Road
of the
Damned

 

Weg der Verdammten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Twilight-Line Medien GbR
Obertor 4
D – 98634 Wasungen

1. Auflage, Juni 2015
eBook-Edition

© 2015 Twilight-Line Medien GbR
Alle Rechte vorbehalten.

 

 

Inhalt

 

Vorwort

Die Selbstmordhitparade

Der Wald des Grauens

Opa Karl

Die Muse

Herr des Nebels

Die Nacht im Museum

Die Séance

Exitus

Begegnung mit dem Rattenkönig

 

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Vorwort

 

Angst. Einer der Urtriebe der Menschheit, Wegbegleiter der Evolution. Schon solange es Aufzeichnungen gibt, gibt es auch Geschichten und Legenden über phantastische Wesen und Erscheinungen, die dem Menschen Angst einjagen und das Element des Grusels und des Horrors verbreiten.

Viel hat sich seit den Aufzeichnungen aus der Antike bis heute nicht geändert. Auch heute noch sind wir gefesselt von Geschichten, die uns einen kalten Schauer über den Rücken jagen oder uns gar bis in unsere Träume verfolgen. Das Unheimliche, das schon unsere Vorfahren vor Jahrtausenden ängstigte, ist auch in unserer modernen Zivilisation noch immer präsent. Egal ob unheimliche Kräfte, bösartige Kreaturen in der Dunkelheit, Rache aus der jenseitigen Welt oder mordlüsterne Wahnsinnige, diese Art von Geschichten lebt von Generation zu Generation weiter.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich Geschichten über das Unheimliche und Unbekannte, über dunkle Kreaturen und böse Mächte, auch heute noch in jeder Kultur großer Beliebtheit erfreuen. Nur das Thema Liebe, ein weiterer Urinstinkt, findet seit jeher mehr Zuhörer, Leser oder Zuschauer.

Und auch mit diesem Sonderband aus unserer Reihe Dunkle Seiten präsentieren wir Ihnen eine Sammlung von unheimlichen Gruselgeschichten, die sich in die unendlich lange Reihe des Phantastischen eingliedern. Die folgenden Geschichten wurden gezielt ausgewählt und stammen aus der Feder verschiedener Autoren.

Wir präsentieren Ihnen eine Melange aus klassischem Grusel, unheimlichen Ereignissen und teilweise ironisch-satirischen Geschichten, die mit dem Element des Horrors spielen.

Folgen Sie den Autoren und lassen Sie sich eine fein dosierte Gänsehaut verpassen. Egal ob mordlüsterne Autofahrer, mysteriöse Ereignisse oder Begegnungen mit dem Totenreich, die Facetten dieser Gruselgeschichten sind vielfältig.

Ich wünsche Ihnen wohliges Gruseln!

Sven Müller
Herausgeber

 

 

 

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Die Selbstmordhitparade

Alexander Pohl

 

Seit Stunden wartete ich am Rande einer kaum befahrenen Landstraße und hielt nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau. Bis zu meinem Heimatort waren es nur einige wenige Kilometer, doch diese Strecke zu Fuß zu bewältigen erschien mir als ein Problem, welches ich infolge des langsam sinkenden Alkoholspiegels in meinem Blut nur unter größter Anstrengung meistern konnte. Schon des Öfteren hatte ich mir geschworen meinem hohen Alkoholkonsum Grenzen zu setzen, doch sobald ich in Gesellschaft anderer war und nur irgendjemand ein Glas Bier oder Weinbrand hinunterkippte, waren alle guten Vorsätze dahin. Jenes anfängliche Wohlbehagen nach den ersten vier Gläsern Bier, welche ich oft hastig hinunterspülte, steigerte sich mit zunehmender Menge zu einem Höhenflug von grenzenloser Euphorie, um plötzlich schlagartig in den Abgrund bodenloser Depression und mengenbedingtem Desinteresses zu stürzen. Kein noch so geschmackloser Scherz meiner Freunde vermochte mich dann noch zu erheitern. Es war Zeit zur Heimkehr, um eine weiche Landung in meinem Kopfkissen zu vollführen. Endlich Auszuruhen wäre das größte Glück, gäbe es dort nicht die wiederholt unangenehme Traumsequenz von einem halbverwesten Autofahrer, dessen Bild in meinen Albträumen zunehmend realistischer wurde. Meine Traumerlebnisse schienen langsam aber stetig eine eigene zweite Art von erlebter Wirklichkeit zu reflektieren. Nach einem unsanften, schweißgebadeten Erwachen vergaß ich zwar nicht das Erlebnis, jedoch jenes durch Zerfall entstellte Gesicht, einer Fratze gleich, vergaß ich immer innerhalb von Sekundenbruchteilen...

Nun stand ich hier an der Landstraße und ein kalter Wind bestrich unsanft die im absterben begriffene Herbstlandschaft. Voller Erwartung richtete ich meinen leeren Blick gen Himmel, wo ein hämisch grinsender Mond seine kalten Strahlen auf Wiesen und Wälder rings um mich warf und die Szenerie in ein gespenstisches unwirkliches Licht tauchte. Von Westen her drang leise und unterschwellig mit den lauten der nächtlichen Natur vermischtes Motorengeräusch an meine Ohren, welches beim Herannahen immer mehr zu einem alles übertönenden Brummen anschwoll. Verwundert und zugleich voller Neugier drehte ich meinen Kopf zur Seite. Ein greller Lichtkegel zweier Scheinwerfer raubte mir augenblicklich die Sicht und ich schloss einfach meine geblendeten Augen. Instinktiv, von einem unerklärbaren Zwang getrieben, streckte ich meinen Arm aus und stellte den Daumen senkrecht zur geöffneten Faust. Der Fahrer bremste seinen Wagen langsam ab, schaltete in einen niedrigeren Gang zurück und schlich mit untertourig laufendem Motor auf mich zu, wie eine Raubkatze, die sich ihres Opfers gewiss war. Langsam öffnete ich meine Augen, doch mein vom Alkohol getrübter Blick ließ im Augenblick keinen Rückschluss auf Fahrer und Wagen zu.

Als der Wagen direkt vor mir hielt, hatten sich meine Pupillen soweit der neuen Situation angepasst. Mein Blick klärte sich langsam auf und ich nahm die schattenhaften Umrisse eines alten Opel Kadett Coupés wahr. Wortlos öffnete der Fahrer die Tür und deutete mir mit einem Wink an in seinem Wagen Platz zu nehmen. Befremdet und zugleich verwundert nahm ich sein Angebot willig entgegen, stieg ein und schlug die Tür neben mir mit einem lauten Knall zu. Endlich sitzen und die vom langen stehen in der Kälte ermüdeten, verkrampften Beine ausruhen zu können war mein erster Gedanke. Aber ich sollte keine Gelegenheit bekommen meine Gedanken weiterzuspinnen, denn mein Chauffeur beschleunigte abrupt und hatte binnen weniger Sekunden den vierten Gang eingelegt. Mein Körper wurde förmlich in den Sitz gepresst, wobei ich einen leichten Druck in der Magengegend verspürte. Das Innere des Wagens war bis auf die Armaturen nur recht spärlich beleuchtet. Meine Augen versuchten die Dunkelheit zu durchdringen, jedoch nahm ich nur den schemenhaften Umriss eines Menschen wahr, der sein Gefährt zielsicher durch die Dunkelheit manövrierte. Ich blickte auf den Tachometer, der genau bei 120 km/h stand und sich nicht bewegte. Eine unmögliche Geschwindigkeit bei dieser Straße, einer engen Fahrbahn, die sich wie ein kurviges schmales Band aus Asphalt durch die Landschaft frisst. Bäume und Sträucher, nur wenige Sekunden vom Strahlengang der Scheinwerfer erfasst, fliegen wie Nichts vorbei. Geäst greift scheinbar mit langen Krallenarmen nach uns, um gleich wieder im Nichts der Dunkelheit zu verschwinden. Neugier und Verlegenheit kämpften in mir um den Sieg, voller Wissbegier gelang es mir schließlich doch mich zu überwinden und ich begann zu fragen: „Sie haben mich mitgenommen, einfach so, ohne mich zu kennen und ohne zu wissen wo ich hinmöchte?“ Ich bekam keine Antwort auf meine Frage, was mich etwas verwirrte, doch mein Rauschzustand hinderte mich daran komplexe Gedankengänge in meinem Hirn zu formieren. Völlig unbeirrt richtete der Unbekannte sein Gesicht weiter in Richtung Windschutzscheibe, meine Worte entlockten ihm nicht einmal eine Handbewegung oder ein Achselzucken. „Wenn Sie sich nicht mit mir unterhalten wollen, stellen Sie doch wenigstens das Radio an“, bat ich ihn fordernd, im betrunkenen Zustand verliere ich oft mein Taktgefühl. Der Fremde löste sich aus seiner Starre und seine Hand bewegte sich geräuschlos zum Radio. Ein Schalter knackte und aus dem Äther drangen Laute und Geräusche, die in ihrer Lautstärke und Intensität meine Trommelfelle in Vibration versetzten. Kreischende Gitarren, schaurig krächzende Gesänge und hämmernde Trommeln übertönten lautstark das Brummen des Motors. Ich versuchte meinem Gegenüber klar zu machen, er solle bitte die Musik leiser stellen, doch keines meiner Worte drang bis zu ihm vor. Ebenfalls getraute ich mich nicht die Lautstärke selbst zu drosseln oder den Fremden durch einen Schlag auf die Schulter dazu zu bewegen. Noch immer verfolgte er Stur wie ein Roboter seinen Kurs, die ihm entgegenrasenden Kurven und Geraden auskorrigierend und balancierend. Eine unerklärliche Furcht überkam mich, als ich mich unbewusst mit dem Lied aus dem Autoradio beschäftigte, jeder weitere Versuch einer Unterhaltung oder eines Dialogs mit dem Fahrer erschien mir plötzlich unmöglich. Aus den Lautsprechern dröhnte das Lied HIGHWAY TO HELL der Rockgruppe AC/DC, Hardrock für den selbstmordgefährdeten Autofahrer mit Gespür für die Inszenierung des eigenen Freitodes. Doch ich kam nicht weiter dazu in meinen eigenen Gedanken herumzugraben, denn ein wilder Ruck schleuderte mich nach vorne. Der Gurt fing mich auf und sein breites Band schnürte mir fast den Magen zusammen. Bremsen quietschten, doch der Wagen kam nicht zum Stehen, sondern beschleunigte sofort wieder. Der Irre musste das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten haben, haarscharf nahm er die Kurven und Biegungen. Bäume schossen unsagbar schnell auf uns zu und signalisierten die unmittelbare Nähe des Todes, sie huschten in nur geringer Entfernung am Wagen vorbei. Der AC/DC Song trug seinen Teil dazu bei und die anfängliche Furcht begann in wilde Angst umzuschlagen: Überlebensangst!

Die Musik ebbte ab und endete fast lautlos, gleichzeitig nahm der Fremde die Geschwindigkeit auf ein erträgliches Maß zurück und bändigte seinen motorisierten Dämon von einem Wagen. Entspannt und erleichtert atmete ich auf, doch die nächste Überraschung hatte man schon für mich parat...

Das mattblaue Licht der Senderskalenbeleuchtung verstärkte seine Leuchtkraft zu einem schleimig schimmernden Blau und gab nun einen Blick auf das Wageninnere und den Fremden frei. Die Inneneinrichtung machte einen abgenutzten, gar gammeligen Eindruck und ich nahm nun einen leicht bitteren Geruch wahr, der mir noch nicht aufgefallen war. Neugierig begann ich nun den Fremden mit meinen Sinnen zu erfassen. Seine der meinen erstaunlich ähnliche Gestalt, das vergleichbare Gesichtsprofil und selbst das scheinbar gleichlange Haar erweckten den Eindruck in mir, als begegnete ich gerade meinem nicht existierenden Zwillingsbruder. Im blauen, unwirklichen Licht durchbohrten mich plötzlich die Fangnetze zweier eiskalter Diamanten. Augen, leblos und grausam, drückten eine Fähigkeit zu unberechenbarem Handeln aus. Entsetzen und Ohnmacht lähmten mich. Er beugte sich über mich und spie mir seinen fauligen Atem ins Gesicht. Eine unbeschreibliche Mischung aus Ekel und blankem Entsetzen ballte meinen Magen zur Faust. Der Einsatz einer neuen Schlagzeug- und Gitarrenorgie ertönte mit dem Titel BALLS THROUGH THE WALL aus den Lautsprechern. Er ließ von mir ab und erst jetzt bemerkte ich, dass wir uns immer noch bewegten. Die Mischung aus Licht, Musik, Geschwindigkeit, Angst, Verlorenheit und apokalyptischem Wahn ließ nun auch mein Inneres völlig zusammenbrechen. Jetzt, wo er meinen Willen fast gebrochen hatte, war ich bereit ihm das Opfer abzugeben, nachdem er verlangte. Noch huldigte er den infernalischen Sägenklängen und Unterweltgesängen von ACCEPT. Meine Galgenfrist betrug noch weniger als zwanzig Sekunden, dann würde die Musik enden und wahrscheinlich auch meine Existenz. Doch meine Gefühle, Sinne und mein starker Selbsterhaltungstrieb wehrten sich vehement, als er ein blutverkrustetes Küchenmesser, dessen Kälte ich schon spüren konnte, an meinen Hals setzte. Sein bisher regungsloser Mund formte ein sadistisches Grinsen, das Ritual begann. Mein Lebenswille in mir schrie auf und mein bewegungslos verharrender Magen implodierte und gab seine Ladung frei. Gewaltsam öffneten sich meine Lippen und ein breiter, stinkender, aus kleinen Brocken bestehender Bannstrahl durchkreuzte seine Mordpläne. Mein angesäuerter Mageninhalt traf ihn als geballte Ladung in Gesicht und Augen. Mit einem unmenschlichen Schrei verlor er die Kontrolle über den Wagen. Nach einigen dumpfen Schlägen drehte sich alles und ich stürzte in ein tiefes dunkles Loch...