Twilight-Line Verlag

präsentiert

 

Dunkle Seiten

Band 6

 

Horror, Phantastik und Dark-Fantasy

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Twilight-Line Verlag GbR

Redaktion „Dunkle Seiten“

Obertor 4

D – 98634 Wasungen

 

2. Auflage, Februar 2016

eBook-Edition

 

© 2012-2016 Twilight-Line Medien GbR

Alle Rechte vorbehalten.

 

Inhalt

 

 

Trick or Treat

Marc Hartkamp

 

Die Séance      

Birgit Raule

 

Orgiastic – Nächte der blutigen Exzesse

Marc Gore

 

Der Rausch des Feenlandes

Alexander Knörr

 

Die blutende Wand      

Manfred Schnitzler

 

Schwesterherz

Daniel Möhle

 

Santas Dorf der Verdammten

Thomas Williams

 

Das Ferkeltaxi

Oliver Henzler

 

Wicked Tale      

Melanie Vogltanz

 

Der Nebel

S.R. Nikolay

 

Der blutige Bräutigam

Sonja Jeziorowski

 

Nachwort

 

Trick or Treat

 

Marc Hartkamp

 

Die Grenze zwischen Leben und Tod scheint ein schmaler Grat zu sein, besonders wenn extreme Gefühle, wie zum Beispiel Liebe oder Freundschaft, eine Rolle spielen. Wie diese Gefühle das irdische Leben schon immer besonders beeinflussten, so scheinen sie im Jenseits ihre Bedeutung und Wirkung nicht verloren zu haben. Eine Freundschaft über den Tod hinaus? Unmöglich! Doch seit einiger Zeit denke ich anders darüber. Haben Sie etwas Zeit? Ich erzähle Ihnen warum ich heute anders denke und was ich erlebte. Am 31.Oktober.

Die Vorgärten und Eingangsbereiche unseres Ortes waren mal wieder sehr einfallsreich geschmückt. Hier gab es alles zu sehen, was das Herz eines Halloween-Verrückten wie ich einer bin, zu beglücken. Angefangen von unzähligen Kürbis-Laternen, die ich so liebe, bis hin zu Vampiren, Dämonen und Geisterdekorationen aller Art, die ganze scheiß Palette halt. Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber ich bin nun mal so wie ich bin, auch heute noch. Lustlos blickte ich aus dem Fenster meines Zimmers, hinaus auf die Straßen. Ich habe aus meinem Dachfenster einen optimalen Blick auf einige Straßenteile des Bezirkes. Die Kinder zogen bereits von Haus zu Haus, in ihren albernen Feen-, Elfen- oder Hobbitkostümen. Der Herr der Ringe war nun mal ein Knaller. Besonders für die junge Generation. Doch mir war die Lust daran vergangen. Eigentlich war mir die Lust an allem vergangen, seit Joey nicht mehr da ist. Mann, was hatten wir gerockt, an Halloween. Zwei Horror-Freaks zur besten Zeit des Jahres. Diese Feen- und Elfenscheiße! Sie hätten unsere Verkleidungen sehen sollen! Jason, Michael Myers, Freddy, such dir was aus! Die Blagen haben geheult! Ach Scheiße, alles Geschichte! Seit Joey nicht mehr unter den Lebenden weilt, hat dieser Horror-Kram keine Bedeutung mehr für mich. Doch wir hätten diesen Kids wieder gezeigt was Horror ist, das können Sie mir glauben! Ja, mein Kumpel Joey. Ich hätte ihn gern als meinen besten Freund betitelt, eigentlich war er es ja auch, aber Joey hatte so seine Macken. In Sachen Horror und allem was damit zusammenhängt, waren wir sozusagen Seelenverwandte. Mann, wir liebten Stephen King und Clive Barker so sehr, dass wir Teile aus Büchern dieser Götter wortgetreu zitieren konnten. So zelebrierten wir Dialoge verschiedener Charaktere aus den Romanen und alles um uns herum war uns scheißegal. Doch er litt unter extremen Gefühlsschwankungen, die bis hin zur Depression reichten. Besonders wenn irgendetwas nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte, oder das Selbige nicht sofort passierte. Nun, Joey kam vor drei Monaten uns Leben. Gewollt oder ungewollt, das blieb ungeklärt. Aber man fällt nicht einfach so von einer Brücke und ertrinkt, oder? Meiner Meinung nach hatte mein Kumpel den Hals von allem mal wieder so voll, dass er es einfach tat, leck Arsch und Basta!

Aber, ich wollte Ihnen doch erzählen, was an diesem Halloween passierte. Oder besser gesagt, was mir allein wiederfuhr, denn ich war an diesem Abend allein. Meine geliebte Mutter, alleinerziehend, musste an Halloween arbeiten. Sie half ab und zu in einer unserer Kneipen aus und in dieser Bar veranstalteten sie dieses Jahr eine Halloween-Party. Das Personal war knapp und Mutter sagte nicht nein. Sie sagte eigentlich nie nein, denn der Rubel musste rollen. So saß ich also allein und lustlos vor dem PC und ignorierte das sonst so geliebte Grusel-Spektakel mit Erfolg. Das Game Jericho von Clive Barker ersetzte meinen Hunger nach Horror bestens und das Blut spritzte nur so umher, als plötzlich Jemand gegen unsere Eingangstür hämmerte. Aus der geliebten, künstlichen Realität des Spiels gerissen, blickte ich mich um und bemerkte, dass es bereits dunkel geworden war.

„Ach, das sind bestimmt die Kids und spielen Süßes oder Saures“, sagte ich so zu mir selbst und ging die Treppe hinab in den Flur. „Na, warte, denen werde ich gehörig an die Karre pissen. Wenn mein Halloween schon am Arsch ist, dann eures erstrecht.“

Voller Vorfreude riss ich die Eingangstür auf. Der Anblick, welcher sich mir bot, zerrte mir förmlich den Boden unter den Füßen weg. Traumgleich taumelte ich rückwärts, nur weg von diesem Bild, welches mein Gehirn offensichtlich nicht in der Lage war zu verarbeiten. Joey stand vor der Tür! Oder besser gesagt etwas, das einmal mein Kumpel gewesen sein könnte. In zerfetzter, triefender Kleidung, die stellenweise einen Blick auf aufgequollene, weiße Haut zuließ und einen beißenden Verwesungsgeruch ausströmte. Von seinem aufgedunsenen Kopf hingen die Haare in dünnen Strähnen herab, und aus milchig-trüben Augen starrte er mich an. Sein Mund, oder was noch davon übrig war, fing an sich zu bewegen. Die Oberlippe fehlte fast ganz. Vereinzelte Haut-Fransen hingen herab und ließen sein Gesicht absurd grinsend erscheinen.

„Hey, Joel! Kommst du nun oder was? Trick or Treat schon vergessen?“

Bei jedem Wort rann Flüssigkeit aus seinem Mundwinkeln, und der Satz hörte sich ungefähr so an: „Hey, Schoel! Kommscht du nun oder wasch? Trick or Treat schon vergeschen?“

Er bewegte sich mit langsamen Schritten durch den Eingang auf mich zu. Kein Zweifel. Dieses Ding dort vor mir war einmal mein Kumpel Joey gewesen. Aber Joey war tot. Das stand so fest wie das Amen in der Kirche. Ich stolperte weiter rücklings durch den Flur und prallte schließlich gegen eine Wand. Starr blieb ich stehen und sah hilflos zu wie er immer näher an mich heranhinkte. Flüssigkeit tropfte von seiner Kleidung herab und ein muffiger, fauliger Gestank erfüllte das ganze Haus. Ich wollte schreien, wollte irgendetwas sagen, doch ich brachte keinen Ton heraus. Kennen Sie dieses Gefühl? Sie wollen schreien, aber bringen vor Angst keinen scheiß Laut heraus? Schließlich krächzte ich ein erbärmliches „Was willst du von mir?“ und sank mit dem Hintern auf den Boden.

„Wir müssen los. Es ist bereits dunkel. Trick or Treat! Kinder erschrecken. Komm jetzt, Alter!“

Fauliges Wasser rann an seinem Kinn herab und tropfte auf den Holzboden.

Ja, ne super Verkleidung hast du ja schon mal, dachte ich. Meine Verkrampfung löste sich etwas, jetzt war ich in der Lage zu reden. „Ich hab mich noch nicht verkleidet, wie du siehst. Warte einen Augenblick, ich gehe kurz nach Oben“, stammelte ich. Ängstlich stahl ich mich an ihm vorbei in Richtung Treppe. Sein Blick aus den milchig toten Augen verfolgte mich aufmerksam.

„Lass mich nicht zu lange warten, Joel!“, sabberte er noch, dann raste ich die Stufen hinauf in mein Zimmer und verschloss die Tür. Ich öffnete mein Dachfenster, floh über das Dach hinaus und kletterte am Fallrohr der Rinne hinab. Kein Blick zurück. Ich rannte einfach los, weg von unserem Haus, vorbei an singenden Kindern, den geliebten Kürbislaternen und dem ganzen Scheiß.

 

Die Halloween-Party war in vollem Gange. Die Kneipe überfüllt von tanzenden, verkleideten Personen in einer Dunstwolke aus Nikotin und Alkohol. Ich stellte mich an den Tresen und sah meiner Mutter bei ihrer stressigen Arbeit zu. Sie sah mich nicht. In diesem Augenblick liebte ich sie mehr als jemals zuvor.

 

 

Ja, das ist mir damals zu Halloween passiert. Sie wissen, heute ist der 31. Oktober. Doch falls Joey zurückkehrt, bin ich verdammt nochmal nicht da! Meine Freundin Anna holt mich sicher gleich ab. Wir gehen auf eine Party. Ich habe mich als Pinhead aus dem Horrorfilm Hellraiser verkleidet. War das eine Arbeit mit den vielen Nägeln und so. Ich bin sehr aufgeregt. Wir gehen zum ersten Mal zusammen aus.

Ah, es hat geklopft! Aber wieso benutzt sie denn die Türklingel nicht?

 

 

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Die Séance

 

Birgit Raule

 

Tausende Geschichten gibt es über das Unerklärliche. Bestimmt haben Sie die eine oder andere schon gelesen, gehört oder kennen sogar welche, die sie erlebt haben.

Ich kenne diese Geschichten auch, aber aus eigener Hand, wie man so schön sagt. Anfangs hielt ich diese Erzählungen für reinen Schwachsinn. Stephen King war für mich ein einweisungsbedürftiger Sonderling und die ganzen Gruselfilme hielt ich für ausgemachten Blödsinn. Ja, wie sich die Zeiten ändern.

Meine Ansichten änderten sich mit der Begegnung eines außergewöhnlichen Mädchens. Sie kam mit dem neuen Schuljahr, nach den großen Sommerferien, in unsere Klasse. Ich weiß es noch wie heute: Sie öffnete die Tür, schaute sich im Raum um, sah mich an, ging lockeren Schrittes auf meinen Tisch zu, setzte sich neben mich und lächelte mich auch noch an. Das war es dann. Ich war verloren, oder auch verliebt. Wie man es nimmt.

Wir verbrachten ab da viel Zeit miteinander. Sie akzeptierte mich so wie ich war und ich sie genauso. Obwohl mich manche Dinge sehr beunruhigten. Sie trug gerne schwarz, nein, das war gelogen: Sie trug nur schwarz! Selbst ihre Unterwäsche war schwarz. Ich hab es gesehen!

Religion schwänzte sie grundsätzlich und in die Kirche ging sie auch nie, aber den Friedhof, den fand sie spitze!

Dort ging sie fast jede Woche hin, am liebsten nachts. Außerdem hatte sie ganz merkwürdige Freunde, die sich ganz seltsam begrüßten, sich irgendwelche Zeichen in den Arm ritzten und sich mit fremden Namen anredeten.

Da ich ja jetzt ihr Freund war, wurde ich auch aufgenommen. In diese Familie. Alle waren sehr nett zu mir, obwohl ich nicht glaubte, dass sie mich besonders mochten. Sie taten es bestimmt nur meiner Freundin zuliebe, genauso wie ich nur meiner Freundin zuliebe mitmachte. Ich glaube auch nicht, dass sie eine andere Wahl hatten, weil meine Freundin das Oberhaupt war, die Herrin, und sie gab sich mit mir ab! Wie kann man da nein sagen?

Ich war plötzlich ihr ein und alles, fragen Sie mich ja nicht warum.

Mir schenkte sie immer ganz seltsame Bücher, die sich eben mit solchen Dingen befassten wie Vampiren, Werwölfe, Hexenbeschwörung und Satans- oder Geisteranrufungen.

Naja, zuerst konnte ich damit ja gar nichts anfangen. Aber dann hatte ich mich hineingelesen, mich kundig gemacht, andere Bücher besorgt. Man konnte schon sagen, dass ich das Unerklärliche studiert hatte. Ich war gefangen und gefesselt an dem Unbegreiflichen des Daseins. An der Polarität zwischen Gut und Böse. Der ewige Kampf der Mächte, der, obwohl von den Wissenschaftlern stets bestritten, auch auf Mutter Erde stattfand.

Ich will hier nicht sagen, dass ich besessen war. Nein, ich fand es einfach nur toll. Mehr nicht. Ehrlich nicht.

Eines Tages rief sie mich zu sich. Sie hielt ein ganz altes Buch in der Hand und bat mich, dass ich es doch lesen sollte. Es war ein uraltes Buch. Es enthielt Rituale für Séancen. Ich sollte es lesen und dann mit ihr darüber sprechen. Ich war mächtig stolz, dass sie auf meine Meinung so viel Wert legte.

Und wissen Sie was? Ich hab es gerne gelesen!

Himmel, was fand ich doch interessante Beschreibungen über die Ausführung einer Séance, und wenn man sich genau an die Anweisungen halten würde, könnte man doch tatsächlich einen alten, längst verstorbenen Magier dazu zwingen zu erscheinen. Und wissen Sie was das komische daran war? Er trug doch wahrhaftig den gleichen Nachnamen wie ich!

Es hieß in dem Buch auch noch, um ihn auch wirklich rufen zu können, musste man Teile seines Skelettes finden und mit in der Séance einbringen.

Das alles erzählte ich meiner Freundin, aber die wusste das schon. Sie hatte das Buch bestimmt auch schon gelesen und nicht nur das, nein, sie wusste auch wo der Magier begraben lag.

Toll, was?

Es war sogar ganz in unserer Nähe. Ich kannte den Ort. Als Kind hatte ich immer in diesem Wald gespielt. Meine Freundin wusste sogar genau die Stelle, an der er begraben lag. Woher weiß ich auch nicht, also fragen Sie mich nicht!

Jedenfalls erteilte sie mir die Ehre, seine Gebeine zu bergen. Ich wollte das nicht, zu sehr fürchtete ich mich in den Wald zu gehen um Knochen auszugraben. Knochen von einem Menschen. Von einem toten Menschen. Ich war entsetzt! Wo doch selbst meine Oma mir immer gesagt hatte, dass man die Toten ruhen lassen sollte, und bei aller Liebe, irgendwie war mir die Angelegenheit zu gruselig!

Sich mit der Magie zu beschäftigen und sie auch auszuführen, waren zwei paar Stiefel!

Ich war völlig aus der Reihe, aber meine Freundin hatte mich dann beruhigt. Sie hatte mich in die Arme genommen, mir Mut zugesprochen und mich gestreichelt. Sie war so lieb zu mir, wir hatten sogar Sex! Na ja. Fast. Beinahe...

Sie sagte, sie könne nur mit einem mutigen Mann Liebe machen und mit einem, der sich nicht mal trauen würde in den Wald zu gehen um ein paar Knochen auszugraben... Nein, nein, mit so einem würde das nicht funktionieren!

Soll ich Ihnen was sagen? Das hatte mich überzeugt! Meine Freundin wusste dass ich mutig war, sie bewunderte mich. Also bin ich gegangen!

Man musste die Knochen genau um Mitternacht ausgraben, deswegen machte ich mich also auf den Weg. Wie schon gesagt, ich kannte die Stelle, obwohl ich mich vorher nie ganz hingetraut hatte. Sie lag mitten im Wald, auf einer kleinen Lichtung. Ich wette, wenn man vom Hubschrauber aus nach unten sehen würde, könnte man meinen, dass der liebe Gott diese Stelle bei seiner Erschaffungsgeschichte vergessen hatte. Sie war kreisrund und hatte einen Durchmesser von ungefähr 20 Meter. Nichts, aber auch rein gar nichts wuchs auf dieser Stelle. Nicht mal Ungeziefer hielt sich dort auf. Früher hatte ich diesen Ort immer beobachtet und ob Sie es glauben oder nicht, aber selbst die Vögel flogen nicht darüber. Das verschlägt Ihnen die Sprache, nicht wahr? Oder denken Sie, ich lüge?

Jedenfalls ging ich auf die Lichtung und mir wurde ganz mulmig zumute. Ich fand sofort das Grab. Irgendein Idiot hatte genau auf der Stelle ein Lagerfeuer gemacht. Der Boden war richtig verbrannt. Ich fand dass eine riesige Sauerei. Die Leute heutzutage hatten keine Achtung mehr! Aber ehrlich.

Ich fing an zu graben, wobei ich laut vor mich hinredete. Ich erzählte von meiner Freundin, dass sie nach dieser Aktion bestimmt richtig mit mir Liebe machen würde. Dass ich das mit dem Ausgraben bestimmt nicht böse meinen würde und dass, falls die Anrufung funktionieren würde, ich mich sehr freue ihn kennenlernen zu dürfen. Wenn ich ehrlich sein soll, hatte ich danach ein Gefühl, als wäre jemand bei mir!

Es hatte nicht mal eine Stunde gedauert, bis ich das Skelett fand. An seinen Füßen und Händen trug es Fesseln und ich war richtig schockiert, dass man zu so was fähig war. Mir kamen die Tränen.

Aber ich erinnerte mich auch noch an meine Order. Also entschuldigte ich mich nochmals für die Störung, sammelte die Handknochen ein und machte mich daran das Grab wieder zuzuschaufeln. Hastig packte ich danach alles zusammen und machte mich auf den Weg.

Es dauerte nicht lange, da war ich wieder bei meiner Freundin und das Unglaubliche war, sie war nicht mehr alleine.

Alle unsere Freunde waren zu ihr gekommen. Noch unglaublicher war, sie freuten sich alle mich zu sehen. Mir wurde auf die Schultern geklopft, man umarmte und küsste mich.

Dann sind wir alle auf den Speicher gegangen, der, wie soll ich es sagen, völlig umgeräumt war! Überall waren schwarze Tücher mit Pentagrammen aufgehängt. Der Speicher war voller Rauch, weil man verschiedene Kräuter verbrannt hatte. Kerzen erleuchteten den Raum, in dessen Mitte ein runder Tisch mit sieben Stühlen stand.

Wir versammelten uns um den Tisch, auf dem ein schwarzes Tuch lag. Darauf stand eine kleine Keramikschüssel mit einem Mörser.

Wie setzten uns auf die Stühle und als ich mich umschaute, bemerkte ich, dass alle irgendwie richtig aufgeregt wirkten. Alle waren in schwarzen Kutten gehüllt, was ich ziemlich lächerlich fand.

Dann legte meine Freundin die Handknochen in die Schale und begann sie zu zerdrücken. Sie murmelte dabei leise vor sich hin, während sich die anderen an den Händen fassten, die Augen schlossen, um toter Mann zu spielen.

Ich beobachtete meine Freundin wie sie die Knochen zerkleinerte, Kräuter hineinlegte und das Ganze auch noch anzündete. Es qualmte gewaltig. So stark, dass es mir im Hals kratzte und ich ein Husten kaum unterdrücken konnte.

Meine Freundin sang die Anrufung. Sie hatte die Hände mit der Schüssel über den Kopf gehoben. Sie hielt sich genau an die Anweisungen, jeder Handgriff saß und ich dachte bei mir, dass sie das bestimmt nicht zum ersten Mal machte. Alle sahen so aus, nur bei mir, bei mir war es das erste Mal.

So wartete ich gespannt was jetzt wohl noch passieren würde. Ich schaute in die Runde und plötzlich sah ich es. Eine violette Wolke bildete sich in der hinteren Ecke, der Raum wurde eisig kalt und ein heftiger Luftzug wehte die Kerzen aus. Meine Freundin hatte mit dem Singen aufgehört, bestimmt weil sie nichts verpassen wollte. Die Wolke wurde immer größer und setzte sich in Bewegung, genau in die Richtung, in der wir saßen. Kurz darauf war der Dunst direkt über unserem Tisch und manchen wurde ganz angst und bange.

Einige wollten aufspringen und weglaufen, doch sie konnten es nicht. Es war ihnen unmöglich sich zu bewegen, als hätte sie jemand an den Stühlen festgeklebt und mit Zement übergossen.

Der Junge neben mir stöhnte auf und auch meine Freundin gab ganz komische Geräusche von sich.

Die Wolke verdichtete sich immer mehr, und wenn man genau in die Mitte sah, dann konnte man darin eine Gestalt entdecken.

Es hatte die Umrisse eines Mannes. Zuerst sah man nur die Gestalt. Sie war groß und eindrucksvoll. Wenige Sekunden später konnte man schon ein Gesicht erkennen.

Wie soll ich es sagen, aber irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er sich überhaupt nicht freute hier zu sein. Seine dunklen Augen glitzerten schwarz in ihren Höhlen, die Brauen waren zusammengezogen. Der Mund war zu einem schmalen Strich gepresst.

Keine freundliche Mimik. Aber etwas an dieser Erscheinung störte mich. Zuerst wusste ich gar nicht was es war, aber dann fiel es mir auf. Dem Geist fehlten die Hände! Alles war da, nur über den Handgelenken hörte das Geistwesen einfach auf. Wild gestikulierte die Gestalt. Wütende Gesten, gerade so, als wolle es alles zerschlagen.

Meine Freundin schrie entsetzt auf, weil die wütende Gestalt sich ihr schnell näherte. Trotz dass es keine Hände hatte, packte es meine Freundin und zog sie hoch. Hoch in die Luft, ihre Füße baumelten mindestens einen halben Meter über dem Erdboden. Wenige Sekunden später schrie sie nicht mehr. Die Hände, die eigentlich nicht da waren und man auch nicht sah, schlossen sich um ihren Hals und nach den Geräuschen zu urteilen, drückten sie auch zu. Sie müssen sehr fest gedrückt haben, denn sie fing an zu röcheln und zu würgen. Sie zappelte mit den Füßen, die frei in der Luft schwebten und auf dem Gesicht des hergerufenen Geistes machte sich ein gehässiges Grinsen breit. So, als wenn es Spaß daran hätte. Es ihm eine unsagbare Befriedigung bereite, dem jungen Leben ein Ende zu setzten. Das Gesicht meiner Freundin lief rot an, das Röcheln wurde immer leiser, bis es ganz aufhörte. Dann geschah das Unglaubliche. Unzählige violette kleine Blitze hüllten ihren Körper ein und tauchten meine Freundin in einen Nebel, bis ihre Konturen immer schwächer wurden. Erst nach einigen Sekunden bemerkte ich, dass der Nebel ihren Körper auflöste. Entsetzten stand auf ihren Augen, sie hatte ihren Mund zu einem lautlosen Schrei aufgerissen, aber es war nichts zu hören. Im Gegenteil, der Nebel drang sofort in ihren Mund ein, als würde sie ihn einsaugen. Voller Schrecken sah ich, je mehr sie den Dunst einatmete, umso mehr verschwand sie. Der Nebel fraß sie regelrecht auf, während die Spukgestalt das ganze amüsiert beobachtete. Kaum war meine Freundin verschwunden, bewegte sich der tote Magier auf den Tisch zu.

Die Panik erfasste mich und schüttelte mich durch. Ich bemerkte auch, dass es den anderen nicht anders erging. Wir hielten uns immer noch an den Händen, starr vor Schrecken, unfähig uns voneinander zu lösen, geschweige denn uns zu bewegen oder fortzulaufen.

Der Junge neben mir fing an zu keuchen. Ich kannte ihn, er war noch nicht lange in unserer Familie, gerade mal sechzehn Jahre war er. Ich sah in seine Augen und erkannte seine Angst. Die gleiche stand ich im Moment auch aus. Wir standen sie alle aus.

Ein ängstliches Stöhnen erfasste den Raum, jeder sah seinem eigenen Tod in die Augen, während die Erscheinung immer näher kam und sich hinter den Jungen stellte, der mir gegenübersaß.

Er legte ihm die Arme ohne Hände auf die Schultern, beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte dem ängstlichen Jungen ins Ohr. Wir konnten nicht verstehen, was er dem Jungen gesagt hatte, aber es muss etwas sehr schreckliches gewesen sein, da er, wie meine Freundin, den Mund aufriss und schreien wollte.

Selbst als dieser Junge verschwunden war, hatte der Alp noch nicht genug. Wir waren jetzt nur noch zu fünft und mir kam der Gedanke, dass dies wohl meine letzte Nacht auf Mutter Erde war. Eine kalte Starre erfasste meinen Körper, der Geist holte sich einen nach dem anderen. Bei jedem lief es relativ gleich ab, obwohl sich die Angst der Jungen jedes Mal steigerte. Ich wusste nicht was ich als Schlimmstes einstufen sollte, die unsagbare Todesangst, die derjenige vorher zu erleiden hatte, oder die Qualen, die der Nebel bewirkte, wenn er den Körper auffraß. Noch immer war nur wenig zu hören, außer das zufriedene Gekicher des Geistes. Sie können mir glauben, das war das grausamste Kichern, das ich je gehört hatte. Es dauerte noch mindestens zehn Minuten, bis nur noch ich übrig war. Das also war meine Strafe! Ich war der Letzte und musste alles mit ansehen. Welche Qualen musste ich wohl erleiden, ich, der den Toten die Gebeine gestohlen hatte. Ich schloss meine Augen und wartete auf mein Ende.

Ich atmete laut und hastig, aber nichts geschah. Als ich die Augen öffnete, sah ich ihn vor mir stehen. Sein Blick hatte sich verändert, seine Augen blickten mich milde und wissend an.

Ich verstand die Welt nicht mehr, das können Sie mir glauben. Dann sprach er zu mir. Wie sehr er sich doch freue mich kennenzulernen. Ich, sein Nachkomme, in dessen Adern sein Blut floss. Ich, der ihn aus seinem nassen Grab geholt hatte. Ich, der ihm diese vielen jungen Leute zum Opfer brachte. Nur dass seine Hände verloren waren, das fand er gar nicht gut. Doch würde er mich verschonen, wenn ich ihm in Zukunft ein guter Gehilfe wäre.

Tja, ich würde ihnen gerne noch mehr erzählen, aber ich bin sehr in Eile. Ich bekomme nämlich Besuch. Sechs junge Leute, die mich bei einer Séance begleiten wollen.

Möchten Sie auch mitkommen?

 

 

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Orgiastic

Nächte der blutigen Exzesse

 

Marc Gore

 

 

 

Bruce Wagner schritt durch die nächtlichen Straßen von Los Angeles, vorbei an Bars, Kinos, Restaurants, Spielhallen und Nachtclubs. Er war auf der Suche! Zielstrebig lenkte er seine Schritte zur U-Bahnstation. Vielleicht würde er hier fündig werden! An einem menschenleeren Gleis harrte er aus. Es dauerte nicht lange, da rauschte die nächste Bahn heran. Bruce versteckte sich hinter einer Säule und beobachtete die Leute, die ausstiegen. Jeder hatte es eilig die U-Bahnstation schnellstmöglich zu verlassen. Rasch fuhr die Bahn wieder los und die Menschen, die ausgestiegen waren, stiegen die Treppe hoch. Bruce ärgerte sich darüber, dass er wahrscheinlich alleine zurückbleiben würde. Doch halt! Eine junge Frau etwa Anfang 20 blieb vor den Fahrplänen stehen. Die anderen Leute waren schnell verschwunden und Bruce war nun allein mit ihr hier unten. Das war seine Chance! Leise kam er hinter der Säule hervor. Er musste leise sein, ungefähr 20 Meter trennten ihn von der Frau, die ihm günstigerweise den Rücken zudrehte, während sie die Fahrzeiten studierte. Bruce wusste, er musste sich beeilen! Wer weiß, wie lange die Station noch ohne Augenzeugen bleiben würde. Schnell trat er hinterrücks an sein Opfer heran, welches seine Schritte erst vernahm, als es schon zu spät war! Mit dem rechten Arm umklammerte Bruce sein Opfer und presste seine linke Hand auf ihren Mund. Die Frau strampelte, versuchte um sich zu schlagen und zu beißen. Es half nichts! Der mindestens zwei Meter große Angreifer überragte sie um mehr als eine Kopfgröße und seine stahlharten muskulösen Arme hielten sie eisern umschlossen. Er schlug ihren Kopf gegen die Wand, aber nur so heftig, wie unbedingt nötig. Die Alte sollte schließlich nicht draufgehen. Noch nicht! Der Schlag reichte aus, dass sie bewusstlos zusammensackte.

 

Die Frau erwachte. Bruce hatte sie auf die lange Küchentischplatte in der verdreckten Küche seines heruntergekommen Hauses gefesselt. Breitbeinig lag sie da, Füße und Handgelenke mit schweren Lederriemen festgebunden - und sie war vollständig entkleidet! Bruce freute sich, dass es endlich soweit war. Das, was er vorhatte, erzeugte den besten Lustgewinn erst dann, wenn das Opfer bei vollem Bewusstsein war. Die Frau hob den Kopf und blickte an sich herunter. Verwirrt nahm sie zur Kenntnis, dass sie splitternackt war und der hünenhafte Mann an ihrem Fußende sie mit einem bösartigen Grinsen und funkelnden Augen anstarrte.