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Gabriele M. Knoll

 

 

Handbuch Wandertourismus

für Ausbildung und Praxis

 

 

 

 

 

UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz
mit UVK/Lucius · München

 

 

 

 

Dr. Gabriele M. Knoll
lehrt Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Sie hat bei diversen Tourismusprojekten im In- und Ausland mitgearbeitet und ist Autorin touristischer Fach- und Lehrbücher sowie zahlreicher Reiseführer.

 

 

 

 

 

 

 

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

 

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016

 

Lektorat: Rainer Berger
Cover: Atelier Reichert, Stuttgart
Covermotiv: Gabriele M. Knoll, Wachtendonk
eBook-Produktion: Pustet, Regensburg

 

UVK Verlagsgesellschaft mbH
Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz
Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98
www.uvk.de

 

UTB-Nr. 4548
ISBN 978-3-8252-4548-1 (Print)
ISBN 978-3-8463-4548-1 (ePUB)

Vorwort

Wandern ist weit mehr als die Fortbewegung – in der Regel zu Fuß – von Punkt A nach Punkt B. Wandern ist auch ein spannendes Kapitel Kulturgeschichte: Davon wurden einst Frauen systematisch ausgeschlossen, der Sonntagsspaziergang war einmal eine revolutionäre Aktivität und die Selbstverständlichkeit, mit der man heutzutage Landschaften als „schön“ bezeichnet und sich gerne zum Vergnügen darin bewegt, ist auch eine relativ junge Ansicht.

Deutschland kann man im aktuellen Wandertourismus durchaus als Trendsetter bezeichnen, denn das Qualitätsmanagement rund ums Wandern wird zunehmend von anderen Nationen übernommen. Umso interessanter ist dabei ein Blick über den „deutschen Tellerrand“, der mit einigen Beispielen zeigt, womit man sich in anderen Destinationen herumschlagen muss.

Dieses Handbuch kann und will nicht mit enzyklopädischer Vollständigkeit alle Aspekte des Wandertourismus darstellen, das ist als Einsteiger-Literatur für Ausbildung, Studium und Praxis auch nicht nötig. Dafür gibt es O-Töne von erfahrenen Touristikern, die hier schon wertvolle Erfahrungen und Anregungen aus und für die Praxis weitergeben – bevor diese vielleicht eines Tages einmal in wissenschaftlichen Studien auf eine Kommastelle genau ermittelt wurden.

Aus meiner Lehrtätigkeit kann ich auch beklagen, dass ein Grundwissen und eigene Erfahrungen mit dem Wandern selbst in einem Tourismusstudiengang eher mangelhaft vorhanden sind. Deshalb habe ich als abschließendes Kapitel eine Ermutigung zum Selbstversuch geschrieben, damit der Touristikernachwuchs überhaupt eine Ahnung von den Facetten des Wanderns bekommen und sich besser in die Situation seiner Gäste hineinversetzen kann.

Und schließlich schadet es nicht, wenn der junge Mensch den Wert dieser Outdooraktivität schon erkennt und schätzen lernt, bevor er in der Altersgruppe der aktivsten Wanderer, der Best Ager, ankommt. Mal Abstand gewinnen, die Seele baumeln lassen und eine kleine Auszeit aus dem täglichen Stress nehmen, wie die wissenschaftlich ermittelten Motive der Wanderer lauten, das soll auch ein Zweck dieses Handbuchs sein!

Wachtendonk, im April 2016

Gabriele M. Knoll

 

♦ Hinweis zu verwendeten Online-Ressourcen

Sehr viele Informationen rund um den Wandertourismus finden Sie online. Im Buch befinden sich deswegen auch zahlreiche Hinweise, Linktipps und Verweise auf (zitierte) Websites. Diese Websites wurden alle im Zeitraum von Januar 2015 bis März 2016 abgerufen. Einige wenige Links im Fließtext mussten teilweise umbrochen werden. Sehr lange Links wurden mithilfe des Kurz-URL-Dienstes bit.ly gekürzt.

1 Eine Zeitreise zu Fuß – Aus der Geschichte des Wanderns

1.1 „Das Wandern ist des Müllers Lust“ – berufsbedingt zu Fuß durch halb Europa

 

♦ Auf einen Blick

In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:

Nicht die Wanderfreude eines bestimmten Herrn Müller wird in dem alten Volkslied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ besungen, sondern die berufliche Weiterbildung der Müllergesellen im Allgemeinen. Nach den Zunftordnungen war es für das Gros der Handwerksgesellen vom 14. noch bis ins 19. Jahrhundert Pflicht, auf Wanderschaft, auf die Walz zu gehen, in der Ferne bei anderen Meistern zu lernen, und mindestens vier bis sechs Jahre lang ihren Heimatbezirk nicht zu betreten. Erst mit der Aufhebung der Zünfte und neuen Gewerbeordnungen im 19. Jahrhundert erledigte sich dieser historische Zwang zur beruflichen Mobilität.

Bei den beruflichen Lehr- und Wanderjahren war nicht nur durch den technischen Stand des Verkehrswesen in jenen Zeiten, sondern auch durch soziale Spielregeln für Handwerker – und andere Angehörige unterer Schichten – die Fußreise die einzige Möglichkeit, von A nach B zu kommen. „Ein reitender Handwerksgeselle oder ein Bauer in der gemieteten „Extra-Post“ wären in der Standesgesellschaft undenkbar gewesen. Die Höhe des Pferderückens und der Radachse drückte symbolisch auch die Position in der gesellschaftlichen Hierarchie aus.“ (KASCHUBA (1991), S. 166)

Es konnten beachtliche Entfernungen sein, die die Handwerksgesellen auf ihrer Walz – wenn auch über mehrere Jahre verteilt – zurücklegten. Die geographischen Dimensionen von Handwerkerwanderungen können dabei durchaus beachtlich gewesen sein, wenn beispielsweise Maurer oder Steinmetze danach strebten, in den Dombauhütten oder auf den großen Schlossbaustellen bei den berühmtesten Baumeistern bzw. Architekten zu lernen und zu arbeiten. „Aus mitteleuropäischer Sicht umfaßte die geographische Ausdehnung handwerklicher Mobilität die deutschsprachigen Länder, die gesamte Schweiz, die flämischen und wallonischen Niederlande, Frankreich (vor allem den Westen und Paris), Italien (meist nur bis Rom), Böhmen und Mähren, Polen, das Königreich Ungarn unter Einschluß von Kroatien und Siebenbürgen, das Baltikum bis nach St. Petersburg, Dänemark und das südliche Schweden. Offensichtlich deckten sich häufig die Kommunikationsräume des Handwerks mit den Verkehrsräumen des Handels, wobei Großbritannien und die Iberische Halbinsel für die Handwerker doch eher abseits lagen.“ (ELKAR (1991), S. 57f.)

 

 

♦ Wissen: Auf der Walz (1834)

„Es war nicht nur meine Lust zum Reisen, weil ich hoffte, dadurch meine Gesundheit zu stärken, sondern es war Pflicht des jungen Handwerkers, ca. 3 Jahre ins Ausland zu reisen, ehe er in Hamburg ein selbständiges Geschäft anfangen konnte.

Ostern 1834 machte ich mich reisefertig. Mein Gepäck war nur ca. 15 Pfund schwer, mein Ränzel also nur klein. Er enthielt Rock, Hose, Weste, dann ein paar Strümpfe, 2 Hemden und einige Taschentücher. – Mein Anzug bestand aus Hose, Weste und Kittel, dann einem Paar kräftiger Schuhe, welche auf jeder Reise aushielten, und Filzhut. – Dann noch im Ränzel Witschels „Morgen- und Abendopfer“, und ein französisches Sprachenlehrbuch zum Üben auf der Reise. – In der Tasche hatte ich eine Miniaturausgabe von Seumes’s Gedichten, Auszüge aus anderen Freiheitsdichtern und Ehrenberg’s „Karakter und Bestimmung des Mannes“.

Noch eins darf ich nicht vergessen, ein kleines Album mit losen Blättern hatte ich bei mir, worin ich von meinen Freunden Sprüche zur einstigen Erinnerung an dieselben eintragen ließ, unter diesen zwei Blätter, die meine Eltern mir ins Album eingeschrieben haben, wozu ich ihnen die Umrandung nach ihrer Angabe machen mußte. – Das war mein ganzes Reisegepäck.“

Quelle: MICHAELSEN (1929), S. 39, zit. in PÖLS (1979), S. 219

 

Selbst in unseren Zeiten einer mühelosen weltweiten Kommunikation und einer Fachliteratur, die jeder Handwerker lesen kann, werden Gesellenwanderungen durchgeführt. Auch diese moderne Form unterliegt bestimmten festgelegten Regeln; so darf sich ein Geselle beispielsweise auch heute nicht auf seiner Walz dem Heimatort mehr als 50 Kilometer nähern (Confederation Europäischer Gesellenzünfte). Im Jahr 2015 wurde die Walz sogar auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland gesetzt, um eines Tages als ein Teil des nicht materiellen Kulturerbes der Welt zu gelten und ausgezeichnet zu werden.

 

 

♦ Linktipps

▶ Confederation Europäischer Gesellenzünfte

ww.cceg.eu

▶ Liste des Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland

unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe/bundesweites-verzeichnis/eintrag/handwerksgesellenwanderschaft-walz.html

Zu einer anderen großen Berufsgruppe, die über Jahrhunderte hinweg auf die Wanderung – oft auch als Fernwanderungen – angewiesen war, gehören Kaufleute und Hausierer. „Während des Früh- und Hochmittelalters waren Kaufmannstätigkeit und Reisen untrennbar miteinander verbunden. Die Notwendigkeit des Eigenhandels trieb jeden Kaufmann zur Reise. Seine Waren begleitend zog er in die Fremde, zu Märkten und Messen“ (NEUTSCH, WITTHÖFT (1991), S. 75). In jene Zeit fielen beispielsweise schon frühe Formen von Geschäftsreisen zur Frankfurter Herbstmesse; 1240 hatte Kaiser Friedrich II. mit seinem Privileg die freie Reichsstadt Frankfurt zur ersten Messestadt der Welt erhoben. Mit ihren Waren, durchaus auch Luxusgütern aus fernen Ländern, auf den Rücken von Saumtieren oder auf Fuhrwerke geladen, zogen die Händler per Pedes zu den Märkten und Messen. Im 14./15. Jahrhundert setzte es sich durch, dass die Großkaufleute in ihren Kontoren blieben und von dort die Geschäfte regelten, dafür mussten sich dann Kaufmannsgehilfe oder Frachtführer auf die beschwerliche Fußreise machen.

Zunehmend half den Kaufleuten Reiseliteratur für ihre speziellen Bedürfnisse, so genannte Routenbücher – ausgehend von handschriftlichen Tagebüchern und Geschäftskladden, die ab dem 16. Jahrhundert auch in gedruckter Form zur Verfügung standen – bis hin zu Meilenscheiben und Meilensteinen, die die Entfernungen von den Handelsstädten zu anderen Orten nannten (a. a. O., S. 76). Eine ähnliche Infrastruktur und Hilfen für Reisende gab es bereits in der Antike, doch mit dem Beginn der Neuzeit erlebt sie eine Renaissance und konnte sich entsprechend der Nachfrage auch weiter entwickeln.

Während sich die Kaufleute in der Neuzeit immer mehr von der Mühe der Fußreise verabschieden konnten und sie ihren Landverkehr mit Reit-, Zug- und Lasttieren betrieben, blieben die Hausierer als ambulante Gewerbetreibende bis ins 19. Jahrhundert und sogar noch im frühen 20. Jahrhundert weitgehend Fußgänger. Vermutlich existieren von keiner anderen Gruppe, die über die Jahrhunderte hinweg beruflich zu Fuß unterwegs war, so viele historische Abbildungen wie von den wandernden Männer mit Kiepen oder anderen Tragegestellen auf dem Rücken.

„Ganze Heerscharen in- und ausländischer Hausierer waren im 18. und 19. Jahrhundert unterwegs und brachten so ziemlich alles zu den Abnehmern, was man in Rucksäcken und Tragekisten transportieren konnte. Da läßt sich kaum abschätzen, in welchem Umfang Haushaltwaren und Arbeitsgeräte, Schmuck, Textilien, Bücher, Bilder und Geschirr in bäuerliche Haushalte gelangten.“ (GLASS (1991), S. 62) Wenn es auch verständlicherweise von diesen Wanderungen, wie von den anderen berufsbedingten der Vergangenheit, keine Zahlen gibt – wohl aber von den Personen, die als ambulante Händler registriert waren (1882 waren es im Deutschen Reich offiziell 227.617 Hausierer (a. a. O., S. 64) – so kann man doch von der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit vielen Artikeln des täglichen Bedarfs und von der Annahme, dass die Dörfer sicherlich nicht in hohem Maße an einen öffentlichen Nahverkehr angeschlossen waren, ausgehen, dass viele Hausierer unterwegs gewesen sein müssen.

Als letzte nennenswerte Gruppe, die ebenfalls aus beruflichen Gründen bzw. um in der Ferne zu lernen seit dem Mittelalter unterwegs war, gehören die Studenten und Gelehrte.

 

Literatur

ELKAR, R. S. (1991): Auf der Walz – Handwerkerreisen, in: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 57–62.

GLASS, C. (1991): Mit Gütern unterwegs. Hausierhändler im 18. und 19. Jahrhundert, in: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 62–69.

KASCHUBA, W. (1991): Die Fußreise. Von der Arbeitswanderung zur bürgerlichen Bildungswanderung. In: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 165–173.

MICHAELSEN, F. R. (1929): Die Wanderjahre des hamburgischen Schneidergesellen Friedrich Rudolph Michaelsen 1834–1839. In: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter, 4. Jg. 1929. Zit. in: PÖLS, W. (Hrsg.) (1979, 3. Aufl.): Deutsche Sozialgeschichte 1815–1870. Dokumente und Skizzen, C. H. Beck, München.

NEUTSCH, C., WITTHÖFT, H. (1991): Kaufleute zwischen Markt und Messe, in: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 75–82.

OHLER, N. (1986): Reisen im Mittelalter, Artemis, München.

1.2 Historische Formen des Wanderns ohne geschäftliche Gründe

1.2.1 Pilgern auf dem Jakobsweg

Der vermutlich älteste schriftlich überlieferte Aufruf zu Fernwanderung und zum Pilgern dürften die Bibelverse Markus 10, 29–30 sein: „Jesus sprach: Wahrlich ich sage euch: Niemand verläßt um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus, Bruder, Schwester, Mutter, Vater, Kind oder Acker, ohne dass er alles hundertfach wiedererhält: schon jetzt in dieser Welt […] und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ Doch erst im Mittelalter kommt die Pilgerfahrt – natürlich weitestgehend zu Fuß – in größerem Stil auf. Zuerst ist das Heilige Land mit dem Grab Christi Pilgerziel Nummer 1, doch 1291 nach der Eroberung durch die Mameluken wird diese Region für christliche Pilger eine unerreichbare, und man sucht neue Ziele in relativer „Nähe“, d. h. in Europa. Dabei rücken die Apostelgräber in den Blickwinkel der Pilger, die Gräber von Petrus und Paulus in Rom und am westlichen „Ende der Welt“ dasjenige des hl. Jakobus in Santiago de Compostela.

So entwickelt sich seit dem 11./12. Jahrhundert mit dem Jakobsweg ein ausgedehntes Wegenetz in Europa, dessen Wege sich zunehmend bündeln, um dann in einem Hauptweg ab Puente la Reina nach Santiago de Compostela zu führen. Auch eine Infrastruktur für die Fernwanderer entsteht bereits in jener Zeit, wie zum Beispiel die Hospize am Somport-Pass oder das Hospiz von Roncesvalles.

Die mittelalterliche Pilgerfahrt war bereits ein Massenphänomen. „Über das Zusammenströmen riesiger Pilgermassen an den großen Pilgerzentren des Abendlands, aber auch an kleineren, plötzlich in Mode gekommenen Gnadenorten nennen uns die zeitgenössischen Quellen Zahlen, die kaum glaubhaft erscheinen würden, wenn sie nicht häufig in ganz unverdächtigen Überlieferungszusammenhängen stünden.“ (PLÖTZ (2003), S. 24) OHLER (1986, S. 285) schätzt, dass auf dem Camino de Santiago, d. h. der spanischen Hauptroute, jährlich zwischen 200.000 und 500.000 Menschen pilgerten.

Wohl niemand nahm in jener Zeit die Mühsal und Gefahren einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg auf sich, „nur“ zur Selbstfindung oder als sportliche Herausforderung – wie die heutigen Motive für viele sein mögen. Im Mittelalter begab man sich vor allem aus folgenden Gründen auf den gefährlichen Weg, von dem die Rückkehr in die Heimat keinesfalls sicher war: Häufig war ein Gelübde der Anlass; rettete der angerufene Heilige einen Bedrängten aus seiner schweren Not, zum Beispiel einem Schiffbruch oder schlimmen Krankheit, versprach man bei Rettung eine Pilgerfahrt als Dank. „Nach Santiago geht man oft auch (…) zur Buße und Sühne, sei es aus eigenem Antrieb, weil man sich von einer besonders schweren Sünde reinigen will, sei es durch kirchen- und zivilrechtliche Sanktionen. Besonders in den Niederlanden und Deutschland waren Strafpilgerfahrten für bestimmte verbrechen üblich.“ (CAUCCI VON SAUKEN (2003), S. 92) Für schwerste Verbrechen wurde man zum weitesten Pilgerweg verdammt. Aber manche gingen auch als bezahlte Wanderer, als so genannte Delegationspilger, auf den Jakobsweg. Anfang des 15. Jahrhunderts konnte man als Lohn für diese Tour als Stellvertreter eines „verhinderten“ Pilgers fünf Goldstücke erhalten, von denen man sich in jener Zeit einen Ochsen oder zwanzig Schafe hätte kaufen können (vgl. a. a. O., S. 94).

Ein Motiv, das damals wie heute manchen zur Pilgerreise veranlasste, war der vorrübergehende Ausstieg aus dem Alltag. Reiseberichte und Tagebücher aus dem Mittelalter überliefern, dass sich auch Entdeckerfreude und Neugier mit Frömmigkeit paaren konnten. Mit der Pilgerfahrt ist der Aspekt der Barmherzigkeit eng verbunden und stellt einen grundlegenden Wert dar. Das bedeutete/bedeutet auch heute noch, dass Hospitäler, Hospize und andere Hilfseinrichtungen an allen Pilgerwegen entstanden. Hinzu kam auch die persönliche Barmherzigkeit eines jeden gegenüber Armen und Bedürftigen. Darunter fielen die Pilger, die mittellos auf die Reise gingen. Sie trugen als Wandergepäck nur eine Pilgertasche, einen engen und oben immer offenen Beutel. Hinter dieser Form verbarg sich zum einen, dass man nur mit dem Allernötigsten, mit kleinsten Vorräten unterwegs war – und für Weiteres auf den Herrn vertraute; zum anderen symbolisierte der fehlende Verschluss, dass immer man zum Nehmen und Geben bereit war.

Von unzähligen Faktoren hing es ab, wie lange man auf dem Jakobsweg unterwegs war, denn schließlich gehörte zum Ankommen in Santiago de Compostela auch noch der Rückweg zu Fuß oder, wenn man aus dem Norden Europas aufgebrochen war, dazu noch eine Schiffsreise. Wenn die Reise im niederländischen oder westdeutschen Raum begann, benötigte man wohl im besten Falle rund sechs Monate für Hin- und Rückweg. Ein Strafpilger aus Antwerpen ist überliefert, der 1403 dies in der Hälfte der Zeit schaffte, ein anderer nahm sich da entschieden mehr Zeit: Seine Büßertour dauerte von 1425 bis 1437.

Der Sprung in die Gegenwart: 1987 erklärt der Europarat die Jakobswege, d. h. das Wegegeflecht, das sich durch den Kontinent zieht, zur ersten Europäischen Kulturstraße. 1993 wird die spanische „Zielgerade“ des Camino de Santiago von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Dabei handelt es sich um den letzten, immerhin noch knapp 700 Kilometer langen Abschnitt, in dem sich die beiden aus Frankreich kommenden Wege – von Roncesvalles über den Valcarlos Pass und von Canfranc über den Somport Pass – zwischen Pamplona und Puente la Reina zu einem Hauptweg vereinen.

 

Linktipps

▶ Camino de Santiago auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste

– spanischer Teil des Jakobswegs als Weltkulturerbe

 whc.unesco.org/en/list/669

– französische Abschnitte des Jakobswegs als Weltkulturerbe

 whc.unesco.org/en/list/868

 

Das aktuelle Pilgern wird in → Kap. 7.8 behandelt.

 

Literatur

CAUCCI VON SAUKEN, P. (2003): Leben und Bedeutung der Pilgerfahrt. In: CAUCCI VON SAUKEN, P. (Hrsg.): Santiago de Compostela. Pilgerwege. Weltbild, Augsburg, S. 91–114.

PLÖTZ, R. (2003): Pilgerfahrt zum heiligen Jakobus. In: CAUCCI VON SAUKEN, P. (Hrsg.): Santiago de Compostela. Pilgerwege. Weltbild, Augsburg, S. 17–37.

1.2.2 Natur als ästhetischer Genuss

Um die Natur oder eine Landschaft nicht nur mit den Augen eines Bauern, eines Handwerkergesellen auf der Walz, eines seine nächste Schlachtordnung entwickelnden Feldherrn oder eines an seine Staatskasse denkenden Fürsten zu sehen, brauchte das christliche Abendland sehr viele Jahrhunderte. Die Natur als „schön“ zu beurteilen, ihr auch eine ästhetische Dimension zuzugestehen, solch revolutionäre Gedanken kommen erstmals im 18. Jahrhundert auf.

Es ist die Zeit, in der der europäische Adel sich verstärkt zum Freizeitvergnügen in der Natur aufhält, ihr näher kommt als vom Pferderücken, den gepolsterten Sitzen einer offenen Kutsche oder den abgezählten Schritten durch das Gartenparterre oder die Laubengänge eines Schlossparks. Man nähert sich der Natur noch mehr. Die vornehmen Damen in ihren Seidenkleidern sitzen mitten im Gras, es wird musiziert, erzählt und gespielt, wie es beispielsweise die Gemälde von Jean-Antoine Watteau (1684–1721) zeigen. Schäferspiele kommen in Mode. Modern gesprochen: Der Aufenthalt im Grünen bekommt erstmals einen Spaßfaktor. Die berühmte Aufforderung „Zurück zur Natur“, die Jean Jacques Rousseau (1712–1778) zugeschrieben wird, gehört zur Zivilisationskritik des 18. Jahrhunderts.

In der Wahrnehmung der Alpen lässt sich verfolgen, dass die frühen Wanderer und Reisenden in Kutschen und Sänften, die angesichts des gruseligen Ausblicks lieber die Vorhänge zugezogen hatten, noch keinen Sinn für die Schönheit der Hochgebirgslandschaft besaßen. Noch im 19. Jahrhundert ist man zweigespalten, bzw. unterscheidet klar zwischen dem „Wechsel hier von angenehmen, landschaftlichen Parthien mit den entsetzlichsten Wildnissen.“ (ZSCHOKKE (1842), S. 62)

 

♦ Wissen: Auf dem Weg zum Gotthardpass (1842)

„Ringsum steigen die Berge der Schöllenen senkrecht, glatt und kahl in grausenhafter Nacktheit empor; schwarze Mauer 100–1000 Fuß hoch. Man wandelt wie auf dem tiefen Boden eines ungeheuern Felsenkessels, oder vielmehr an einer Rippe desselben, längs welchem die Straße sich, unter überhangendem Gestein, über jähen Abhängen fortwindet. Oft scheint der Ausweg zu fehlen; und wenn er wieder erscheint, öffnet er nur die Aussicht in noch furchtbarere Wüstenei. Man erblickt den Strom der Reuß, statt tief unter den Füßen, vor sich oben. […]

Der Ausweg vom Thal der Schrecken droht Eingang eines noch grauenvollern Schauspiels zu werden. Und die der Wanderer, nach etwa hundert Schritten, aus der Dämmerung des Urnerlochs an’s Licht des Tages hervortritt, umfängt ihn eine neue Welt. Ein geräumiges, ebenes Wiesenthal, von grünen Bergen umfangen, liegt träumerisch vor ihm da“

Quelle: ZSCHOKKE (1842), S. 63

 

Doch die Entdeckung der Schönheit der Alpenlandschaft und die erste erfolgreiche Werbung darf man dem Mediziner und Botaniker Albrecht von Haller (1708–1777) zuschreiben. 1728 war der junge Mann mit dem Naturforscher Johannes Gessner quer durch die Schweiz gewandert und hatte Pflanzen gesammelt. Doch er muss den Blick nicht nur auf den Boden geworfen haben, die Schönheit der Hochgebirgslandschaft außerhalb der Botanik ist ihm ebenso aufgefallen. In seinem Gedicht „Die Alpen“, erschienen 1732, schwärmt er von der Schönheit der Natur und fügt für den Leser gleich naturkundliche Informationen hinzu. Dieses 25 Seiten umfassende Gedicht wurde in alle europäischen Sprachen übersetzt und erlebte bereits zu Hallers Lebzeiten 30 Auflagen. Neben den Frühformen von Reiseliteratur konnte im 18. Jahrhundert ein solches Gedicht Reise-, korrekter Wanderbewegungen, auslösen. Gleiches gilt auch für Rousseaus 1761 erschienenen Liebesroman „ Julie oder die neue Héloise – Geschichte zweier Liebender am Fuße der Alpen“, der, wie ein Zeitzeuge beobachtete, Fremdenströme auslöste, an „die heiligen Orte der Héloise von Rousseau, wohin jetzt alle Fremden von Lausanne aus wallfahrten und wo sich besonders Engländer mit der ‚Héloise‘ in der Hand wochenlang aufhalten.“ (KNOLL (2006), S. 79)

Die Engländer als Pioniere und Weltmeister des Reisens im 18./19. Jahrhundert waren auch die Ersten, die en gros die Schönheit von Natur zu schätzen wussten und diese in anderen Landschaften als auf ihrer Insel und entfernteren Ländern suchten. Ihre bewusste Annäherung an die Natur lässt sich in der Erfindung und Gestaltung des Englischen Landschaftsparks (→ Kap. 1.2.3) ausmachen, aber natürlich auch in ihrem Reiseverhalten.

Auch wenn die Engländer maßgeblich Trends in der Landschaftswahrnehmung und dem Tourismus gesetzt haben, wie es auch am Beispiel der Reisen durch das Rheintal im Geist der Rheinromantik zu beobachten ist, soll jedoch am Beispiel deutschsprachiger Reisender dieser Wandel angedeutet werden. Als Zeitzeuge dient Friedrich Schlegel, der seine Eindrücke in den 1805 erschienenen „Köln und Rheinfahrt. Briefe auf einer Reise“ schildert: „Bei dem freundlichen Bonn fängt die eigentlich schöne Rheingegend an; eine reich geschmückte breite Flur, die sich wie eine große Schlucht zwischen Hügeln und Bergen eine Tagesreise lang hinaufzieht bis an den Einfluß der Mosel bei Koblenz; von da bis St. Goar und Bingen wird das Tal immer enger, die Felsen schroffer und die Gegend wilder; und hier ist der Rhein am schönsten. Überall belebt durch die geschäftigen Ufer, immer neu durch die Windungen des Stroms, und bedeutend verziert durch die kühnen, am Abhange hervorragenden Bruchstücke alter Burgen, scheint diese Gegend mehr ein in sich geschlossenes Gemälde zu überlegtes Kunstwerk eines bildenden Geistes zu sein, als einer Hervorbringung des Zufalls zu gleichen.“ (SCHNEIDER (1983), S. 105)

Weitgehend frei vom romantisch inspirierten Blick auf die Landschaft des Rheintals war dagegen noch Georg Forster, der 1790 im Mittelrheintal zu Fuß und per Segelschiff unterwegs war. Auf den Gedanken, die Natur- und Kulturlandschaft des Mittelrheintals für ein sorgfältig gestaltetes Gemälde zu halten, kam der Naturforscher und Reiseschriftsteller nicht! „Für die Nacktheit des verengten Rheinufers unterhalb Bingen erhält der Landschaftskenner keine Entschädigung. […] Einige Stellen sind wild genug, um eine finstre Phantasie mit Orkusbildern zu nähren, selbst die Lage der Städtchen, die eingeengt sind zwischen den senkrechten Wänden des Schiefergebirges und dem Bette des furchtbaren Flusses, – furchtbar wird er, wenn er von geschmolzenem Alpenschnee oder von anhaltenden Regengüssen anschwillt – ist melancholisch und schauderhaft.“ (a. a. O., S. 72)

Dass Landschaften schön und malerisch – vielleicht zeitgemäßer ausgedrückt: fotogen – sein können und allemal diejenigen, in denen sich Tourismus abspielt, auch ästhetische Erwartungen zu erfüllen haben, bezweifelt heute niemand mehr. Auch durch das von Forster noch so negativ beschriebene obere Mittelrheintal, das es 2002 immerhin zum Weltkulturerbe der UNESCO gebracht hat, ziehen sich durch die Hänge viel begangene Fernwanderwege, zum Beispiel der zu den Top Trails of Germany gehörende Rheinsteig auf dem rechten und der Rheinburgenweg auf dem linken Ufer. Welche Landschaften Wanderer heutzutage in Deutschland besonders schätzen, verrät → Kap. 3.1.1.

 

Literatur

FORSTER, G. (1791): Ansichten vom Niederrhein. In: SCHNEIDER, H. (Hrsg.) (1983): Der Rhein. Seine poetische Geschichte in Texten und Bildern. Insel, Frankfurt, S. 67–86.

KNOLL, G. M. (2006): Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Primus, Darmstadt.

OPPENHEIM, R. (1977): Die Entdeckung der Alpen. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt.

STEINECKE, A. (2010): Populäre Irrtümer über Reisen und Tourismus. Oldenbourg, München, S. 97–108.

SCHLEGEL, F. (1805): Köln und Rheinfahrt. Briefe auf einer Reise. In: SCHNEIDER, H. (Hrsg.) (1983): Der Rhein. Seine poetische Geschichte in Texten und Bildern. Insel, Frankfurt, S. 87–115.

ZSCHOKKE, H. (1842) Die klassischen Stellen der Schweiz und deren Hauptorte. Kunst-Verlag, Karlsruhe, Leipzig, Nachdruck Harenberg, Dortmund 1978.

 

 

♦ Website

▶ Der Universalgelehrte und Entdecker der Schönheit der Alpen

 www.albrecht-von-haller.ch/d/index.php

1.2.3 Der Spaziergang: anfangs ein fast revolutionäres, emanzipatorisches Sonntagsvergnügen

Der „kleine Bruder“ der Wanderung, der Spaziergang ist eine ziemlich junge „Erfindung“. So selbstverständlich und gewöhnlich uns heute ein Spaziergang in unserem Alltag erscheinen mag, so sollte man sich jedoch davor hüten, ihn deswegen als eine „schon immer“ praktizierte Fortbewegungsart und Beschäftigung in der Freizeit zu betrachten! Da stellt sich schon die Frage, wer denn die Zeit für solch eine unproduktive Betätigung gehabt hätte? Wem wäre es in den Sinn gekommen, ein Vergnügen einfach nur in dieser wenig spektakulären Bewegung zu sehen?

Trotzdem gibt es Frühformen des Spaziergangs in der europäischen Geschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Eine der Wurzeln des modernen Spaziergangs liegt im Siegeszug der Trinkkur, der in jene Zeit fällt. Die Promenade im Badeort, mit dem Trinkbecher in der Hand, um das heilende Wasser in kleinen Schlückchen während des Gehens zu trinken, war Teil der medizinischen Indikation. Doch die gemächliche Bewegung wurde nur dafür verordnet, um die Mineralien besser aufzunehmen, mehr Kontakt mit der Natur als in einem gepflegten Kurpark, wenn man schon den schützenden Raum einer Brunnenkolonade verlassen hatte, war nicht vorgesehen. Doch dieses Flanieren mit dem Becher im Kurbad gehört mit zu den Vorläufern des Sonntagsspaziergangs des Bürgers und seiner Familie.

Eine andere Wurzel des heutigen Spaziergangs lässt sich mit dem Lustwandeln im Schlossgarten oder Schlosspark ausmachen. Hier wird schon durch die angedeuteten Orte klar, dass es sich um eine herrschaftliche Freizeitbeschäftigung gehandelt hat. Wenn auch das Erleben des repräsentativsten Teils einer Gartenanlage mit den kunstvoll gestalteten Beeten vor dem Hauptgebäude des Schlosses von der Beletage im ersten Stock oder der Schlossterrasse vorgesehen war, so gibt es doch Elemente in der barocken Gartenarchitektur, die einen Spaziergang voraussetzen. Dazu gehören beispielsweise die Laubengänge oder Boskette – Wäldchen, die als grüne Räume mit hohen beschnittenen Hecken zwischen den Bäumen zum Spazieren und Verweilen einladen.

Noch stärker wird der Besucher im englischen Landschaftsgarten oder Landschaftspark, der nachfolgenden Gartenmode zur Fortbewegung per Pedes motiviert. Nur durch das Spazierengehen in ihm lässt sich das Konzept seines Schöpfers vollständig nachvollziehen und seine Blickachsen und Blickpunkte erleben. Eine schöne Aussicht wird zu einem wesentlichen Teil des Naturgenusses. Die Natur – auch wenn sie in diesem Fall nicht ganz so natürlich ist wie sie scheint, sondern eine gut arrangierte Komposition eines Gartenarchitekten ist – erhält damit ästhetische Werte. „Natur an sich ist schön“, diese Sichtweise (→ Kap. 1.2.2) hatte erst im 18. Jahrhundert begonnen sich zu entwickeln und damit neben der materiellen Nutzung der Landschaft nun auch einer kontemplativen Nutzung Gelegenheit zu geben.

„Herrschaftliche Gärten, wie etwa in Hohenheim, standen dem bürgerlichen Reisenden zwar nach Anmeldung offen, doch noch war der Spaziergang keine öffentliche Inszenierung bürgerlichen Wohlstands und freier Zeit. Mit der Form des Landschaftsgartens als Modell eines liberalen Natur- und Gesellschaftsbildes war die äußere, mit der bürgerlichen Individuation die innere Voraussetzung geschaffen, um Natur zu genießen.“ (KÖNIG (1996), S. 14) Da stecken doch in dem von manchen als spießig verschrieenen Sonntagsspaziergang eine kleine Kulturrevolution und bemerkenswerte emanzipatorische Aspekte! Indem sich der Bürger des späten 18. Jahrhunderts herausgeputzt im Sonntagsstaat mit seiner Familie auf den Weg macht, ahmt er selbstbewusst herrschaftliches Freizeitverhalten nach und liegt in seinem Naturverständnis noch an der Spitze eines neuen Trends. Der Stadtbewohner, der in seinem beruflichen Alltag eher weniger mit der Natur verbunden ist, entdeckt um 1800 die nähere Umgebung, seine Heimat, die er mit Ausflügen, Picknicks, Landpartien und Spaziergängen erkundet (vgl. a. a. O., S. 15).

In der heutigen Wanderforschung wie -praxis ist der Spaziergang ebenso ein Thema; man unterscheidet dabei zwischen zwei Varianten der kürzeren Fußtour, dem „urbanen Spazierbummeln“ und dem „Spazierwandern“. Wanderexperte Brämer definiert Spazierwandern als „wanderähnliche Spaziergänge von im Schnitt etwa 2 h Dauer und 5 km Länge – mit einer Spanne von 3 bis 7 km bei fließendem Übergang. […] Damit grenzt sich Spazierwandern eindeutig vom urbanen Spazierbummeln, aber auch vom rustikalen Wandern ab. Die Strecke entspricht gerade noch der lockeren Vorstellung vom Spazieren, eine vorzugsweise naturnahe Strecke vermittelt eine gewisse Wanderatmosphäre.“ (wanderforschung.de, 4/2015, S. 11) Hintergründiges und Praxisorientiertes zum aktuellen Spazierwandern bietet das → Kap. 2.1.

 

Literatur

BRÄMER, R. (2015): Spazierwandern. Das kleine Wandererlebnis zwischendurch. Oder: Die anspruchsvolle Alternative für Spaziergänger. Wanden als Natur- und Selbsterfahrung. Wanderforschung.de 4/2015

BUTTLAR, A. v. (1989): Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. DuMont Buchverlag, Köln.

KÖNIG, G. M. (1996): Eine Kulturgeschichte des Spaziergangs. Spuren einer bürgerlichen Praktik 1780–1850. Böhlau. Kulturstudien, Sonderband 20, Wien/Köln/Weimar.

UERSCHELN, G.; KALUSOK, M. (2001) Kleines Wörterbuch der europäischen Gartenkunst. Reclam, Stuttgart.

1.3 „Aus grauer Städte Mauern“ vor allem in die Berge – Wandern als neue Freizeitbeschäftigung für Bürger wie Arbeiter und als Protest der Jugend

Gründerzeit, industrielle Entwicklung, Landflucht, beengte und ungesunde Wohn- und Lebensbedingungen in der Stadt, Arbeitszeiten von zwölf Stunden und mehr an sechs Tagen die Woche etc. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert und dem Beginn des 20. Jahrhunderts wird der Drang hinaus in die Natur in der arbeitsfreien Zeit erstmals zu einer Massenbewegung. Doch von einem gemeinsamen „demokratischen“ Strom ins Grüne kann keine Rede sein: Bürger und Arbeiter suchen getrennt ihre kurzzeitige Erholung in der Natur, selbst die Trennung der Geschlechter in unterschiedlichen Vereinen gehört oftmals noch dazu. Junge Wanderfreunde schließen sich auch lieber mit Gleichgesinnten ihrer Altersgruppe zusammen.

Die Gattung der Wanderlieder, die schon von der romantischen Naturschwärmerei unter freiem Himmel profitierte, bekam nun ihre über Generationen bekannten – heute eher auf einer roten Liste stehenden – zur Allgemeinbildung gehörenden Lieder, wie zum Beispiel „Aus grauer Städte Mauern ziehen wir durch Feld und Wald“, „Wenn die bunten Fahnen wehen“ oder „Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen, steigen dem Gipfelkreuz zu“. Beim Wandern oder abends am Lagerfeuer gesungen zur Klampfe alias Gitarre waren sie fester Teil der Wanderkultur und der damit verbundenen Geselligkeit.

In dieser Pionierzeit der Wander- und Bergvereine im späten 19. Jahrhundert entstehen bereits die Wanderunterkünfte der „ersten Generation“ und die ersten Wander- und sogar ausgewiesenen Fernwanderwege. Aus den Anfängen des Schulwanderns geht 1909 in Deutschland die Idee der Jugendherbergen hervor.

1.3.1 Die Alpenvereine

Der erste Alpenverein wurde fern der Alpen gegründet; bedenkt man jedoch, dass die Briten die Weltmeister des Reisens im 19. Jahrhundert waren, ist es wiederum nicht verwunderlich, dass man 22. Dezember 1857 in London mit dem Alpine Club den ersten Bergsteigerverein der Welt aus der Taufe hob. Wer – natürlich nur männlichen Geschlechts – eine respektable Liste von Bergbesteigungen aufzuweisen hatte, konnte in den exklusiven Kreis aufgenommen werden. Damen konnten wegen ihrer geschlechtsbedingten physischen und psychischen „Defizite“ in diesen Kreis nicht aufgenommen werden. Daraufhin gründeten die Damen, darunter auch Ehefrauen von Herren des Alpine Clubs, 1907 natürlich auch in London den Ladies’ Alpine Club. Erst im Jahre 1975 waren die bergsteigenden Herren mental soweit, dass sie auch gipfelstürmende Damen in ihren Verein aufnehmen konnten; es hatte sich nun eine Mehrheit für eine Vereinigung des Ladies’ Alpine Club mit dem Alpine Club gefunden.

Die Absicht dieser Vereinsgründung war es, den Mitgliedern einen geeigneten Ort für Zusammenkünfte zu geben, wo sie sich zur Vorbereitung schwierigerer Bergtouren treffen und austauschen, sowie Karten und Bücher aus der im Aufbau befindlichen Vereinsbibliothek zurate ziehen konnten. „The members will occasionally dine together at their own expense, but the funds of the Club will be made available when on suitable occasions the Club is favoured by the presence of geographical explorers, or by that of other guests of celebrity. First circular concerning the Alpine Club, 1857.“ ( www.alpine-club.org.uk/alpineclub/ objectives.htm) Aus nachvollziehbaren praktischen Gründen wählte der Alpine Club anfangs Hotels zu seinem Vereinssitz.

In den Anrainerstaaten der Alpen begann ab den 1860er Jahren die fällige Gründungswelle: 1862 entstand der Österreichische Alpenverein, 1863 folgten der Schweizer Alpen-Club und der Club Alpino Italiano (noch unter dem Namen Club Alpino di Torino), 1869 der Deutsche Alpenverein und 1874 der Club Alpin Français. 1902 bildete sich jenseits des Großen Teichs der American Alpine Club.

Die drei Studenten Paul Grohmann, Edmund von Mojsisovics und Guido von Sommaruga gründeten 1862 in der Akademie der Wissenschaften in Wien den Österreichischen Alpenverein. Ort und Name der Beteiligten deuten schon an, dass es kein Verein für „Jedermann“ sein sollte. Man verstand sich jedoch als ein vielseitiger Kulturverein, der die Erforschung des Alpenraums, seine Kartierung, das Sammeln wissenschaftlicher Literatur über das Hochgebirge zu seinen wichtigsten Arbeitsgebieten erklärt hatte. In dieses Konzept gehörten auch die Weiterbildung der Mitglieder in Wien durch wissenschaftliche Vorträge, das Herausgeben von Jahrbüchern, Mitteilungen sowie topographischer Karten und schließlich auch die Gründung eines Museums.

Die Aktivitäten der Wiener Akademiker gingen zahlreichen österreichischen Bergfreunden an ihren mehr praktisch orientierten Interessen vorbei und sie gründeten gemeinsam mit deutschen Bergsteigern 1869 in München den Deutschen Alpenverein. Dieser schrieb sich die touristische Erschließung „Deutschen Alpen“ – sprich: der Ostalpen – auf die Fahnen. Die praktische Arbeit im Hochgebirge leisteten die Sektionen des DAV, die sich in den Städten des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns schnell gründeten. Im ersten Jahr entstanden Sektionen neben München beispielsweise in Frankfurt, Leipzig, Heidelberg, Salzburg, Innsbruck und Bozen. Die Sektionen engagierten sich im Wege- und Hüttenbau, bildeten Bergführer aus und setzten sich für die Belange der lokalen Bevölkerung in den Alpen ein (vgl. http://www.alpenverein.de/der-dav/geschichte-des-dav_aid_12067.html). Unverkennbares Zeichen des Engagements der Alpenvereinssektionen sind bis heute viele Berghütten mit Städtenamen, wie zum Beispiel die Bremer Hütte oder das Kölner Haus.

Für die Schweizer Bergfreunde war die Förderung der wissenschaftlichen und topographischen Erschließung ihrer Alpen Anlass, 1863 in Olten den Schweizer Alpen-Club zu gründen. Bewusst stellte man sich damit in einen Gegensatz zum Alpine Club in London, dem die sportliche Leistung der Gipfelbesteigungen vorrangig war (vgl. Perfahl (1984), S. 82). Einigkeit herrschte doch über den Ausschluss des weiblichen Geschlechts aus dem Verein: Sogar erst 1979 schaffte Mann die Vereinigung mit dem 1918 gegründeten Swiss Ladies’ Alpine Club!

Am Beispiel des 1874 gegründeten Club Alpin Français, der seit 2004 der traditionsreichste Teil der FFCAM (Fédération française des clubs alpins et de montagne) ist, lässt sich deutlich ablesen, dass sich ein Alpenverein heute nicht mehr ausschließlich für die Interessen von Bergsteigerinnen und Bergsteigern einsetzt, sondern das gesamte Spektrum der sportlichen Aktivitäten und des Naturerlebnisses im Alpenraum zum Arbeitsfeld erklärt. Alle Variationen des Wanderns, selbstverständlich für alle Zielgruppen – ohne Unterschied von Geschlecht, Alter und Bildung, wenn man die Anfänge der Alpenvereine betrachtet (!) – stehen heutzutage in ihrem Fokus.

 

♦ Literatur

OPPENHEIM, R. (1974): Die Entdeckung der Alpen. Verlag Huber Frauenfeld, Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg, Frankfurt.

PERFAHL, J. (1984): Kleine Chronik des Alpinismus – im Zusammenwirken mit dem Deutschen Alpenverein. Rosenheimer, Rosenheim.

 

 

♦ Websites

▶ Alpine Club

 www.alpine-club.org.uk

▶ Deutscher Alpenverein

 www.alpenverein.de

▶ Fédération française des clubs alpins et de montagne

 www.ffcam.fr/ Club Alpin Français

 www.ffcam.fr/qui_sommes_nous.html#.VVmVA_BODg0

Club Alpino Italiano

 www.cai.it

Österreichischer Alpenverein

 www.alpenverein.at/portal

Schweizer Alpen-Club

 www.sac-cas.ch

1.3.2 Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘

Gleichberechtigung bei der Möglichkeit, sich in der Natur zu erholen und von Vergünstigungen für Vereinsmitglieder zu profitieren, war Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht angesagt. Arbeiterinnen und Arbeiter nahmen die damals existierenden Wander-, Berg- und Sportvereine nicht auf. Dies motivierte im März 1895 in Wien den Sozialisten und Lehrer Georg Schmiedl dazu, in der „Arbeiterzeitung“ einen Aufruf zu starten, um Gleichgesinnte zur Gründung einer „touristischen Gruppe“ zu finden. Zu Schmiedl kamen der Metallarbeiter Alois Rohrauer, sein Sohn Josef (Student phil.) und der Student Karl Renner (später Staatskanzler und Bundespräsident Österreichs) hinzu. Im September 1895 gründen daraufhin 185 Männer und Frauen in Wien den Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘.

Es ging ihnen darum, das Recht des freien Zugangs zur Natur gegen die bürgerlich-privaten Interessen von Großgrundbesitzern durchzusetzen, die Natur als Quelle der Erholung zu erkunden und sich anzueignen, gemeinsam zusammenzutreffen, sich fortzubilden und Aktivitäten zu organisieren (vgl. Websites der österreichischen und deutschen Naturfreunde). 1906 beschloss die Ortsgruppe Graz, den Gruß „Berg frei“ zum Gruß der steirischen Naturfreunde zu machen, der dann vom gesamten Verein übernommen wurde und bis heute üblich ist. „Der kämpferische Gruß ist Ausdruck der Forderung nach dem Recht auf Freizeit in den Bergen nicht nur für Adel und Bürgertum“ (http://www.naturfreunde.de/cms/de/1_NaturFreunde/inhalte/1_Die_Organisation/index.php?channel=channel_1&Kennung=6593e02939c59db496f5ceed3a7ca36f&LN=4026&OF=de&PF=1926).

Im August 1905 wurde mit der 42. Ortsgruppe in München der deutsche Zweig des Vereins gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gesamtverein fast 9.000 Mitglieder und darunter – revolutionär verglichen mit den Alpenvereinen – auch einen Frauenanteil von 15 %! Mit dem Bau von Hütten und Wanderheimen begann man ebenfalls: 1907 wurde das erste österreichische Naturfreundehaus auf dem Padasterjoch (2232 m NN) in den Stubaier Alpen (Tirol) eröffnet, 1911 das erste in Deutschland, das die Hamburger Naturfreunde am Rand der Lüneburger Heide erbaut hatten.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Aktivitäten der österreichischen Naturfreunde zum freien Zugang zur Natur von ersten großen Erfolgen gekrönt, denn in einigen Bundesländern Österreichs wurde das freie Wegerecht in den Bergen gesetzlich verankert. Die freie Begehbarkeit des Waldes sollte erst 1975 festgeschrieben werden. Ihrer Zeit weit voraus waren die Naturfreunde 1910, als sie den Naturschutz als Vereinsziel in ihre Statuten aufnahmen. Die Möglichkeiten, Skilaufen und Bergsteigen zu lernen, gab es für die Mitglieder ebenfalls ab 1905 bzw. 1918.

Die Nationalsozialisten verboten 1933 den Touristenverein Die Naturfreunde aus politischen Gründen. Bei der Gelegenheit beschlagnahmten sie auch die 428 Hütten und Häuser des Vereins und übertrugen die Gebäude linientreuen faschistischen Vereinen. 1945 begannen die Naturfreunde mit dem Wiederaufbau ihres Vereins; 1950 wurde aus dem Gesamtverein die Naturfreunde Internationale (NFI), die sich aus selbständigen Landesverbänden zusammensetzt.

 

♦ Websites

▶ Naturfreunde Österreich

 www.naturfreunde.at

▶ Naturfreunde Deutschland

www.naturfreunde.de

1.3.3 Wandernde Jugend

Unabhängig von Erwachsenen entdeckten an der Wende zum 20. Jahrhundert auch Jugendliche den Aufenthalt in der Natur während der knappen Freizeit und das Wandern. Der besondere Reiz lag darin, Wanderfahrten zu organisieren, an denen keine Erwachsenen beteiligt waren, und die Freiheit auszukosten, sich nur in einer Gruppe von mehr oder weniger Gleichaltrigen zu bewegen. Aber es ging auch um Kritik am Großstadtleben und um die Entfernung bzw. Entfremdung von der Natur. 1901 gründeten junge Männer in einem Hinterzimmer des Steglitzer Rathauses den „Wandervogel-Ausschuss für Schülerfahrten e. V.“. Vom damaligen Berliner Stadtrand aus dehnte sich die Wandervogelbewegung in ganz Deutschland aus.

„Sie wurde Hauptbestandteil einer sich am Anfang des Jahrhunderts im Kaiserreich herausbildenden eigenständigen Jugendbewegung, die eine von der älteren Generation unabhängige, jugendspezifische Lebensform anstrebte. Ab 1904 bildeten sich über das ganze Deutsche Reich verbreitet verschiedene Wandervogel-Bünde, die sich 1913 zum Wandervogel e. V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Erstmals war es mit dem Zusammenschluss nicht nur männlichen Gymnasiasten, sondern auch Mädchen und Volksschülern erlaubt, als Wandervogel den Lebensstil der Bewegung mit Wanderfahrten, Lagerleben, Volkstanz und -musik zu führen.“ (https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltag/wandervogel/)

Doch auch unter der Führung von Erwachsenen gingen die ersten Jugend- bzw. Kindergruppen auf „Wanderfahrt“ – korrekter: Fußtour. Das größte organisatorische Problem war für solche Unternehmungen damals die Übernachtung. Erste Ansätze gab es zwar schon in einigen Regionen, wie zum Beispiel die Studenten- und Schülerherbergen, die der Fabrikant Guido Rotter im Sudetenland 1884 initiiert hatte. Diese Herbergen standen aber nur männlichen Studenten und höheren Schülern ab dem 16. Lebensjahr offen (vgl. HARTUNG (1959), S. 10)! 1889 riefen Bergwanderer bzw. Bergsteiger die Einrichtung der „Schüler- und Studentenherbergen des Deutsch- und Österreichischen Alpenvereins“ ins Leben. Auch andere Gebirgsvereine begannen, speziell für - männliche – Jugendliche, preiswerte Unterkünfte anzubieten.

Im August 1909 hatte der Lehrer Richard Schirrmann, der mit seiner Schulklasse eine achttägige Schulwanderung vom westfälischen Altena nach Aachen unternahm, die Idee für ein günstiges Quartier, die von einem Unwetter befördert wurde. Das übliche Quartier – eine Scheune – konnte er an jenem Abend nicht finden, wohl aber eine wegen der Schulferien leer stehende Dorfschule im Bröltal (Rhein-Sieg-Kreis), in die er schließlich Stroh bringen ließ. Aus dieser einfachen Unterkunft für seine Wandergruppe entwickelte er die „Volksschülerherberge“, d. h. die Ferienherberge im Schulhaus, von denen es 1910 bereits drei gab. 1912 öffnete auf der Burg Altena die erste Jugendherberge – zunächst nur während der Ferien; ab 1914 wurde sie ganzjährig betrieben. Lehrer Schirrmann wurde gleichzeitig auch erster Herbergsvater und lebte mit seiner Familie auf der Burg. „