfroboter unsere Ankunft überhaupt nicht wahrgenommen worden. Überhaupt schien der riesige Transmitter nur eine – und nicht einmal die wichtigste – unter Hunderten technischer Einrichtungen dieser Halle zu sein. Die Halle selbst hatte die Form einer riesigen Kuppel, die sich bis zu einer Höhe von fünf- oder sechshundert Schritten wölbte. Die Transmitteröffnung befand sich in der Nähe der Kuppelwand. Die gegenüberliegende Begrenzung der Kuppel war so weit entfernt, dass der Blick sie nicht mehr erfasste.

Ich hatte den Eindruck, die Wandung der Kuppel sei durchsichtig. Aus der Höhe blendeten mich jedoch so viele Lampen, die ein leicht gelbliches, sonnengleiches Licht ausstrahlten, dass ich die Transparenz nicht nutzen konnte. Wie gerne hätte ich den Himmel gesehen, der sich über dieser fremden Welt wölbte. Aber der Ausblick blieb mir verwehrt.

Während ich mich umsah, erblickte ich eine kleine Gruppe von Geschöpfen, die meiner Aufmerksamkeit bislang entgangen war. Zuerst hielt ich auch sie für Roboter, aber dann erkannte ich an ihrer Kleidung, dass es organische Wesen sein mussten – Menschen, um genau zu sein; denn sie sahen uns ähnlich genug!

Ihre Aufmerksamkeit war auf uns gerichtet. Sie trugen kurzgeschnittenes Haupthaar von zumeist dunkler, bisweilen kupferroter Farbe. Die Augen waren ebenfalls dunkel, und die Haut hatte einen samtenen Ton. Ihre Kleidung entsprach nach Zweckmäßigkeit und Bequemlichkeit den Maßstäben einer hochentwickelten Zivilisation. Auf überflüssiges Schmuckwerk war verzichtet worden. Nur einer der Fremden trug auf der Bluse, die den Oberteil seines Gewandes bildete, das Abbild eines hellblauen Schildes.

Die Gruppe geriet in Bewegung. Soweit ich erkennen konnte, bestand sie ausschließlich aus Männern. Der mit dem blauen Schild ging an der Spitze. Neben mir stieß Akon-Akon einen halb unterdrückten Ruf der Erregung aus. Er hatte die Fremden ebenfalls bemerkt und musterte sie mit glühenden Augen. Ich spürte, wie der psychische Bann, mit dem er uns zu einem willenlosen Werkzeug gemacht hatte, sich plötzlich lüftete. Akon-Akons Aufmerksamkeit war einzig und allein auf die samthäutigen Fremden gerichtet. Er wusste ebenso gut wie ich, dass wir am Ziel waren. Wir kümmerten ihn nicht mehr.

Jenseits des Roboterkreises blieben die Fremden stehen. Sie waren jetzt noch dreißig Schritte von uns entfernt. Ich konnte jede Einzelheit in ihren Mienen erkennen. Der Mann mit dem blauen Schild auf dem Gewand richtete den Blick auf Akon-Akon. In einer Sprache, die sich geringfügig von der des Jungen unterschied, sagte er:

»Die Heimat Akon heißt ihren Sohn willkommen!«

 

*

 

Es war nicht mehr als eine Bestätigung dessen, was ich ohnehin schon gewusst hatte, und doch spürte ich, wie ein Teil der inneren Spannung ruckartig wich. Allerdings währte die Erleichterung nicht lange. Der Blick des Mannes mit dem blauen Schild, der eine Zeitlang wohlwollend auf Akon-Akon geruht hatte, wandte sich uns zu. Dabei wich das Wohlwollen aus den Zügen des Fremden und machte einem Ausdruck Platz, der aus Abscheu, Ekel und Verachtung zusammengesetzt war.

»Mit dem unedlen Gelichter ist zu verfahren«, sagte der Mann, »wie das Gesetz es gebietet!«

Wir hatten nichts getan, um seine Verachtung herauszufordern. Sein Verhalten war so unwirklich, dass es mir zunächst schwerfiel, es ernst zu nehmen. Fartuloon, der Bauchaufschneider, hatte dagegen solche Schwierigkeiten nicht. Er trat einen Schritt vorwärts und fuhr den Mann mit dem blauen Schild an:

»Du belegst uns mit Schimpfnamen, ohne zu wissen, wer wir sind. Das spricht nicht für einen hellen Geist, Mann!«

Mit sichtbarem Widerwillen wandte der Fremde den Blick dem Alten zu. Jeder Zug seiner Miene gab zu erkennen, wie sehr er uns verachtete. Ein Mann aus seiner Begleitung übernahm es, auf Fartuloons Vorwurf zu antworten. Der Mann mit dem blauen Schild, das erkannten wir bald, war viel zu vornehm, als dass er sich in eine Unterhaltung mit uns hätte einlassen können.

»Für den Edlen Daalmors von Borgool«, erklärte der Begleiter mit schriller Stimme, »sind deine Worte wie die Blähungen eines Ochsen. Er wendet sich von ihnen ab und nimmt sie nicht zur Kenntnis.«

Ich sah Fartuloons Auge aufblitzen und die Mundwinkel spöttisch zucken. Da hatte ihm einer ein Stichwort gegeben, wie es besser nicht sein konnte!

»Das mag daran liegen«, grollte der Alte, »dass die Blähungen eurer Ochsen mehr Sinn enthalten als die Worte eurer Männer!«

Unter der samtenen Haut wurde der Begleiter blass. Ich sah ihm an, dass er um Worte kämpfte. Eine Beleidigung dieser Art war dem Edlen Daalmors von Borgool wahrscheinlich noch nie zuteil geworden.

»Deine Rede beweist«, schrillte der Begleiter, »dass du ein unwürdiger Unedler bist. Schafft sie fort!«

Die Roboter setzten sich in Bewegung. Ihre Waffen waren auf uns gerichtet, als sie begannen, uns vor sich herzutreiben. Aber Fartuloon wollte die Szene nicht verlassen, ohne sich einen letzten Triumph zu verschaffen. Er ging an der Spitze unserer Gruppe und hatte genug Bewegungsfreiheit, um ein paar Schritte zur Seite auszuweichen und auf den Begleiter zuzugehen. Der sah ihn kommen, und Angst malte sich in seinen Zügen.

»Wer bist du, quakender Frosch?«, dröhnte des Alten Stimme. »Hast du überhaupt einen Namen?«

Der Begleiter war so überrascht und entsetzt, dass ihm die Antwort, die er eigentlich gar nicht hatte geben wollen, wie von selbst über die Lippen fuhr.

»Ich bin Verton vom Kap«, stieß er hervor.

Fartuloon grinste höhnisch.

»Hör mir zu, Verton vom Kap!«, donnerte er den Erschrockenen an. »Eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft wirst du vor mir, dem Ersten Berater des Kaisers aller Arkoniden, stehen und um Gnade winseln. Dann sollst du mir sagen, wer von uns beiden edler ist – du oder ich!«

Der Auftritt des Alten war zu Ende. Die Roboter schoben uns an Daalmors von Borgools Gruppe vorbei.

Mit uns sei zu verfahren, wie das Gesetz es gebietet, hatte Daalmors von Borgool gesagt. Was im einzelnen das Gesetz vorschrieb, wurde uns nicht sofort klar. Die Roboter begnügten sich damit, uns quer durch die riesige Halle auf einen Schacht zuzutreiben, der senkrecht in die Tiefe führte und mit einem künstlichen Schwerefeld versehen war. Einer nach dem anderen wurden wir gezwungen, in den Schacht zu springen. Unter dem Einfluss des Feldes sanken wir in die Tiefe. Der Schacht selbst war finster, aber irgendwo in weiter Ferne glomm ein Licht. Aus dem Schacht geriet ich schließlich in einen kahlen, unterirdischen Raum, in dem es von fremden Menschen wimmelte. Das künstliche Schwerefeld endete unmittelbar unter dem Schachtaustritt. Das hatte zur Folge, dass ich plötzlich den Halt verlor und quer durch die Höhe des kahlen Raumes zu Boden stürzte. Benommen, wie ich war, hatte ich keine Gelegenheit, mich gegen die Meute zur Wehr zu setzen, die sich sofort auf mich stürzte.

Diese Fremden waren von derselben Art wie Daalmors von Borgool und seine Begleiter; aber ihr Gehabe war das von Primitiven. Ihre Sprache enthielt viele Worte, die ich nicht verstand. Es war ihnen um meinen Raumanzug zu tun und um den Strahler. Sie schienen beides als ihre rechtmäßige Beute zu betrachten, wobei es allerdings erhebliche Unstimmigkeiten darüber gab, wie die Beute unter ihnen zu verteilen sei. Der, der mir den Strahler entriss, sprang mit jubelndem Geschrei davon, kam aber nicht weit, bevor er von einer Horde seiner Genossen eingeholt wurde.

Ein wüstes Gebalge um den Besitz der Waffe begann. Ich verlor die Übersicht und weiß bis auf den heutigen Tag nicht, in wessen Hand der Strahler schließlich landete.

Mit dem Raumanzug hatten sie ein wenig mehr Mühe. Er war von fremder Konstruktion, und es dauerte eine Zeitlang, bis sie den Öffnungsmechanismus gefunden hatten. Danach rissen sie mir die Montur vom Leibe. Heftiger Wortwechsel entstand. Fäuste flogen. Ein paar Männer gingen zu Boden. Schließlich stiftete ein Bulle von einem Mann Ruhe. Ich hatte nicht sehen können, woher er kam. Er war an die sieben Fuß hoch und hatte mächtige Schultern. Er schien in dieser Runde das große Wort zu führen. Er machte den Leuten klar, dass der wertvollste Teil der Beute stets dem Anführer gehöre, und nahm schließlich meinen Raumanzug an sich. Was er damit wollte, war mir unklar; denn für seine massige Gestalt war er gewiss nicht geschnitten.

Die Montur über dem linken Arm, packte er mich mit der Rechten und riss mich auf die Beine. Ich trug nur noch die dünne Arbeitskleidung der arkonidischen Flotte und fror.

»Ich bin Sajnaal, der Unerbittliche«, fuhr das Ungetüm mich an. »Du hast mir in allen Dingen zu gehorchen, verstehst du?«

»Ich verstehe kein Wort«, antwortete ich trotzig.

Aber er schien eine Antwort gar nicht erwartet zu haben. Er sah sich um und erblickte ein schmächtiges Geschöpf, das sich die ganze Zeit über außerhalb des Getümmels aufgehalten hatte.

»Ragnaar ... du kümmerst dich um ihn!«, donnerte Sajnaal.

»Ich gehorche, Unerbittlicher«, antwortete die Stimme des Schmächtigen.

Dann kam er auf mich zu. Ich musterte ihn aufmerksam. Er hatte das Aussehen und die Sprache der Akonen. Aber sein Name war der eines Geschlechts aus dem arkonidischen Hochadel. Die Familie der Ragnaari hatte in den vergangenen zehn Generationen hervorragende Wissenschaftler, über dreißig Dreifache Sonnenträger und einen Imperator hervorgebracht. War die Namensgleichheit ein Zufall ... oder hatte ich hier einen entfernten Verwandten der Ragnaari vor mir?

»Komm mit!«, forderte der Unscheinbare mich auf.

In diesem Augenblick segelte Karmina Arthamin durch die Öffnung des Schachtes in der Decke des Raumes. Sie stürzte, als der Einfluss des künstlichen Schwerefelds endete, und das Gebalge begann von neuem. Ragnaar wies mich auf eine Öffnung in der Wand. Es ging durch einen schmalen, matt erleuchteten Gang. Dieser mündete nach etwa einhundert Schritten in einen weiteren kahlen Raum, der durch eine einzige Leuchtplatte in der Decke erhellt wurde.

Die, die vor mir gekommen waren, kauerten auf dem Boden. Fartuloon sah mich trübsinnig an und bemerkte:

»Da schwindet meine letzte Hoffnung ...«

Hatte er im Ernst erwartet, dass ich der wildgewordenen Horde dort draußen Widerstand leisten werde? Hinter mir hörte ich ein Geräusch. Ich wandte mich um und sah, dass die Öffnung sich geschlossen hatte. Ragnaar war verschwunden.

 

*

 

Nacheinander trafen die restlichen Mitglieder unserer Gruppe ein, zuletzt Vorry, der Magnetier. Er war wütend. Aus seinem breiten Mund drangen knurrende und zischende Laute. Noch im letzten Augenblick versuchte er, sich auf den Akonen zu stürzen, der ihn hierhergebracht hatte. Aber der Wächter war schlauer als Vorry. Er hatte den Schließmechanismus der Tür bereits betätigt, und der Magnetier prallte mit voller Wucht gegen die Wand.

Brüllend stieß er ein paar Worte seiner fremden Sprache hervor. Dann verkroch er sich in seiner Ecke und wollte mit niemand mehr etwas zu tun haben.

Ich sah mich um. Wir waren wieder beisammen ... alle siebenundzwanzig, Arkoniden und Arkonidinnen, Ra, der Barbar, und Vorry, der Eisenfresser. Sie hatten uns die Raummonturen und sämtliche Waffen abgenommen. Nur Fartuloon hatte seine Rüstung und sein Zauberschwert behalten dürfen.

»Sie lachten darüber«, knurrte er zornig. »Sie meinten, der alte Mann solle sein Spielzeug behalten dürfen!«

Sein Zorn war nur gespielt. In Wirklichkeit hatte er längst begonnen, neue Pläne zu schmieden. Pläne, bei denen das Skarg eine entscheidende Rolle spielte. Denn Fartuloons Schwert war mehr als nur ein einfaches Schwert, und den Akonen war ein schwerwiegender Fehler unterlaufen, als sie es für ein Spielzeug hielten.

Ich rückte näher an den Alten heran.

»Wir sind auf Akon, nicht wahr?«, fragte ich.

Er machte die Geste der Ungewissheit.

»Was heißt schon Akon?«, lautete seine Gegenfrage. »Ein Planet ... ein Sonnensystem ... ein Sternenreich? Wir sind auf dem Himmelskörper, der unter akonischer Herrschaft steht. Das ist alles, was man mit Gewissheit sagen kann.«

»Sie haben Akon-Akon akzeptiert ...«

»Ja, sie haben den Jungen aufgenommen. Ich bin froh, dass wir ihn los sind. Und dennoch ...«

Ich wusste, was er sagen wollte. Seitdem Akon-Akon nicht mehr unter uns weilte, waren wir von dem Zwang befreit, der uns zu seinen Untertanen machte. Er war ein verständnisloser, arroganter Anführer gewesen. Aber manches Mal hatten wir einen Funken Menschlichkeit in ihm zu erkennen geglaubt. Er hatte mit uns gelitten, gehungert und gefroren. Er war mit uns durch die Hölle gegangen ... auch wenn es seine Befehle gewesen waren, die uns in die Hölle geführt hatten.

Jetzt, am Ziel, hatten wir Anspruch auf ein wenig Dankbarkeit von seiner Seite. Uns hatte er es zu verdanken, dass er ans Ziel gelangt war. Ohne uns wäre er unterwegs umgekommen.

Anstatt Dankbarkeit zu zeigen, ließ er es wortlos zu, dass akonische Roboter uns abführten. Wir waren aus seinem Bewusstsein gelöscht. Wir waren Werkzeuge, die er benützt hatte, um das Ziel zu erreichen. Von jetzt an waren wir wertlos für ihn. Das war es, was den Alten verbitterte.

»Dieser Daalmors von Borgool ... wofür hältst du ihn?«, fragte ich.

»Irgendeinen wichtigen Mann. Vielleicht ein Mitglied des Großen Rates.«

»Er verachtet uns!«

Ein grimmiges Lächeln erschien auf dem Gesicht des Alten.

»Das ist eine anerzogene Reaktion, nehme ich an. Es ist Jahrtausende her, seit unsere Vorfahren das Sternenreich der Akonen verlassen und sich selbständig gemacht haben. Die Akonen leiden noch heute unter dem Schock. Sie betrachten die Arkoniden als Abtrünnige. Die Verachtung, die sie uns zeigen, ist weiter nichts als ein Pflaster für die eigene Seele. Dass ein paar tausend entschlossene und tapfere Männer und Frauen dem akonischen Reich einfach den Rücken kehrten, um auf eigene Faust ihr Glück zu versuchen, hat ihren Stolz zutiefst verletzt. Sie haben uns nie verzeihen können. Akon-Akon, die lebende Zeitbombe, ist der beste Beweis dafür.«

Aus der Erinnerung und aufgrund logischer Kombinationen hatte uns Akon-Akon, in einem Zustand der Trance, über sein Schicksal berichtet. Er, der Spross arkonidischer Eltern, war von Akonen entführt und präpariert worden, so dass zum geeigneten Zeitpunkt die politischen Strukturen Arkons infiltrieren und die arkonidische Politik nach akonischen Gesichtspunkten ausrichten konnte.

Das war vor Jahrtausenden geschehen. Man musste sich fragen, ob die Akonen noch wussten, wer Akon-Akon eigentlich war. Und wenn ja ... ob sie weiterhin beabsichtigten, ihren Plan durchzuführen. Daalmors von Borgool hatte den Jungen willkommen geheißen ... als einen Sohn der Heimat Akon. Dabei wirkte Akon-Akon äußerlich wie ein Arkonide, der er in Wirklichkeit auch war. Er hatte unsere helle Haut, sein Haar war wie gebleichtes Silber, und seine Augen schimmerten in fast unnatürlich lebhaftem Rot. War es wirklich nur der Kerlas-Stab gewesen, der Daalmors veranlasst hatte, den Jungen als einen Sohn Akons zu begrüßen?

Fragen über Fragen. Je länger ich nachdachte, desto deutlicher wurde mir, dass wir bislang erst einen winzigen Zipfel des Geheimnisses gelüftet hatten. Das meiste blieb uns weiterhin verborgen, und die Hypothesen, die wir in diesen Stunden der erzwungenen Ruhe entwickelten, waren reine Spekulation.

Um so gewisser war jedoch etwas anderes. Wir saßen bereits seit ein paar Stunden in unserem Kerker, als plötzlich ein Teil der seitlichen Wand aufleuchtete und sich als Bildfläche entpuppte. Das Bild zeigte Daalmors von Borgool. Eine Stimme, offenbar die eines Roboters, erklärte in schrillem Ton:

»Die Unedlen werden morgen einem Gericht der fünften Kategorie, Bezirk Varolaas-Süd, zugeführt.«

Das war alles. Daalmors von Borgools Bildnis hatte während der kurzen Durchsage kein einziges Mal die Lippen bewegt. Selbst über Fernbildkanal war er zu vornehm, direkt zu uns zu sprechen.

2.

Der Unansehnliche Pali Ragnaar

 

Weitere Stunden vergingen. Wir waren müde und zerschlagen. Die Kämpfe in der Raumstation der BLÜTE DES LEBENS hatten uns mitgenommen. Mehr aber noch als die Müdigkeit plagte uns der Hunger. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal etwas Essbares zu mir genommen hatte. Den Akonen war durchaus zuzutrauen, dass sie einfach vergaßen, uns zu füttern. Die abgrundtiefe Verachtung, mit der Daalmors von Borgool uns gegenübergetreten war, ließ in dieser Hinsicht das Schlimmste hoffen.

Glücklicherweise erwiesen sich meine Befürchtungen als übertrieben. Etwa sechs Stunden nach unserer Einlieferung öffnete sich plötzlich die Wand, und ein Lastenroboter, begleitet von zwei Kampfmaschinen, trat ein. Der Lastenrobot transportierte ein schüsselförmiges Gefäß von beträchtlichen Ausmaßen, das er in der Mitte des Raumes zu Boden setzte. Dann wandte er sich um und rollte davon. Alsbald waren wir wieder allein in unserem Gefängnis.

Zugleich misstrauisch und hoffnungsvoll kauerten wir rings um die Schüssel. Ra, der Barbar, griff mit der Hand in den graubraunen Brei, mit dem das Gefäß zu drei Vierteln gefüllt war, roch vorsichtig daran und schob schließlich die Hand in den Mund. Sein Gesicht leuchtete auf. Mit unverkennbarem Genuss wälzte er das unansehnliche Zeug ein paar Mal im Munde umher, dann schluckte er.

»Genau das, was wir brauchen!«, war sein Kommentar.

Wir folgten seinem Beispiel. Seine Bemerkung blieb uns unverständlich; denn der Brei schmeckte wie eine lauwarme Mischung aus Sägemehl und Brackwasser. Aber man muss Ra zugute halten, dass er von einer Welt stammt, deren Zivilisation vor lauter Sorge ums nackte Überleben die Feinschmeckerei noch nicht entwickelt hat. Der Brei war im Geschmack entsetzlich, aber offensichtlich sehr nahrhaft. Er stillte Hunger und Durst zur gleichen Zeit, und mit jeder Handvoll, die wir auflöffelten und von den Fingern leckten, fühlten wir uns kräftiger.

Ich hielt tapfer mit, obwohl es meinen Stolz beleidigte, dass wir hier wie die Tiere abgefüttert wurden. Vorry, der Magnetier, hielt sich abseits. Er nahm keine organische Nahrung zu sich. Mit ihm hatten die Akonen nicht gerechnet, sonst hätten sie ihm ein kräftiges Stück Eisen serviert. Aber Vorry war nicht in Not. Mit einer kräftigen Mahlzeit konnte er wochenlang durchhalten ... und so lange war es noch nicht her, seitdem er zum letzten Mal ausgiebig gespeist hatte.

Plötzlich fühlte ich Fartuloons Blick auf mir ruhen. Er hatte jenen eigenartigen Ausdruck im Gesicht, der mir sagte, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war. Er hielt die Hand in der Schüssel, die Finger tief im Brei, und ich sah, wie die Knöchel sich bewegten, als betastete er etwas. Er zog die Hand schließlich hervor und streckte die Finger in den Mund. Danach hatte ich den Eindruck, als bereite ihm das Kauen Schwierigkeiten.

Schließlich waren wir gesättigt und die Schüssel leer. Bald würden neue Probleme auftreten, denn unser Kerker verfügte über keinerlei sanitäre Installationen. Aber daran dachte vorläufig noch niemand. Hunger und Durst waren gestillt, also konnten wir uns getrost dem nächstwichtigen Verlangen überlassen: zu schlafen.

Ich erwartete fast, dass Fartuloon den Platz an meiner Seite suchen würde, und wurde in dieser Erwartung nicht enttäuscht. Er bettete sich neben mir nieder. Die meisten schliefen schon. Fartuloon griff sich in dem Mund ... wie es Ras Art war, wenn er auf barbarische Weise Essensreste zwischen den Zähnen entfernte. Dann streckte er sich aus und ließ die Hand wie achtlos auf dem Boden ruhen.

»Nimm und lies!«, sagte er leise.

Ich griff unter seine Hand und bekam ein winziges Stück Plastikmaterial zu fassen. Es war klein genug, so dass ich es in der hohlen Hand verbergen konnte. Ich war mir darüber im Klaren, dass dieser Raum optisch und akustisch überwacht wurde. Also ging ich vorsichtig zu Werk. Ich ließ die Hand eine Zeitlang ruhen, und tat so, als ob ich am Einschlafen sei. Schließlich wälzte ich mich auf die linke Seite, stütze mich mit dem rechten Arm ab und öffnete dabei die Hand so weit, dass ich das kleine Stück Kunststoff zu sehen bekam.

Es war rechteckig und trug eine Gruppe hastig aufgemalter Schriftzeichen. Die arkonidische Schrift war aus der akonischen hervorgegangen. Mir, der ich Ur-Arkonidisch allein schon aus Gründen der hochadeligen Tradition hatte lernen müssen, bot das Entziffern keine Schwierigkeit.

Die beiden Worte, die auf dem Kunststoffstück standen, hatten eine elektrisierende Wirkung. Sie lauteten:

»Kennwort Girte!«

 

*

 

Also hatte meine Vermutung mich nicht getäuscht.

Der Wärter, der mich hierhergebracht hatte, war ein Verwandter des arkonidischen Geschlechts der Ragnaari. Mehr noch: er war über das Geschick seiner Verwandten auf Arkon informiert.

Jedermann im arkonidischen Imperium kannte die Legende von der Prinzessin Girte da Ragnaari, die als eine der exzentrischsten Frauen in die Geschichte Arkons eingegangen ist. Die Zahl ihrer Liebhaber war in die Hunderte gegangen, aber als sie ihren Gemahl, den arkonidischen Kronprätendenten, bei der ersten ehelichen Untreue ertappte, da schoss sie ihn über den Haufen. Die Zahl der Anekdoten, die man sich über sie erzählte, war mindestens so groß wie die ihrer Liebhaber. Girte da Ragnaari war eine der farbigsten Gestalten der arkonidischen Historie.

Sie hatte vor rund zweitausend Jahren gelebt. Die Akonen mussten die Entwicklung des arkonidischen Reiches genau verfolgt haben. Wie sonst hätte mein Wärter von den Eskapaden seiner Verwandten wissen können? Ragnaars Name war in meiner Gegenwart genannt worden. Er hatte vermutet, dass ich ihn erkennen würde. Ragnaar hatte sich nicht an dem Gebalge um meine Ausrüstung beteiligt. Er machte den Eindruck eines Mannes, von dem wir womöglich Hilfe erwarten konnten.

Ich gähnte und hob die Hand, als wollte ich mir über die müden Augen streichen. Dabei schob ich die kleine Kunststoffkarte in den Mund. Sie war ziemlich hart und ließ sich nur schwer zerbeißen. Aber schließlich hatte ich sie drunten. Eine Weile später drehte ich mich wieder auf die rechte Seite und begegnete Fartuloons fragendem Blick.

»Lass mich machen!«, sagte ich leise.

Er schloss und öffnete die Lider. Das war das Zeichen der Zustimmung.

Unnötig zu sagen, dass ich vorläufig an Schlaf nicht mehr denken konnte. Das Kennwort war Girte. Aber wo sollte es angewandt werden? Würde sich der Ausgang öffnen, wenn ich »Girte« rief? Wenig wahrscheinlich. Unser Kerker wurde überwacht. Selbst wenn das Zauberwort die Tür öffnete, würde ich nicht weit kommen. Ragnaar musste etwas anderes im Sinn haben.

Lange Stunden lag ich wach. Schließlich aber forderte die Müdigkeit doch ihr Recht. Ich nickte ein ... allerdings nur für kurze Zeit. Dann weckte mich das Geräusch der sich öffnenden Tür. Ich fuhr auf. Der Lastenroboter rollte herein und nahm die Schüssel auf. Diesmal wurde er von drei Kampfrobotern begleitet. Zwei davon geleiteten ihn wieder hinaus. Der dritte blieb unter der Türöffnung stehen und verkündete mit schnarrender Stimme:

»Der Unedle namens Girte hat mir zu folgen!«

Da war mein Stichwort. Ich stand auf und ging auf den Roboter zu.

 

*

 

Der Roboter führte mich den Gang entlang, den ich schon kannte. Unbekannt jedoch war mir die Abzweigung, in die wir einbogen, bevor wir den Raum erreichten, in dem Sajnaals Horde über mich hergefallen war. Die Akonen schienen eine Vorliebe dafür zu haben, Türen so anzubringen, dass sie in geschlossenem Zustand nur noch von einem sorgfältig prüfenden Auge wahrgenommen werden konnten.

Der Seitengang war finster. Ich folgte den lauten Schritten des Roboters und streckte ab und zu die Arme aus, um die Wände zu ertasten. Der Roboter bog schließlich ein zweites Mal ab. Seine Schritte erzeugten jetzt ein Echo, das mich belehrte, dass wir uns in einem größeren Raum befanden. Ich spürte unebenen Boden unter den Füßen, als habe man sich nicht die Mühe gemacht, den natürlich gewachsenen Fels zu glätten.

Der Roboter hielt schließlich an.

»Warte hier, Unedler!«, schnarrte er. »Der Prüfer wird kommen.«

Er schritt davon. Kurze Zeit später hörte ich das charakteristische Geräusch einer gleitenden Tür. Das Geräusch der Schritte verstummte. Ich war allein ... und ich fragte mich, ob ich nicht ein Narr gewesen war, auf die vage Botschaft des kleinen Plastikvierecks einzugehen.

Da drang plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit.

»Wenn du meinst, euer Schicksal rührte mich, dann täuschst du dich, Mann von Arkon!«

Ich horchte auf. Denn die Stimme sprach nicht Akonisch, das eine starke Ähnlichkeit mit dem Ur-Arkonidischen hatte, sondern modernes Arkonidisch – vielleicht mit einer fremden Klangfarbe, aber immerhin so klar und deutlich, dass jedermann die Worte hätte verstehen können.

»Was rührt dich dann?«, fragte ich in die Dunkelheit hinein.

»Das Los meiner Familie.«

»Des Geschlechts der Ragnaari?«

»Der Familie Ragnaar«, verbesserte mich die Stimme.

Ich wusste noch immer nicht, ob der, der zu mir sprach, persönlich in diesem finsteren Raum zugegen war oder ob er sich eines technischen Kommunikationsmittels bediente. Die Stimme schien in gleichmäßiger Stärke von allen Seiten zu kommen. Ich tat vorsichtig ein paar Schritte, um meinen Standort zu verändern und dadurch vielleicht ein wenig besser peilen zu können.

»Ich weiß nichts über die Familie Ragnaar«, erklärte ich.

»Die Ragnaar waren einst eines der edelsten und mächtigsten Geschlechter im Reiche Akon«, klärte mich die Stimme alsbald auf. »Die Ragnaars hatten einen stark entwickelten Gerechtigkeitssinn. Die Despotie jener Zeit vor einigen Jahrtausenden war ihnen zuwider. Zusammen mit anderen freiheitlich gesinnten Familien und Personen propagierten die Ragnaars den Plan, Akon zu verlassen und auf einer weit entfernten Welt ein Leben in Freiheit zu führen. Du weißt, was aus diesem Plan geworden ist.«

»Ich weiß es«, antwortete ich. »Das arkonidische Imperium verdankt ihm sein Entstehen.«

»Aber es gab einen Zweig der Familie Ragnaar«, fuhr die Stimme fort, »die den Plan für frevelhaft hielt. Auch dieser Zweig hasste die Despotie; aber er war der Ansicht, das Problem müsse von innen heraus gelöst werden – nicht durch Auswanderung, sondern durch den Sturz des Despoten. Meine Vorfahren gehörten zu diesem Zweig.«

Ich begann zu begreifen.

»Sie waren Toren, allesamt«, sagte die Stimme voll Bitterkeit. »Mitsamt all ihren Helfern und Gesinnungsgenossen waren sie zu schwach, um wirksam gegen die Despotie vorzugehen. Alle Ragnaars, die nicht mit den Auswanderern zogen, wurden gefangen genommen, als das Ausmaß der Auswanderungsaktion – die Despotie nannte sie ›den Verrat der Abtrünnigen‹ – bekannt wurde. Man stellte sie vor Gericht. Das Urteil lautete auf Entfernung aus der Klasse der Edlen und Einstufung in die Klasse der Unansehnlichen ... für alle Zeiten!«

Die Stimme schwieg. Nur aus ihrem Tonfall, nicht aus ihren Worten konnte ich ermessen, welches Urteil damals den Akon-treuen Zweig der Familie Ragnaar betroffen hatte. Es schien im akonischen Reich eine Art Kastensystem zu geben, dessen Grenzen starrer waren als die des arkonidischen Gesellschaftsgefüges. Ich hatte den Eindruck, die Herabstufung in die Klasse der Unansehnlichen müsse eine der schlimmsten Katastrophen sein, die einem Akonen zustoßen können.

»So leben die Ragnaars als Unansehnliche«, nahm die Stimme ihren Bericht schließlich wieder auf. »Kein Ragnaar wird jemals auch nur die Stufe der Sterbenden erreichen. Ragnaars sind dazu da, bis in alle Ewigkeit die unwürdigsten Arbeiten zu verrichten ...«

»Zum Beispiel die Arbeit eines Gefangenenwärters«, unterbrach ich die Stimme.

»Zum Beispiel diese, ja«, lautete die Antwort. »Und deswegen will ich euch helfen.«

»Du willst uns helfen?«, fragte ich überrascht. »Ich dachte, unser Schicksal rührt dich nicht.«

»Es rührt mich nicht. Aber indem ich euch helfe, verhelfe ich mir zu dem, was mir auf der Seele brennt.«

»Was ist das?«

»Die Rache ...!«

 

*

 

Ich überlegte.

Wer sprach da zu mir? Ein von Rachewahn besessener Eiferer oder einer, der bei aller Verbitterung noch seinen gesunden Verstand bewahrt hatte? Wenn die Kaste der Unansehnlichen wirklich eine so verachtete Klasse war ... konnte uns dieser Mann dann überhaupt helfen? Verfügte er über die Mittel, die zur Durchführung seines Planes erforderlich waren?

Ich hatte mich, während die Stimme zu mir sprach, schrittweise hin- und herbewegt. Der Klang der Stimme und ihre Intensität hatten sich nicht merklich geändert. Ich schloss daraus, dass der, der zu mir sprach, nicht in diesem Raum anwesend war. Die Stimme kam aus mehreren Lautsprechern.

»Was hast du vor?«, fragte ich.

»Ich, Pali Ragnaar«, bekam ich zur Antwort, »werde euch, die Unedlen, befreien und euch zur Flucht verhelfen. Die Allmacht der Despotie soll durch eure Flucht gedemütigt werden. Das ist meine Rache. Gleichzeitig aber erwarte ich von euch, dass ihr mich mitnehmt. Meines Bleibens im Reich der Unfreiheit ist nicht länger. Ich will dorthin, wo der Name der Ragnaars noch geachtet ist!«

Das konnte er haben ... falls uns die Flucht gelang. Aber die Freiheit, die er sich ersehnte? Ich kannte die akonische Herrschaftsform nicht. Aber es fiel mir schwer zu glauben, dass sie despotischer sein könne als die Regierung meines machtbesessenen Oheims Orbanaschol. Einen Atemzug lang spielte ich mit dem Gedanken, Pali Ragnaar über seine Illusion aufzuklären. Dann besann ich mich eines Besseren.

»Woher kennst du unsere Sprache?«, fragte ich.

»Arkon wird beobachtet«, antwortete er. »Akonische Agenten verfolgen alle wichtigen Vorgänge im arkonidischen Imperium. Eure Sprache ist ihnen geläufig. Ich habe Beziehungen. Ich habe die arkonidische Sprache erlernt.«

»Wo befinden wir uns hier?«

»Auf dem größeren Mond von Akon Fünf.«

»Wir sollen vor Gericht gestellt werden. Bezirk Varolaas-Süd. Ist das hier?«

»Nein. Varolaas ist der Hauptkontinent von Akon Fünf. Was für eine Art von Gericht?«

»Fünfte Kategorie.«

Ein bitteres Lachen erscholl.

»Sie halten euch wahrhaftig für Unedle! Gerichte der fünften Kategorie sind Robotgerichte.«

»Wer ist Daalmors von Borgool?«, wollte ich wissen.

»Ein Mitglied des Großen Rates. Ein Edler, der sich seine Sporen im Dienste der Despotie verdient hat!«

Ich wollte eine weitere Frage stellen, aber in diesem Augenblick hörte ich das Geräusch.

Es war ein leises Kratzen oder Scharren – so geringfügig, dass ich es nicht wahrgenommen hätte, wenn ich in diesem Augenblick nicht tiefste Stille geherrscht hätte. Ich sah mich um. Meine Augen hatten sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt – gerade soviel, wie menschliche Augen sich an die fast vollständige Abwesenheit von Licht zu gewöhnen vermögen – und ich sah, oder ahnte, das blasse, kaum wahrnehmbare Viereck einer Öffnung, wo vorher keine gewesen war. Für den Bruchteil eines Augenblicks gewahrte ich die Umrisse einer menschlichen Gestalt ... eines Riesen von einem Menschen.

Sajnaal, der Unerbittliche!, schoss es mir durch den Kopf.

 

*

 

Eine grelle Lampe flammte auf.

»Kommt hervor, ihr Verräter!«, dröhnte Sajnaals mächtige Stimme. »Ragnaar, du Hund, und das Ungeziefer!«

Ich hatte mich blitzschnell zur Seite geworfen. Der Lichtstrahl stach ins Leere. Sajnaal war verblüfft.

»Zeigt euch, ihr Ratten!«, schrie er.

Ich schnellte vorwärts. Der Riese war bewaffnet. Er stand in unmittelbarer Nähe des Ausgangs. Für mich gab es keine Möglichkeit, an ihm vorbeizukommen. Meine einzige Chance lag in einem überraschenden Angriff.

Sajnaal wirbelte herum. Er musste ein Geräusch gehört haben, obwohl das Echo seines wütenden Gebrülls noch in der Luft lag. Der Lichtkegel der Lampe streifte mich. Sajnaal grölte triumphierend. Aber im nächsten Augenblick sprang ich ihm an die Kehle.

Er war mir in nahezu jeder Hinsicht überlegen – an Körperkräften ebenso wie an Bewaffnung. Nur die Technik des Nahkampfs beherrschte ich besser als er. Auf Largamenia hatten sie nichts vergessen, was aus einem schwächlichen Prinzen einen erstklassigen Kämpfer macht. Sajnaal glaubte, leichtes Spiel mit mir zu haben. Er spreizte die Arme und versuchte, mich mit den Ellenbogen von sich wegzuschieben. Ich aber hatte ihn an der Gurgel, und wenn er diesen Griff nicht lockern konnte, dann würde ihm die Luft ausgehen, bevor er eine Wirkung erzielte.

Er begriff das bald und griff nach meinem Schädel. Ich ahnte die blitzschnell vorstoßende Hand mehr, als ich sie sah. Denn die Lampe war inzwischen zu Boden gepoltert und erloschen. Nur einen Atemzug lang ließ ich die Kehle des Riesen los – gerade lange genug, um den Griff zu parieren und die zustoßende Hand nach oben zu biegen.

Sajnaals Schmerzensgebrüll hatte nichts mehr Menschliches an sich. Er tobte wie ein Besessener, und da ich den Würgegriff hatte lockern müssen, gelang es ihm tatsächlich, mich abzuschütteln. Wahrscheinlich war seine rechte Hand vorübergehend außer Gefecht. Aber ein Mann wie Sajnaal gab deswegen noch lange nicht auf. Mit gellendem Schrei riss er die Waffe aus dem Gürtel – einen Thermostrahler, wie ich vorhin gesehen hatte. Das Geräusch belehrte ihn, wo ich war. Ich rollte blitzschnell beiseite. Sengend und fauchend fuhr der weißglühende Strahl in den Boden – kaum eine Handbreit neben der Stelle, an der ich eben noch gelegen hatte. Ich war geistesgegenwärtig genug, die Salve aus halb geschlossenen Augen zu verfolgen. Sajnaal in seiner Wut dagegen hatte dem Energiestrahl aus weitgeöffneten Pupillen hinterher gestarrt und war geblendet. Ich drang von der Seite her auf ihn ein. Meine Absicht war, das linke Handgelenk des Riesen mit solcher Wucht zu treffen, dass ihm die Waffe aus der Hand geprellt wurde. Aber es zeigte sich, dass auch ich allmählich die Übersicht verlor. Ich verfehlte Sajnaal beim ersten Ansprung. Mein Hieb sauste ins Leere. Sajnaal fuhr herum. Der metallene Lauf des Strahlers glomm im Widerschein der düsteren Glut, die die erste Salve auf dem Boden erzeugt hatte. Ich tat einen verzweifelten Schritt und führte den Schlag von neuem, diesmal von unten herauf.

Was dann geschah, kann ich mir bis auf den heutigen Tag nicht richtig erklären. Sajnaal musste den Schlag im letzten Augenblick kommen gesehen haben und versuchte, ihm auszuweichen, indem er den Arm anwinkelte. Trotzdem traf ich die Unterseite der Hand und trieb sie nach oben. Sajnaal war halb nach vorn gebeugt. Er war im Begriff gewesen, den Auslöser zu drücken. Das Gehirn hatte den Steuerimpuls an den Muskel ausgesandt. Es gab kein Zurück mehr.

Als Sajnaal schließlich abdrückte, war die Mündung der Waffe infolge seines Manövers und meines Hiebes genau nach oben gegen sein Kinn gerichtet. Die glühende Salve riss ihm den Schädel entzwei. Er kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen.

Polternd ging er zu Boden.

3.

Die Ansehnliche Marissa

 

Ich stand da wie gelähmt, bis eine Stimme den Bann brach.

Pali Ragnaars Stimme!

Sie war aufgeregt und sprach:

»Du bist hier nicht mehr sicher! Man wird Sajnaal vermissen und nach ihm suchen. Trifft man dich alleine, bist du verloren!«

Es war wieder finster in dem kahlen Raum. Ich fragte mich, ob Ragnaar überhaupt wahrgenommen hatte, was hier geschehen war. Die Geräusche alleine waren sicherlich nicht sehr aufschlussreich gewesen. Ich bückte mich und begann, nach Sajnaals Waffe zu suchen.

»Lass das sein!«, rief da Pali Ragnaar. »Der Strahler nützt dir nichts. Du könntest ihn nirgendwo verbergen!«

Er konnte mich also sehen! Vermutlich war der ganze Raum mit unsichtbarer Strahlung erfüllt, und Ragnaar beobachtete durch einen Detektor.

»Was soll ich tun?«, fragte ich.

Als hätte ich ein Stichwort gegeben, öffnete sich die Seitentür zum zweiten Mal. Eine grelle Lichtflut aus der Lampe eines Roboters drang herein. Ich konnte nicht erkennen, ob es derselbe war, der mich hierhergebracht hatte.

»Folge ihm!«, befahl Ragnaar. »Er wird dich sicher zu deinen Leuten zurückbringen. Alle Vorbereitungen sind getroffen. Sorgt euch nicht! Das nächste Kennwort ist Marissa!«

Täuschte ich mich ... oder sprach er wirklich das letzte Wort mit einer gewissen Rührung aus, fast Zärtlichkeit? Ich kam nicht dazu, darüber nachzudenken. Der Roboter winkte mit der Lampe in den Gang hinein und schnarrte:

»Der Unedle namens Marissa hat mir zu folgen!«

Die Anrede verwirrte mich ein wenig. Ohne Zweifel hatte Pali Ragnaar den Robot für seinen eigenen Zweck programmiert, oder er hätte ihn nicht dazu bewegen können, unerlaubte Dinge zu tun. Der Roboter sprach mich jeweils mit dem neuesten Kennwort an.

Ich wurde nach rechts geführt, obwohl ich von links gekommen war. Der Roboter schaltete alsbald die Lampe aus, und wir tappten im Finstern dahin. Es ging um so viele Ecken und Kanten, dass ich schließlich die Orientierung verlor. Endlich tauchte vor uns ein Licht auf. Es wurde heller, und schließlich mündete der Gang, in dem wir uns befanden, in den Stollen, an dem unser Gefängnisraum lag. Der Roboter brachte mich bis zur Tür und ließ mich eintreten. Im letzten Augenblick noch hörte ich von der anderen Seite des Stollens her lautes Rufen und Lärmen.

Kein Zweifel ... sie hatten Sajnaal gefunden!

Ich hockte mich neben Fartuloon. Wir taten beide so, als sei nichts Besonderes vorgefallen. Nach einer Weile entdeckte ich, dass Karmina Arthamin fehlte. Das überraschte mich, aber ich ließ mir die Überraschung nicht anmerken. Später öffnete sich die Tür von neuem, und Karmina trat herein. Draußen im Gang war ein Roboter zu sehen.

»Und was wollten die Spitzbuben von dir wissen, meine Tochter?«, rief Fartuloon überraschend gutgelaunt.

Karmina machte eine verächtliche Geste.

»Das Übliche. Woher ... wohin ... Absichten, Gedanken, Ziele. Ich sagte ihnen die Wahrheit; aber sie glaubten mir kein Wort.«

Sie setzte sich nieder. Ich begriff. In meiner Abwesenheit waren mehrere von uns – vielleicht auch nur Karmina und ich – zur Befragung abgeholt worden. Karmina hatte die Befragungsroutine durchgemacht, aber mich hatte Pali Ragnaar »abgezweigt«. Für den, der unsere Zelle beobachtete, musste es so ausgesehen haben, als sei ich, genauso wie Karmina, zur Befragung gebracht worden.

Fartuloon warf mir einen fragenden Blick zu. Ich gab ihm mit einer unauffälligen Geste zu verstehen, dass ich begriffen hatte.

 

*

 

Es dauerte lange, bis ich Gelegenheit fand, Fartuloon über mein Abenteuer zu berichten.

Nach langen Stunden öffnete sich die Tür unserer Zelle, und eine Horde von schwer bewaffneten Robotern trieb uns vor sich her in den Raum, in den wir bei unserer Ankunft durch den Antigravschacht gelangt waren. Das Feld war umgepolt worden und reichte diesmal außerdem weiter hinab. Wir wurden aufgefordert zu springen. Einen nach dem anderen nahm das künstliche Schwerefeld uns auf und führte uns nach oben. Oben wartete eine zweite Abteilung Roboter. Man schien den menschlichen Bewachern nicht mehr so recht zu trauen.

In der riesigen Kuppelhalle herrschte derselbe hektische Betrieb wie zum Zeitpunkt unserer Ankunft – wann immer das gewesen sein mochte. Nur Daalmors von Borgool und sein Gefolge waren nirgendwo zu sehen. Die Roboter umgaben uns in weitem Kreis. Es gab keine Chance, ihnen zu entkommen; aber wenigstens hatte ich eine Gelegenheit, mit dem Alten zu sprechen. Ich berichtete ihm meine Erlebnisse.

»Was macht der Mann für einen Eindruck?«, fragte Fartuloon leise. »Schwärmer? Praktiker?«

Merkwürdig, wie sich Gedankengänge wiederholen. Ich hatte mir dieselbe Frage gestellt.

»Schwer zu sagen«, antwortete ich. »Er schien zu wissen, was er tat. Ganz abgesehen davon haben wir keine andere Wahl, als auf ihn zu hoffen.«

»Das ist richtig!«

Nachdem das letzte Mitglied unserer Gruppe durch den Schacht nach oben getrieben war, führten uns die Roboter schräg durch die Halle zu einem der kleinen Transmitteraggregate, die dicht unter der Kuppelwand aufgebaut waren. Dort wurde uns eine Überraschung zuteil. Inmitten einer Gruppe schwerbewaffneter Männer, deren Kleidung so abwechslungslos war, dass ich sie für Uniformen hielt, stand Verton vom Kap, Borgools Lakai. Er war prächtiger gekleidet als bei unserer ersten Begegnung – entweder um uns zu beeindrucken, oder weil er sich in Gegenwart seines Herrn und Meisters Zurückhaltung auferlegen musste.

Fartuloon ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen.

»Ha, da steht unser Freund Verton!«, rief er über den Lärm hinweg. »Er hat soviel Angst vor einem Haufen unbewaffneter Arkoniden, dass er sich hinter einer ganzen Armee verstecken muss!«

Verton vom Kap wurde blass vor Zorn; aber er antwortete nicht. Das war gut so, denn jede Bemerkung seinerseits hätte Fartuloon zu noch bittererem Spott angestachelt. In solchen Dingen war der Alte Meister. Immerhin wunderte mich Vertons Zurückhaltung. Er hatte uns Unedle genannt ... nach akonischen Begriffen wohl die verächtlichste Bezeichnung, die auf einen Menschen angewandt werden kann. Wir waren für ihn Gelichter, Abschaum. Warum ließ er den Alten nicht einfach über den Haufen schießen?

Weil ihm Daalmors von Borgool befohlen hat, uns ungeschoren nach Akon Fünf zu bringen, meldete sich mein Extrasinn.

Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass er zu mir sprach. Und natürlich hatte er Recht.

Ein kleiner, kaum mehr als mannshoher Torbogen flammte vor uns auf. Vorry gab quäkende Protestlaute von sich. Daraufhin sonderten die Roboter ihn aus und trieben ihn als ersten durch die Transmitteröffnung. Ich kam ziemlich bald an die Reihe. Der Durchgang war kurz und nicht besonders schmerzvoll. Das lag zum Teil daran, dass die zu überwindende Entfernung nicht groß war. Vielleicht aber hatten die Akonen auch ihre Transmittertechnik verbessert seit jenen Tagen, in denen die Großtransmitter entstanden waren, durch die wir den Weg nach Akon gefunden hatten.

Wir landeten von neuem in einem fensterlosen, womöglich unterirdischen Raum. Ich hatte erwartet, einen Unterschied in der Schwerkraft zu spüren, der darauf hinwies, dass wir uns nun auf einem anderen Himmelskörper befanden. Aber davon war nichts zu bemerken. Ich nahm an, dass in der Kuppelhalle auf dem Akon-Mond dieselbe Gravitation herrschte wie auf Akon V, künstlich erzeugt.

Ich rechnete damit, dass man uns von hier aus weitertransportieren werde. Aber es ließ sich kein Wärter und kein Roboter blicken. Ein Arkonide nach dem anderen trat aus der Transmitteröffnung, und als der letzte angekommen war, erlosch das Torbogenfeld.

Verblüfft sahen wir uns um.

»Heh ...!«, stieß Fartuloon hervor.

Mit glühenden Augen starrte er auf das Transmitteraggregat. Wir hatten während unserer Irrfahrt mit Akon-Akon einiges gelernt. Wenn es uns gelang, die Maschine wieder in Betrieb zu nehmen ...

Du träumst!

Weiter sagte mein Extrasinn nichts. Aber im selben Augenblick ertönte ein dumpfes Summen, und der Boden begann leise zu vibrieren. Das Transmitteraggregat mitsamt der umgebenden Bodenfläche war in Bewegung geraten. Ein großes viereckiges Loch hatte sich gebildet, und darin verschwand vor unseren Augen die Maschine.

Wir waren so perplex, dass wir uns nicht von der Stelle rührten. Das Aggregat sank in die Tiefe, und der Boden schloss sich wieder. Fartuloons kühner Plan hatte sich in Nichts aufgelöst.

 

*

 

Aber die Überraschungen waren damit noch nicht zu Ende.

Wir standen beisammen und besprachen, noch mitgenommen von der Enttäuschung, unsere Lage, als wir bemerkten, dass es plötzlich wärmer wurde. Die Hitze stieg aus dem Boden auf, wir spürten sie durch die Sohlen unserer Schuhe. Am schlimmsten war Vorry dran, dessen beschuppte Beine und Füße nackt waren, seitdem ihm die Akonen die Raummontur abgenommen hatten. Grollend und fluchend trat er von einem Bein aufs andere, um den Schmerz gleichmäßig zu verteilen. Jemand schlug vor, wir sollten den Armen vom Boden aufnehmen. Aber bevor wir dazu kamen, stob Vorry schreiend davon, vor Pein anscheinend halb von Sinnen.

Das änderte sich jedoch plötzlich. Sein Lauf wurde langsamer. Er änderte ein paar Mal – offensichtlich zielbewusst – die Richtung und blieb schließlich stehen. Triumphierend strahlten seine Augen zu uns herüber.

»Hier nicht heiß!«, brüllte er in gebrochenem Arkonidisch.