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Nr. 678

 

Flucht nach New Marion

 

Die Begegnung mit den Celestern

 

von Falk-Ingo Klee

 

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Nur unter großen Mühen schaffte es Atlan im Jahre 3808, die verlorengegangenen Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst wieder in seinen Besitz zu bringen und danach das Generationenschiff SOL seiner Bestimmung als Spoodiesammler bei den Kranen zuzuführen. Anschließend trat Atlan im Jahre 3811 gemäß den Wünschen der Kosmokraten seine Aufgabe als Orakel von Krandhor an, um an der Entwicklung der Pufferzone zwischen den im Konflikt liegenden Superintelligenzen ES und Seth-Apophis mitzuwirken.

Im Jahr 3818 wird Atlan jäh aus seinem beschaulichen Orakeldasein herausgerissen, denn die Kosmokraten benötigen seine Dienste an anderer Stelle viel dringender.

Da der Arkonide erfährt, dass vom Erfolg oder Misserfolg seiner Mission das weitere Schicksal der Mächte der Ordnung abhängt, geht er selbst das größte Risiko ein. Er lässt sich quasi in Nullzeit über weite Sternenräume in die Galaxis Alkordoom versetzen, wo er bereits in den allerersten Stunden seines Aufenthalts den ganzen Erfahrungsschatz seines nach Jahrtausenden zählenden Lebens einsetzen muss, um sich behaupten zu können.

Der bestandene Todestest beweist Atlans Überlebenspotenzial, auch der Einsatz beim Kristallkommando.

Doch als die Crynn-Brigadisten zurückschlagen, bleibt Atlan nur die FLUCHT NACH NEW MARION ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide als Gefangener der Crynn-Brigade.

Korptur und Wrza – Zwei von Atlans Mitgefangenen.

Sarah Briggs – Ein schönes und energisches Mädchen.

B. B. Briggs, Curt Gilling und Arien Richardson – Drei Celester.

1.

 

Das Knirschen eines Riegels war zu hören. Mit einem Ruck wurde die Tür so heftig aufgestoßen, dass sie mit einem dumpfen Knall gegen die Wand schlug. Ein haluterähnlicher Thater erschien auf der Schwelle. Er hatte die Finger lässig hinter einem breiten Gürtel verhakt, an dem ein großkalibriger Strahler baumelte.

Schon beim ersten Geräusch war Atlan von seinem Lager hochgeschnellt, dem einzigen Einrichtungsgegenstand in der primitiven Zelle. Lauernd stand er da, seine Rechte umklammerte das Kombimesser in der Tasche. Dass es unter diesen Umständen eine recht armselige Waffe war, hatten auch die Crynn-Brigadisten erkannt. Sie hatten ihn durchsucht, doch darauf verzichtet, ihm das Multiwerkzeug abzunehmen.

Aus zusammengekniffenen Augen starrte der Arkonide den Riesen an, hinter seiner Stirn arbeitete es. Die Ankündigung, dass man ihm auf Crynn sein vermeintliches Psi-Potenzial abzapfen werde, hatte Atlan eine schlaflose Nacht bereitet. Vergeblich hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er diesem Schicksal entgehen konnte. Nur ein Ausbruch konnte ihn retten, aber an ein Entkommen war nicht zu denken. Alles war massiv, das Gemäuer schien für die Ewigkeit gebaut zu sein, und dann waren da noch die zahlreichen Bewacher und Roboter. Nein, aus diesem Gefängnis konnte niemand entfliehen.

Was wollte der Thater? Wollte er ihm nur Angst einjagen, ihn mit Worten quälen, wie er es bereits mehrfach getan hatte, oder war er gekommen, um ihn abzuholen? Er glaubte, die Stimme der Kosmokraten zu hören, als sie ihm den Auftrag erteilten.

DU WIRST AUF DICH ALLEIN GESTELLT SEIN. DEIN LEBEN WIRD NICHT VIEL ZÄHLEN.

»Was willst du?«, fragte Atlan mit rauer Stimme.

»Fürchtest du dich, Kleiner?« Der Koloss lachte grollend. »Los, komm raus!«

Die Gedanken des Arkoniden überschlugen sich. Sollte er sich einfach weigern? Sollte er den in eine schwarze Lederkombination gekleideten Thater angreifen und versuchen, ihn zu überwältigen?

Du musst es versuchen!, meldete sich beschwörend der Extrasinn. Du darfst die Gehirnwäsche nicht zulassen! Deine Existenz ist mit meiner untrennbar verbunden!

»Was ist? Soll ich dir Beine machen?«

Atlan zögerte, dem Rat seines Logiksektors zu folgen. Angesichts der Drohung, das vermutete Psi-Potenzial zu entfernen, hatte er sich in den letzten Stunden mehr und mehr von der Position eines unbestechlichen Beobachters entfernt und urteilte subjektiv. Der Extrasinn hatte Angst, Angst nicht nur um den Trägerkörper und sein Bewusstsein, sondern um sich selbst.

Ja, ich fürchte mich. Das, was man mit dir vorhat, ist für mich schlimmer als dein Tod. Es ist besser, im Kampf zu sterben, als diese geistige Folter zuzulassen. Greif an!

Das ist Irrsinn. Selbst wenn ich ihn überwältigen könnte – ich würde nicht weit kommen.

Dann denke intensiv an das Kodewort. Lass dich nach Krandhor zurückversetzen!

Nein!

Du kannst den Auftrag nicht erfüllen!

Der Thater war des Wartens überdrüssig geworden und zog seinen Strahler. Atlan erfasste die Bewegung, doch er war zu sehr mit sich und seinem zweiten Ich beschäftigt, um rechtzeitig reagieren zu können. Er versuchte noch, sich zur Seite zu werfen, aber da trafen ihn die lähmenden Energien schon.

Der Hüne steckte die Waffe weg, stapfte zu dem Arkoniden und riss ihn hoch. Wie ein Bündel Lumpen warf er sich den reglosen Körper über die Schulter und verließ den unwohnlichen Raum.

 

*

 

Die Nachwirkungen der Betäubung waren abgeklungen. Atlan fand sich in einem Verlies wieder, das noch heruntergekommener war als die Zelle. Nackte Betonwände umschlossen ein Geviert von etwa sechs mal acht Meter. Fenster gab es nicht, lediglich eine vergitterte Lüftungsöffnung dicht unter der Decke. Zwei verstaubte Leuchtplatten verbreiteten schummerige Helligkeit, die den schmutzstarrenden Boden kaum erreichte. In einer Ecke war Unrat angehäuft, auf dem daumennagelgroße Käfer herumwimmelten.

Es stank erbärmlich nach Fäulnis, Kot und Körperausdünstungen, vermischt mit dem stechenden Geruch von Urin. Was der Hygiene dienen sollte, verdiente nicht, sanitäre Einrichtungen genannt zu werden und erinnerte an das finsterste Mittelalter Terras. Ein langhalsiges Wesen mit Entenkopf und Krakenbeinen verrichtete seine Notdurft in eine Rinne, die von Wasser durchflossen wurde, unter einer altersschwachen Dusche, die mal sprühte und dann wieder nur tröpfelte, hockte ein grüngeschupptes, an einen riesigen Schwamm erinnerndes Geschöpf mit drei feuerroten Stielaugen. Abtrennungen oder Vorhänge gab es nicht, auch kein Mobiliar.

Acht völlig unterschiedliche Lebewesen hatte man hier zusammengepfercht, ohne Rücksicht auf ihre durch Körperbau und Anatomie vorgegebenen Bedürfnissen zu nehmen. Die meisten lagerten auf fleckigen, dreckverkrusteten Matten von undefinierbarer Farbe. Angewidert erhob Atlan sich von seiner Matratze und ging zur Brause.

»Rückst du mal etwas zur Seite? Ich möchte mir die Hände waschen.« Der Schwamm stieß ein unverständliches Glucksen aus, ohne sich von der Stelle zu rühren. Eins der Stielaugen drehte sich und musterte den Aktivatorträger eingehend. Ein wenig hilflos wiederholte er seine Bitte, doch der Grüngeschuppte reagierte erneut mit einem Gluckslaut.

»Du kannst dich ruhig reinigen, Wrza macht das nichts aus. Er hält sich nämlich ständig unter der Dusche auf.«

Atlan drehte den Kopf. Der Sprecher war nicht weniger exotisch als die anderen Fremden. Der Körper glich völlig dem eines Menschen, aber damit erschöpfte sich die Ähnlichkeit bereits. Auf dem muskulösen, S-förmig nach vorn gebogenen Hals thronte als Kopf so etwas wie ein vierarmiger Polyp, der seinerseits einen Aufsatz trug, der fatal an jenes Merkmal erinnerte, das dem Hammerhai seinen Namen gegeben hatte. Hier wie dort befanden sich die Augen links und rechts in stumpfen Ausläufern, dagegen war die Mund- und Sprechöffnung direkt über den vier Tentakeln, also im Schädel selbst. Er sprach Alkordisch.

»Warum sagt er mir das nicht selbst?«, erkundigte sich der Arkonide leicht verärgert.

»Wrza stammt von der Wasserwelt Aczyrb. Wer dort mehr als ein Wort am Tag von sich gibt, gilt als geschwätzig. Das müsstest du eigentlich wissen, Celester.«

Unmerklich zuckte Atlan zusammen. Celester – man hielt ihn also für den Angehörigen dieses Volkes, das Terranern so ähnlich sein musste wie die Solaner, doch nicht nur das, sie mussten auch noch die alten Sprachen Deutsch und Englisch kennen.

Kurz nach seiner Versetzung nach Alkordoom, auf dem Planeten Puurk, hatte er einen solchen Menschengleichen zu Gesicht bekommen und gehört, dass er sich in diesen nicht mehr geläufigen Idiomen artikulierte. Sein damaliger Begleiter, der vielarmige Pazzon, wusste nur, dass es die Celester gab, doch das machte das Geheimnis eher noch größer.

Dass die Natur bei gleichen Bedingungen stets auf Erprobtes zurückgriff, war ein uraltes Prinzip der Evolution. Überall gab es Humanoide, aber selten zuvor waren ihm so exakte Kopien des Menschen begegnet. Und nicht nur das: In seinem langen Leben waren ihm niemals zuvor Duplikate der Terraner untergekommen, die deren Dialekte beherrschten.

Celester – irgendeine Erinnerung war damit verbunden, doch welche? Selbst das fotografische Gedächtnis konnte keine Verbindung dazu herstellen. Vielleicht wusste der Fremde mehr über dieses rätselhafte Volk, doch Atlan wagte es nicht, nachzufragen, denn es musste den Dümmsten stutzig machen, wenn jemand sich nach Einzelheiten über seine eigene Art erkundigte. Und zu versuchen, sich als Arkoniden vorzustellen und den Irrtum aufzuklären, schuf nur Verwirrung und Misstrauen, also beließ er es bei der Annahme, ein Celester zu sein.

»Wie heißt du?«

»Atlan. Und du?«

»Korptur.« Der Hominide wedelte mit den fingerlangen Kopftentakeln. »Es ist merkwürdig, dass man dich hierhergebracht hat. Ihr Celester steht in dem Ruf, psionisch taub zu sein.«

Das könnte die Rettung sein, kommentierte der Logiksektor freudig erregt. Vielleicht hat man dich verwechselt oder irrtümlich gefangen.

Verschone mich mit deinem Wunschdenken und orientiere dich endlich wieder an der Realität, gab der Arkonide gedanklich zurück und wandte sich erneut an Korptur.

»Warum hat man euch in dieses Loch gesteckt?«

»Aus dem gleichen Grund wie dich.« Der Zweiarmige lachte freudlos. »Man vermutet bei uns Psi-Kräfte, die uns diese Schergen Zulgeas abzapfen wollen. Sie wird nicht umsonst die Hexe genannt.«

»Kennst du sie?«

»Nein, niemand weiß, wie sie aussieht. Bekannt ist nur, dass sie als Facette über den Sektor Kontagnat herrscht, der auch der Sumpf heißt, aber das weißt du ja selbst.«

»Was hat es mit der Psi-Kraft auf sich? Wozu wird sie benötigt?«

»Bist du wirklich so einfältig, oder stellst du dich nur so dumm?«

»Warum sollte ich mich dumm stellen?«, taktierte Atlan vorsichtig. »Ich kenne eine Unzahl von Gerüchten, aber ich habe noch niemanden getroffen, der die Wahrheit kennt.«

»Die ganze Wahrheit dürften wohl auch nur sehr wenige wissen, möglicherweise nur einer.«

»Der Erleuchtete?«, riet der Aktivatorträger.

»Ja, das Juwel. Er ist es letztendlich, für den die Psi-Jäger tätig sind.«

»Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Wir sind doch auf Crynn in den Händen der Zulgea von Mesanthor.«

Korptur strich sich mit einer Hand über den lackschwarzen Hammeraufsatz und setzte sich aufrecht. Seine zweiteilige Kombination aus einer Art Folie war fleckig und zerknittert.

»Jede Facette von Alkordoom ist verpflichtet, ständig bestimmte Mengen an Psi-Potenzialen zu sammeln und an den Erleuchteten abzuliefern, dessen Machtbereich im Sektor Nukleus im Kern der Galaxis liegt. Wer immer in den Verdacht gerät, über Psi-Potenzial zu verfügen, wird festgesetzt. Die Hexe bedient sich dabei der Crynn-Brigade, mit der du ja Bekanntschaft gemacht hast. In Wirklichkeit sind die Brigadisten zum Teil selbst Mutanten, die ein großes Psi-Potenzial besitzen. Das hält Zulgea jedoch vor dem Juwel geheim, benutzt es aber als Druckmittel gegen diese Mutanten. Sie müssen also Psi-Potenziale aufspüren oder andere Dienste erfüllen, die der Machterweiterung der Facette dienen. Schaffen ihre Kreaturen nicht genug Psi-Träger heran, muss sie das Potenzial des geheimen Mutantenkorps angreifen und an den Erleuchteten liefern. Warum das alles so geschieht, weiß keiner.«

Nachdenklich rieb Atlan sich die Hände trocken. Einiges erschien nun unter einem völlig neuen Aspekt, verschiedene Dinge und Eindrücke bekamen jetzt erst einen Sinn, aber wirklich schlauer war er immer noch nicht.

Von dem Juwel, dem Erleuchteten und seinen Facetten, den Leuchtenden, ging eine Gefahr aus, die selbst die Existenz der Kosmokraten bedrohte, und diese Gefahr hatte einen Namen: EVOLO. Wer oder was EVOLO war, wussten selbst seine Auftraggeber nicht. Er, Atlan, sollte dieses Rätsel lösen und die Macht des Juwels und seiner Facetten zerschlagen, damit die ordnenden Kräfte die Oberhand über das Chaos gewannen, das sich in der Galaxis Alkordoom breitgemacht hatte.

In welchem Zusammenhang standen die Psi-Potenziale, der Erleuchtete und EVOLO? Welche Rolle spielten die Celester dabei? Spielten sie überhaupt eine Rolle, oder waren sie nur Randfiguren, denen er fälschlich Bedeutung beimaß, weil sie wie Terraner aussahen und sprachen?

Offensichtlich unterstanden die Leuchtenden dem Erleuchteten, aber wie groß war ihre Abhängigkeit wirklich? Waren die Facetten eigenständige Fürsten, die ihrem Kaiser lediglich Tribut zollten, oder waren es nur seine Statthalter? Warum bekämpften sie sich untereinander und versuchten, sich gegenseitig auszuspielen, wenn es am Thron des Herrschers ohnehin nichts zu rütteln gab? Oder saß das Juwel doch nicht so fest im Sattel, wie es den Anschein hatte? Wurde vielleicht schon um seine Nachfolge gerangelt?

Die Gefahr, die in dieser Sterneninsel lauerte, war noch im Entstehen begriffen, EVOLO war also noch nicht fertig, unvollständig und demzufolge wohl noch unbrauchbar. In welchem Stadium befand sich EVOLO? Mit welcher Geschwindigkeit vollzog sich die Vollendung? Stand sie schon unmittelbar bevor? Wie ging dieser Prozess vor sich, wozu wurden die Psi-Kräfte gebraucht, wie gespeichert und übertragen oder verwertet? Was plante das Juwel? Wollte es sich mit dem bestimmt gewaltigen Psi-Arsenal zu einem Überwesen aufschwingen mit dem Namen EVOLO? Es musste einen triftigen Grund dafür geben, dass die Jagd nach Psi-Trägern mit solcher Intensität betrieben wurde.

Warum zermarterst du dir das Hirn? Du kannst den Auftrag nicht ausführen. Du hast nur die Wahl, zu sterben oder nach Krandhor zurückzukehren. Vergiss nicht: Das Kodewort lautet Varnhagher-Ghynnst.

Du scheinst dich immer noch zu fürchten, dachte der Arkonide ironisch. Warst du es nicht, der Angst als irrational bezeichnet hat, weil es dem Bangenden Schaden zufügt?

Du hast den Nachsatz vergessen. Angst in deinem Sinn habe ich durch logisches Nachempfinden.

Das klang vorhin zwar anders, aber ich fürchte mich nicht.

Noch nicht, du Narr. Erkennst du denn nicht, dass du nur einen Aufschub erhalten hast? Dieses Verlies ist das Wartezimmer des Henkers. Worauf gründet sich eigentlich deine irrwitzige Hoffnung, mit dem Leben davonzukommen!

Auf die zweite räumliche Versetzung, die die Kosmokraten angekündigt haben. Was sagst du dazu, Pessimist?

Der Logiksektor zog es vor, zu schweigen. Atlan war das nur recht.

»Was geschieht mit den Personen nach der Behandlung, ich meine, wenn ihr Psi-Potenzial entfernt wurde?«

»Man munkelt, dass sie in die Sonnensteppe gebracht werden.« Korpturs Stimme klang verbittert. »Sie sind nur noch Wracks, hilflose, lallende Idioten, egal, ob sie Psi-Kräfte besaßen oder nicht. Nach dem Abzapfen sind alle gleich.«

»Wie kannst du dann so ruhig bleiben, wenn du weißt, was dich erwartet?«

»Wahrscheinlich sind Zulgeas Mutanten dafür verantwortlich. Gentile Kaz hätte die gleiche Wirkung mit Drogen erreicht, die Hexe macht es auf ihre Art. Im Endeffekt macht das keinen Unterschied. Einmal gefangen, lassen sie dich nicht mehr entkommen.« Korpturs Antlitz, das in Farbe und Struktur Elefantenhaut glich, wurde eine Nuance heller. »Vermeintliche Psi-Träger sind ein kostbares Wild, dem nichts zustoßen und das sich nichts antun darf, doch sieh dich um. Hast du jemals in einem solchen Dreckloch gehaust?« Er gab die Antwort selbst. »Natürlich nicht, denn wer sich an einem solchen Ort länger als zwei Tage aufhält, zieht sich alle möglichen Krankheiten zu und geht daran zugrunde. Wie lange befindest du dich inzwischen in diesem Gefängnis?«

Der Arkonide blickte auf sein Chronometer.

»Seit knapp vierundzwanzig Stunden. Warum fragst du?«

»Sie werden dich bald holen – und mich auch. Unseresgleichen werden auf Crynn nie länger verwahrt als dreißig Stunden. Wegen der Seuchengefahr, die nach dem Aufenthalt in dieser Luxusunterkunft von uns ausgeht.«

»Könnt ihr nicht mal endlich still sein?«, schrie der Langhals wütend. Er stakste zu Korptur und versetzte ihm mit einem seiner gelenklosen Krakenbeine einen Schlag vor die Brust. »Nehmt euch ein Beispiel an Wrza.«

»Lass die beiden in Ruhe und verschwinde auf deine Matte, sonst bekommst du es mit mir zu tun. Hier kann jeder reden, so lange er will.«

Drohend erhob sich ein Geschöpf, das gar nicht mehr aufhören wollte, zu wachsen. Knapp vier Meter groß und bestimmt mehr als zwei Tonnen schwer, blickte der Gigant auf die anderen herab. Der mächtige Leib wurde von vier stämmigen Säulen getragen, der muskulöse Stummelschwanz diente als zusätzliches Stützbein. Die beiden Armpaare wirkten eher schmächtig, aber die langen Krallen waren bestimmt furchtbare Waffen.

Ein rehbrauner Pelz bedeckte Körper und Schädel des unbekleideten Wesens, dessen Kopf dem eines hornlosen Rindes mit langen Schlappohren glich. In den großen, ausdrucksvollen Augen spiegelte sich ein Hauch von Melancholie.