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Emilia Jones

CLUB NOIR

Erotischer Roman

© 2016 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamourbooks.com

info@plaisirdamourbooks.com

© Covergestaltung: Mia Horn

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-247-0

ISBN eBook: 978-3-86495-248-7

 

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

 

Inhalt

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel l6

Autorin

 

 

Kapitel 1

 

Brüssel

 

Grau. So wirkte die Stadt auf Jesse, als sie ankam. Selbst die Häuser wirkten grau und auch der Mann an der Rezeption ihres Hotels.

Das war also Brüssel. Die Stadt, in der sie die nächsten Wochen verbringen sollte. Sie wusste so gut wie nichts über diesen Teil der Welt. Aber das war nicht weiter verwunderlich, denn sie empfand im Allgemeinen keine Freude daran, ihre Zeit an irgendeinem anderen Ort als ihrer Heimatstadt zu verbringen. Bilder oder gar Reiseführer von fremden Plätzen interessierten sie schlichtweg nicht.

Bisher hatte sie ihr Leben einzig und allein in London verbracht. Sie liebte diese aufregende und pulsierende Stadt. Dort war sie aufgewachsen und glücklich. Nur sehr widerstrebend war sie daher auf das Angebot ihres Arbeitgebers eingegangen, den Auftrag in Brüssel zu übernehmen. Doch letztendlich bot ihr dieser Einsatz ein gutes Ansehen, neue Erfahrungen und ganz bestimmt auch ein höheres Gehalt.

Nach einem kritischen Blick auf die Rezeption und in die Lobby stellte sie fest, dass ihre Firma sich ohne Zweifel um eine vornehme Bleibe für sie bemüht hatte. Offensichtlich wollten sie ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten. Dennoch konnte die junge Frau sich nicht auf Anhieb wohl fühlen.

Seufzend blickte sie noch einmal zurück durch die milchigen Glasscheiben der Eingangspforte. Vielleicht basierte ihre trostlose Stimmung auch auf diesem tristen, verregneten Tag.

Mit den Fingerspitzen fuhr sie sich über ihre kalte Wange und strich sich dabei eine Strähne des feuchten dunkelblonden Haares aus dem Gesicht. Sie trug es zu einem langen geflochtenen Zopf, der sich nun aufzulösen drohte.

Als sie sich wieder der Rezeption zuwandte, wirkte der Mann hinter dem Tresen schon freundlicher. Er lächelte ihr auffordernd zu. Auf eine merkwürdige Weise erinnerte er sie mit einem Mal an einen Süßwarenverkäufer, bei dem sie als Mädchen jeden Freitagnachmittag frisch gelieferte Erdbeer-Bonbons gekauft hatte. Sie schüttelte diesen Gedanken ab, ehe er sie zu einem schelmischen Grinsen verleiten konnte.

Der Mann hatte unterdessen einen Aktenordner aufgeschlagen und darin zu blättern begonnen

„M. Rochelle“ las sie seinen Namen auf einem kleinen goldenen Schild ab, das an seinem Jackett befestigt war.

„Bonjour, Monsieur Rochelle“, begrüßte sie ihn höflich. Ihren großen Trolley, den sie die ganze Zeit hinter sich hergezogen hatte, stellte sie neben sich vor der Rezeption ab. Auch ihre große Umhängetasche ruhte nun ebenfalls auf dem Fußboden. Den Gurt hielt sie allerdings nach wie vor mit den Fingern umkrallt. „Mademoiselle …“, der Mann betrachtete das Papier vor sich lange und eingehend, „Jesse Brown?“ Er hatte Schwierigkeiten, ihren Namen auszusprechen, wirkte allerdings vollkommen überzeugend, als er nun zu ihr aufsah.

„Ja, das bin ich.“

Erneut widmete er sich dem Papier und las weiter. „Ah, sie sind die junge Frau von Freshfour & Lowman. Sie werden also in unserer Galerie an der Ecke arbeiten.“

Jesse nickte. Erstaunt stellte sie fest, wie sehr sie dieser Mann tatsächlich an den Süßwarenverkäufer erinnerte. Sein Lächeln wirkte offen und herzlich und es zeigte kleine Grübchen. Das spärliche Licht der Wandleuchter tauchte seinen Anzug in ein dunkles Blau und ließ seine rote Krawatte leuchtend hervorstechen. Er war nicht mehr der Jüngste, aber längst nicht das, was Jesse alt nennen würde. Sie schätzte ihn auf Mitte 50.

„Ihr Zimmer liegt in der zweiten Etage. Eine unserer komfortableren Suiten. Sie hat einen Kühlschrank und eine extra für Sie eingerichtete kleine Kochstelle. Da Sie länger bleiben, haben wir gedacht, Sie würden vielleicht Wert darauf legen.“

„Das ist sehr nett von Ihnen. Vielen Dank.“ Jesse fühlte sich geschmeichelt. Die Freundlichkeit überraschte sie. Offensichtlich hatte sie ihr erster Eindruck über diese Stadt und ihre Bewohner doch getäuscht. Alles, was sie noch tun musste, war das Ausfüllen eines Formblattes mit ihren persönlichen Daten.

„202.“ Er schob ihr einen Schlüssel mit goldenem Kleeblatt-Anhänger über den Tresen zu. „Wenn Sie den Fahrstuhl nehmen, befindet sich Ihr Zimmer am Anfang des Flures auf der rechten Seite. Ich darf Ihnen nun also einen angenehmen Aufenthalt wünschen.“

Jesse bedankte sich höflich. Sie nahm den Schlüssel an sich und wollte nach ihren Gepäckstücken greifen. Doch da stand bereits ein junger, kräftiger Mann neben ihr, der sich bereitwillig darum kümmerte. Er grinste sie an. Mit einem Kopfnicken deutete er in Richtung Fahrstuhl.

„Philippe wird Sie auf Ihr Zimmer begleiten“, hörte sie den Mann an der Rezeption sagen. Im gleichen Moment hob der Genannte den Koffer und die Tasche vom Boden auf und schritt auf den Fahrstuhl zu. Dort drückte er auf dem Bedienungselement an der Wand die dafür in Frage kommende Taste in Form eines Pfeils, der sogleich zu leuchten begann, und auf der Anzeige darüber war abzulesen, dass ihr Transportmittel nicht mehr lange auf sich warten ließ.

 

Als Dank für die Hilfe drückte Jesse Philippe ein Trinkgeld in die Hand. Überschwänglich bedankte er sich mit einer Verbeugung. Er murmelte etwas auf Französisch – viel zu schnell – so dass Jesse nichts verstand. Mit einem fragenden Gesichtsausdruck blickte sie noch den Flur entlang, als Philippe schon längst wieder verschwunden war.

Dann endlich schloss sie seufzend ihre Zimmertür. Ihre Bleibe entpuppte sich als groß und gemütlich. Der Wohnbereich wies eine samtene, weinrote Sitzgruppe auf, in dessen Mittelpunkt ein runder Kirschholztisch stand. Die kleine Kochstelle befand sich in einer angrenzenden Nische mit einer Schiebetür davor. Der schönste Teil dieser Räumlichkeiten war jedoch zweifellos das großzügige Schlafzimmer mit Himmelbett. Eine zauberhafte, mit Ornamenten bestickte Decke und eine Vielzahl an Kissen lagen darauf.

Nachdem sie sich umgesehen hatte, fühlte sich Jesse schon ein ganzes Stück wohler. Sie war nun nicht mehr ängstlich, sondern zuversichtlich, dass sich der Aufenthalt in Brüssel doch noch angenehm gestalten würde.

Aber ehe sie ihren Koffer auspacken oder irgendetwas anderes tun wollte, meldete sich in ihr ein ganz anderes Verlangen. Eine heiße Dusche – das war es, wonach sie sich in diesem Augenblick sehnte. Sie konnte es kaum erwarten, die wärmenden Wassertropfen über ihren abgespannten Körper fließen zu lassen.

Ihre Kleidung legte sie Stück für Stück über die Lehne des Sofas. Frische Handtücher fand sie in einem Schrank im Bad und ein Bademantel hing an einem Haken an der gefliesten Wand. Die Dusche hatte eine moderne Glastür und einen großen geschwungenen Brausekopf. Sie musste auch nur kurz warten, bis das aufgedrehte Wasser warm wurde. Begierig trat sie darunter und ergab sich dem wohltuenden Schauer.

Eine knappe Viertelstunde ließ sie sich berieseln, ehe sie sich losreißen konnte und beschwingt in den Bademantel schlüpfte.

In ihr machte sich ein so wohliges Gefühl breit, dass sie sich gar nicht erst die Mühe machte, das warme Kleidungsstück wieder abzulegen und in etwas anderes zu schlüpfen. Dafür hätte sie sowieso zunächst ihren Koffer auspacken müssen und danach stand ihr im Moment einfach nicht der Sinn. Sie spürte eine angenehme Schwere in sich aufsteigen. Müde schlurfte sie zu dem Himmelbett. Ohne den bestickten Überwurf abzuziehen krabbelte sie darauf und ließ sich in der Mitte des Bettes einsinken. Beide Arme streckte sie nach den Kissen aus. Sie umarmte sie wie einen Geliebten. Nur wenige Augenblicke später schlief sie mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

 

Als Jesse ihre Augen wieder aufschlug, neigte sich der Tag bereits dem Ende entgegen. Es dämmerte. Das schummrige Licht einer durch das Fenster scheinenden Straßenlaterne hüllte sie ein. Die Schatten, die sanft über die Wände des Schlafzimmers huschten, wirkten gespenstisch.

Jesse fröstelte plötzlich. Sie zog die Beine an, die sich bis oberhalb der Knie von dem flauschigen Stoff des Bademantels befreit hatten. Wie Eisklumpen fühlten sich ihre Füße an. Auch ihre Finger waren kalt und so rieb sie sie aneinander, um sie aufzuwärmen.

Ihr Blick wanderte zur Digitalanzeige der Nachttischuhr. Kurz nach sechs Uhr am Abend – Zeit, sich etwas Wärmeres überzuziehen und einen ersten Spaziergang durch Brüssel zu starten. Nach ihrem Nickerchen war sie nun hellwach und unternehmungslustig. Sie wollte die Gegend erkunden, bevor sie am nächsten Tage anfangen würde zu arbeiten. Bisher kannte sie nicht einmal den Weg von dem Hotel zu ihrer Arbeitsstelle. Das sollte sie unbedingt frühzeitig auskundschaften!

Sie schob ihre Füße wieder vor, rutschte über das Bett und stellte sich auf die Beine. Genüsslich streckte sie sich einmal und zuckte dann aber wieder fröstelnd zusammen. Der Koffer stand noch im Wohnraum neben der Zimmertür. Mit nackten Füßen tapste sie dorthin. Ohne Umschweife öffnete sie ihr Gepäck gleich dort und kramte als erstes ein Paar dicke Socken hervor.

„Schon besser!“

Erleichtert stellte sie fest, wie ihr allein dadurch schon ein ganzes Stück wohliger wurde. Sie schlüpfte in ihre schwarze Spitzenunterwäsche, zog eine schwarze enge Hose und eine schicke rote Bluse darüber. Zufrieden betrachtete sie ihren schlanken wohlgeformten Körper in dem Ganzkörperspiegel, der neben der Tür hing. Sie machte einen Schmollmund. Wie sexy sie sich in diesem Augenblick fühlte! Ernüchtert stellte sie fest, dass sie schon sehr lange auf die Gesellschaft eines Mannes verzichtet hatte und wie sehr sie sich doch danach sehnte. Gerade jetzt, da sie mutterseelenallein in einer fremden Stadt zurechtkommen musste. Wie gerne hätte sie sich in beschützende, starke Arme sinken lassen, die Berührung fordernder Finger und leidenschaftlicher Küsse auf ihrer Haut gespürt.

Jesse seufzte schwermütig.

Ihre letzte ernsthafte Beziehung zu einem Mann lag schon beinahe ein ganzes Jahr zurück. Nick war ein wunderbarer Liebhaber gewesen. Verständnisvoll und einfühlsam. Obendrein las er ihr jeden Wunsch von den Augen ab und setzte ihn sofort in die Tat um – jedenfalls zu Anfang. Dann – sie wusste selbst nicht mehr genau, wie es dazu gekommen war – verbrachte er von Tag zu Tag mehr Zeit im Büro. Er arbeitete wie ein Wahnsinniger und Jesse war auch noch so naiv, ihm diese Arbeitswut abzunehmen. Tatsächlich vergnügte er sich aber mit einer jungen aufreizenden Kollegin. Im Vergleich zu Jesse war sie ein Kind. Nick fand jedoch Gefallen an ihr. Er verführte sie regelmäßig nach Büroschluss – auf dem Schreibtisch, dem Stuhl und dem bloßen Fußboden.

Viel zu spät hatte Jesse bemerkt, dass sie betrogen wurde. Sie erwischte ihn in flagranti, als sie ihn eines Tages überraschen wollte. Für seinen Geburtstag hatte sie etwas ganz Besonderes geplant. Einen Abend mit einem Fünf-Gänge-Menü in einem noblen Restaurant und einer anschließenden Gala-Vorstellung im Theater. Aber am Ende gipfelte dieser Abend in dem traurigsten Erlebnis ihres Lebens.

Sie hatte lange gebraucht, um über Nick hinwegzukommen. Tatsächlich war sie für die Annährungsversuche anderer Männer unempfänglich geworden. Eine Sache, die sie unbedingt ändern sollte.

Die Abenteuerlust ergriff von ihr Besitz. Ihrem geöffneten Koffer, mit den nun wild durcheinander liegenden Sachen, schenkte sie nur einen kurzen Blick. Natürlich wusste sie um ihr chaotisches Wesen. Auf der anderen Seite gab es hier niemanden, der mal eben bei ihr vorbeischauen und die Unordnung bemerken könnte. Achselzuckend stieg sie darüber hinweg und griff nach ihrer Lederjacke.

Ihre Entdeckungsreise durch Brüssel konnte beginnen!

 

Kapitel 2

 

Der Club

 

Sie lief ziellos durch die Straßen – auf der Suche nach nichts Bestimmtem und doch etwas Aufregendem. Zwar hatte sie sich vor der Abreise einen Reiseführer über Brüssel gekauft, dieser steckte jedoch wohlbehalten in einer Seitentasche ihres Koffers. Und genau da sollte er auch schön bleiben, entschied sie. Ihren Plan, zunächst den Weg zur Galerie zu erkunden, warf sie komplett über den Haufen. Stattdessen machte sie ganz andere Erkundungen. Nach einem kurzen Spaziergang erreichte sie die Börse, die sie umrundete und anschließend durch die Rue au Beurre ging, die sie direkt auf den Grand Place führte. Vor ihrer Reise hatte sie von einer Freundin gehört, dass dies der lebendige Punkt von Brüssel sein sollte. Aber angesichts der kühlen Frühlingstemperaturen fand sie nicht den belebten Platz vor, den sie sich eigentlich vorgestellt hatte.

Sie schritt über das weite Pflaster und bestaunte mit neugierigen Augen die eindrucksvollen Gebäude ringsum. Und ehe sie sich versah, landete sie in einer kleinen Seitengasse, die von Cafés und Restaurants beherrscht wurde. Durch die Fensterscheiben warf sie einen Blick auf die Menschen, die drinnen im Warmen saßen und glücklich ihre Mahlzeiten zu sich nahmen oder einfach nur ein Glas des einheimischen Bieres tranken.

Ein Lächeln umspielte ihren Mund. Allmählich begann sie, Gefallen an dieser Stadt zu finden. Ein Haus, abgedunkelt gelegen zwischen all den hell erleuchteten Lokalitäten, forderte nun ihre ganze Aufmerksamkeit. Die schwarzen Fensterläden waren nur ein winziges Stück geöffnet und gaben nur einen Spalt breit Einblick in ein undefinierbar rot leuchtendes Inneres.

Jesse beobachtete, wie eine Gruppe junger Männer und Frauen, allesamt vornehm gekleidet, von der anderen Seite der Straße her auf das Haus zugingen und darin verschwanden. Der Eingang blieb offen und eine Art Türsteher war nun zu erkennen. Er sah genau in Jesses Richtung. Viel mehr noch! Er fixierte sie eindringlich mit seinem Blick. Sie konnte gar nicht anders. Eine geradezu magnetische Anziehungskraft ging von diesem Haus aus. Es war vollkommen zwecklos, sich dagegen zu wehren. Sie musste dort hinein, aus welchem Grund auch immer.

Je näher sie dem Gebäude kam, umso deutlicher trat der Schriftzug über der Tür hervor. „Club Noir“ stand dort. Ein Vergnügungsclub? Eine Bar? Sie wusste es nicht.

Als Jesse eintrat, spürte sie ein leichtes Unwohlsein in sich aufsteigen. Die Bar war düster, wie schon ihr Name angekündigt hatte. Ein schwaches rotes Licht deutete die Umrisse der vielen anwesenden Gäste an. Nur diejenigen, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe befanden, konnte sie tatsächlich erkennen. Umrahmt wurde die merkwürdige Szenerie von dumpfen, in die Länge gezogenen Tönen, die wohl eine romantische Melodie wiedergeben sollten. Bei Jesse verursachten sie allerdings genau das gegenteilige Gefühl. Ein Schauer krabbelte ihr vom Nacken her den Rücken hinab.

Ganz langsam bahnte sie sich ihren Weg an die Theke, ohne dabei irgendjemanden allzu offensichtlich anzusehen. Sie hielt ihren Blick vielmehr verschämt zu Boden gerichtet, um kein Gespräch zu provozieren. Jetzt, da sie sich schon einmal in diese Lokalität gewagt hatte, wollte sie nicht wie ein verschrecktes Tier gleich wieder flüchten. Zumindest einen Drink würde sie nehmen, sagte sie sich selbst, und danach sofort gehen.

Wie in Trance erreichte sie einen freien Platz an der Theke. Ihre Finger krallten sich in die glatte, klebrige Oberfläche, als suchten sie dringend nach einem festen Halt. Unentschlossen betrachtete sie die Menschen rechts und links von sich – düstere Gestalten, die Jesse Angst einjagten.

Ihre Kehle fühlte sich seltsam trocken an. Sie drehte sich halb herum und wollte etwas zu trinken bestellen. Doch ehe sie sich auch nur an den Barkeeper wenden konnte, stellte dieser schon ein Glas mit rotem Inhalt vor ihr ab. Ein schwarzer Strohhalm steckte darin und reckte sich beinahe auffordernd in ihre Richtung.

„Eine Bloody Mary für Mademoiselle.“ Der schlanke Mann mit dem langen kastanienbraunen Haar zwinkerte ihr zu. Sein Lächeln war umwerfend und verschlug ihr die Sprache.

„Aber ich …“

„Spezialität des Hauses“, fügte er erklärend hinzu, worauf er nur einen weiteren fragenden Blick von Jesse erntete. „Kommt von der Dame dort drüben.“ Er deutete auf eine Frau am Ende der Theke.

Sie entdeckte ein aufreizend gekleidetes Wesen, dessen schwarzes Lackoutfit allein durch einen unanständig tiefen Ausschnitt Aufsehen erregte. Mit ihren Armen, die auf der Thekenoberfläche ruhten, presste sie gegen ihre üppige Oberweite und brachte sie so noch um ein ganzes Stück mehr zur Geltung. Ihr helles, beinahe weißes Gesicht wurde von einer goldenen Lockenpracht umrahmt. Doch am meisten bestach sie mit ihren dunklen Augen, die Jesse in geradezu obszöner Weise musterten. Nun, da sich die Fremde vollkommener Aufmerksamkeit bewusst war, brachte sie ihre Zungenspitze ganz sacht zum Vorschein und fuhr sich damit genüsslich über die Oberlippe. Sie rekelte sich kurz, bevor sie sich lasziv vorlehnte und den Mund zu dem schwarzen Strohhalm ihrer eigenen Bloody Mary führte. Bewusst langsam saugte sie daran, ohne dabei den Augenkontakt zu Jesse abzubrechen. Im nächsten Augenblick trat erneut ihre Zunge hervor und fuhr den Halm hinab, spielte mit ihm und verfiel in ein sehnsuchtvolles Liebkosen. Die Blicke der Frau wurden eindringlicher. Sie zogen Jesse in ihren Bann und ließen sie in die Fänge eines ungewohnten Verlangens stürzen. Die Zeit schien still zu stehen und die Situation zu eskalieren, in der nur noch diese beiden Frauen eine Rolle spielten.

Doch plötzlich tauchte ein rothaariger Vamp auf, der die aufkeimenden Gefühle jäh zum Ersterben brachte. Sie war ebenso bleich und in Lack gekleidet wie ihre blonde Freundin. Ihre blutroten Lippen verzogen sich angriffslustig und brachten spitze, strahlend weiße Zähne zum Vorschein. Ein böses Funkeln trat aus ihren Augen und traf Jesse mit voller Wucht. Sie zuckte unwillkürlich zusammen. Bildete sie es sich nur ein oder hatte sie die Rothaarige soeben tatsächlich fauchen gehört?

Taumelnd musste sie sich an einem Barhocker festhalten. Verwirrt sah sie, wie die beiden Frauen am Ende der Theke laut auflachten und gleich darauf eng umschlungen aus ihrem Blickfeld verschwanden.

Was war das nur für eine merkwürdige Bar? Etwas Ähnliches hatte sie nie zuvor erlebt.

„So was machen sie öfter. Sie sollten sich nichts dabei denken“, raunte ihr eine angenehme Stimme von der Seite zu.

Sie drehte sich halb um und fand sich einem attraktiven Mann in einem vornehmen Anzug gegenüber. Dunkelbraunes kurzes Haar umrahmte sein markantes Gesicht. Mit einem gewinnenden Lächeln brachte er sie dazu, sich nicht nur unwohl, sondern auch noch töricht zu fühlen. Das Blut schoss ihr in die Wangen. In diesem Moment war sie dankbar um das schummrige Licht.

„Sie sind neu hier, habe ich Recht?“

Jesse nickte.

„Ich bin Louis.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie nur zögernd annahm.

„Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Ich beiße nicht. Jedenfalls nicht mehr heute Abend.“

Seine Worte kamen ihr merkwürdig vor. Sie beschloss jedoch, nicht weiter darüber nachzudenken. Stattdessen legte sie endlich einen freundlichen Gesichtsausdruck auf. „Jesse. Ich bin gerade erst aus England hier angekommen.“

„Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Galant deutete er eine Verbeugung an.

Jesse lächelte nervös. Es hätte nur noch gefehlt, dass er ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte. Um ihn gar nicht erst auf falsche Gedanken zu bringen, entwand sie ihm ihre Hand und griff nach der Bloody Mary.

„Oh, nicht doch.“ Louis hielt sie am Arm, um sie am Trinken zu hindern. „Das sollten Sie nicht trinken. Das ist Gift für eine junge, hübsche Frau wie Sie.“

„Was stimmt damit nicht?“ Jesse war verwirrt.

„Es würde Sie nur schwindelig machen.“

Sie verstand immer noch nicht. Das hielt Louis jedoch nicht davon ab, ein anderes Getränk für sie zu ordern. Mit dem Barkeeper wechselte er einen viel sagenden Blick, bevor dieser ein frisches Glas nahm und es füllte. Er holte weit aus, bevor er den Drink vor Jesse auf dem Tresen abstellte.

„Für die Lady.“ Wieder dieses Zwinkern. Jesse senkte den Blick. Am liebsten wäre sie Hals über Kopf aus dieser merkwürdigen Bar getürmt. Was hatte sie nur dorthin getrieben?

„Geht es Ihnen nicht gut?“ Louis legte besorgt eine Hand auf ihren Arm. Sie spürte seine Berührung durch den sanften Druck. Es lag eine Art Erwartung darin, der Jesse nicht standhalten konnte.

„Könnten Sie mir wohl sagen, wo ich die Toilette finde?“ Es war das Einzige, was ihr in diesem Moment in den Sinn kommen wollte.

„Die Toilette?“ Er grinste. „Natürlich.“ Mit einem Augenzwinkern straffte er den Oberkörper und machte eine Kopfbewegung zur Seite. „Dort entlang. An den Tischen vorbei. Es ist nicht zu verfehlen.“

Jesse glaubte einen schelmischen Unterton in seiner Stimme zu hören. Hatte er etwa ihre Verwirrung bemerkt? Oder gar den Argwohn, mit dem sie ihn und die anderen Gäste betrachtete? Doch sie bemühte sich inständig, all ihre Bedenken zu unterdrücken.

Sie hauchte ihm ein kaum hörbares „Danke“ zu, bevor sie sich an ihm vorbeischob.

„Sie haben doch nicht vor, mich hier allzu lange alleine stehen zu lassen oder?“ Sein Lächeln war wirklich unwiderstehlich. Aus irgendeinem Grund wollte sie sich jedoch nicht gänzlich auf seinen Charme einlassen. So schenkte sie ihm lediglich einen freundlichen Blick, dann wandte sie sich endlich ab und ging unsicheren Schrittes an den Tischen vorbei.

Tatsächlich war die Toilette nicht zu übersehen. Die dunkle Tür wirkte regelrecht schick, gerade so, als würde sie Einlass in eine ganz besondere Räumlichkeit bieten. In Augenhöhe prangte eine stilvolle Zeichnung einer leicht bekleideten Dame. Darunter stand in geschwungenen Lettern „Mademoiselle“.

Jesse drückte die goldene Klinke hinunter und schob die Tür vorsichtig auf. Tatsächlich rechnete sie beinahe damit, jemanden zu stören, was ihr im nächsten Moment mehr als wahrscheinlich erschien. Sie hörte Geräusche. Ein Rascheln, eine hektische Bewegung und schließlich ein Poltern.

Wie angewurzelt blieb Jesse stehen und lauschte. Hatte sie sich vielleicht doch in der Tür geirrt? Aber nein! Sie schalt sich selbst einen Dummkopf. Fliesen zogen sich über den Fußboden und Wände und direkt neben ihr befanden sich zwei Waschbecken. Dann entdeckte sie jedoch etwas. Um die Ecke – drei, vier Schritte von ihr entfernt, hielt sich tatsächlich jemand versteckt. Nein, stellte sie fest, es waren sogar zwei Personen. Ihre Körper drängten sich hinter der schützenden Wand hervor, direkt in Jesses Blickfeld. Ein Mann, der eine Frau stürmisch gegen eine Toilettentür presste und sein Gesicht tief in ihrem üppigen Busen vergrub. Diese warf den Kopf in den Nacken und stöhnte lustvoll auf. Erstaunlich, wie graziös sie dabei wirkte. Ihre dunklen Locken waren zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Vereinzelte Strähnen hingen in die vornehmen Züge ihres blassen Gesichtes. Die Lippen, blutrot geschminkt, kräuselten sich voller Genuss.

Jesse blieb wie versteinert stehen und starrte das Paar an. Sie verfolgte, wie die Hände des Mannes gierig über den Körper der Frau glitten. Sein Gesicht kam zum Vorschein und sie sah, wie seine Zunge langsam von einer Brustwarze bis hinauf zu ihrem Hals fuhr. Ein wohliger Schauder machte sich in Jesse breit, gepaart mit einem Verlangen, das sie nie zuvor so intensiv gespürt hatte. Sie fasste sich an ihre Brust und begann wie selbstverständlich darüber zu streichen. Im nächsten Augenblick setzte das Rascheln aus. Jesse erschrak durch die plötzliche Stille. Ihr stockte der Atem. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie nicht auf das Paar geachtet, sondern sich ganz und gar ihren eigenen lustvoll aufkeimenden Gefühlen hingegeben. Als sie nun wieder zu dem Paar sah, fing sie einen durchdringenden Blick des Mannes auf. Es hatte nicht den Anschein, dass ihm irgendetwas unangenehm wäre. Im Gegenteil. Von einer Unbeteiligten beobachtet zu werden, schien ihn sogar noch anzuheizen. Er genoss ihre Anwesenheit. Seine feurigen Augen stierten auf ihren Schoß. Er stöhnte ihr wollüstig zu. Erst da bemerkte Jesse erschrocken, dass ihre zweite Hand wie von selbst in der Spalte zwischen ihren Schenkeln fingerte. Und auch die vornehme Frau drehte ihr nun das Gesicht zu. Sie lachte. Jesse schoss das Blut in die Wangen. Sie fühlte sich entblößt. Was war nur los mit ihr?

Wie eine Furie wirbelte sie herum und stürzte aus der Toilette auf den Flur hinaus. Ein weiteres, eng umschlungenes Paar stand dort, mit dem sie um ein Haar zusammengestoßen wäre. Stolpernd fand sie an dem nächsten Türrahmen Halt.

„Tut mir Leid“, stammelte sie. „Pardon.“

Dann ging sie halb taumelnd an der Tischreihe vorbei zur Theke, wo Louis auf sie wartete. Sie bemühte sich zwar, eine unbekümmerte Miene aufzusetzen, aber sie war noch nie eine gute Schauspielerin gewesen. Louis musste ihren verstörten Gesichtsausdruck ganz einfach bemerken. Da war sie sich sicher. Er zog sie lächelnd an seine Seite. Ohne ein Wort zu sagen drückte er ihr einen Martini in die Hand. Augenzwinkernd stieß er mit ihr an. Und tatsächlich spürte sie, wie sie ruhiger wurde, als das Getränk ihre Kehle hinabrann.

„Sie gefallen mir.“

Jesse heftete den Blick auf ihre Finger, die das nunmehr leere Glas umklammerten. Sie hatte Angst davor, ihm in die Augen zu sehen. Angst, dass er erkannte, welch ein Durcheinander in ihrem Inneren herrschte. Immer noch spürte sie dieses eigenartige Verlangen in sich.

 

Ganz sanft entwendete Louis Jesse das Glas aus der Hand und stellte es auf dem Tresen ab. Sie ließ sich von ihm führen, als hinge sie wie eine Puppe an Fäden – mit ihm als Spieler. Er nickte dem Barkeeper zu, der sich kurz hinüberlehnte und Louis etwas ins Ohr flüsterte. Außerdem tauschten ihre Hände etwas aus. Allerdings geschah der Vorgang so schnell, dass Jesse nicht erkennen konnte, um was es sich dabei handelte.

Er nahm sie an die Hand und führte sie durch die Menge. Plötzlich spürte Jesse alle Blicke auf sich brennen. Warum sie ein derartiges Interesse auf sich zog, wusste sie nicht. Es war ihr in diesem Moment auch nicht wichtig. Aus einem ihr selbst nicht verständlichen Grund wollte sie Louis folgen.

Sie durchquerten den Innenraum bis zu einem Gang, an deren Ende sie über eine Treppe in die zweite Etage gelangten. Vor ihnen lag nun ein langer Flur mit mehreren Türen zu beiden Seiten. Jesse kam der Gedanke, dass sich hier Gästezimmer oder ähnliches befinden mussten. Vielleicht handelte es sich bei dieser Lokalität um ein Hotel mit eigener Bar?

Louis zog unterdessen einen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Überheblich grinsend ging er auf eine der Türen zu und öffnete sie. Dann wirkte er mit einem Mal wiederum sehr galant, als er ihr die Jacke abnahm. Sie spürte die Hitze in ihren Wangen. Was würde als nächstes geschehen?

Mit der Jacke über dem Arm machte Louis eine einladende Handbewegung. Offensichtlich erwartete er, dass Jesse mit ihm in das Zimmer ging. Sie rührte sich nicht von der Stelle, sondern warf lediglich einen Blick hinein. Dort erkannte sie einen von unzähligen Kerzen erleuchteten Raum. Lange, große Vorhänge zierten Wände und Fenster und umrahmten das wundervoll hergerichtete Bett. Rosenblätter lagen darauf und davor.

Jesse stieß ein Keuchen aus.

Erst jetzt dämmerte ihr, worauf sie sich da eigentlich eingelassen hatte. Dieser Mann verfolgte nur ein einziges Ziel und zwar, sie in sein Bett zu befördern. Obwohl sie sich noch vor gar nicht langer Zeit nach einer Situation wie dieser gesehnt hatte, konnte sie sich nun ganz und gar nicht damit anfreunden. Alles in ihr sträubte sich dagegen. Sie wollte sich umdrehen und davonlaufen. Genau das war auch ihr erster Reflex. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und wich zurück.

Doch so leicht machte Louis es ihr nicht. Er griff nach ihren Händen und wirbelte sie herum, so dass sie ihm den Rücken zukehrte. Mit hartem Druck hielt er sie. Jesse glaubte, ihr versage der Atem und sie müsste im nächsten Augenblick ohnmächtig werden. Sie fühlte sich schwach – viel zu schwach, um sich gegen ihn zu wehren.

Dann ließ Louis jedoch ein klein wenig locker und ein kühler weicher Stoff glitt über ihren Nacken.

„Das ist echte Seide … fein gesponnen … blutrot …“, hauchte er in ihr Ohr. Sie spürte seinen heißen Atem an ihrer Wange. Es war erregend und abstoßend zugleich. Wie konnte er sich nur erlauben, sie so zu behandeln!

Voller Empörung wollte sie sich ihm entziehen. Aber er gab sie nicht frei. Mit einer schnellen geschickten Bewegung zwirbelte er das Seidentuch zusammen und verband damit ihre Hände. Er zog so fest zu, dass der feine Stoff in ihre Haut schnitt.

„Au!“, protestierte sie. „Sie tun mir weh! Hören Sie sofort auf damit oder ich schreie das ganze Haus zusammen!“

„Aber meine Liebe“, genüsslich fuhr er mit einem Finger die Konturen ihres Gesichtes nach, „glaubst du nicht, dass ich mit derselben Leichtigkeit deinen Mund knebeln könnte?“

Schockiert starrte sie auf seine andere Hand, die sich überall an ihr vorzutasten begann.

„Wir könnten so viel Spaß zusammen haben. Du solltest dich nicht dagegen wehren.“

Ganz nah zog er sie an sich heran. Seine Arme umschlangen ihren Oberkörper und eine Hand wanderte hinauf zu ihrer Kehle. Fest packte er sie am Kinn und zwang sie so zur Ruhe. Er machte eine kreisende Bewegung mit der Hüfte und Jesse konnte ganz deutlich spüren, wie sich sein erregtes Glied hart durch den Stoff zwischen ihre Pobacken presste. Sie fühlte sich betört und bedrängt zugleich. Ein Teil in ihr wollte sich der animalischen Lust hingeben, sich die Kleider vom Leib reißen und benutzen lassen. Doch auf der anderen Seite verabscheute sie seine Handlungsweise.

Er behandelte sie nicht mit der Sanftmütigkeit eines Liebhabers, sondern eher mit der Grobheit eines Vergewaltigers. Ja – wurde ihr in dem Augenblick bewusst – er würde sich nehmen, wonach ihm verlangte. Sie konnte sich ihm nicht entwinden. Ihre Schwäche lähmte sie bereits, als hätte sie keine Kontrolle mehr über sich. Was sollte sie nur tun?

„Ja, das gefällt dir, habe ich Recht?“, raunte er in ihr Ohr.

Seine freie Hand fuhr ihren Bauch hinab und griff schließlich in ihren Schritt. Viel zu fest drückte er zu. Einen Moment verharrte er dort – gierig – mit zuckenden Fingern, die es kaum erwarten konnten, weiter vorzudringen.

Jesse versuchte vergeblich den dicken Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Aber sollte sie ihm tatsächlich die Genugtuung geben und anfangen zu weinen? Sie bäumte sich auf, wollte sich ihm entwinden, doch dadurch brachte sie sich nur in eine noch prekärere Lage.

„Ah, ich verstehe.“ Louis lachte hämisch auf. „Du magst es auf die harte Tour.“

Schon wanderte seine Hand ein Stück ihre Hose hinauf und verfing sich in ihrer Bluse. Mit einem heftigen Ruck zerriss er den Stoff. Ihr schwarzer, mit Spitzen besetzter BH kam zum Vorschein. Eine Gänsehaut zog sich über ihren halbnackten Oberkörper.

Noch fester presste er sich von hinten an sie und ließ seine Hüfte in einer weiteren sanften Bewegung kreisen. Jesse rang mit sich selbst. Zu ihrem eigenen Entsetzen spürte sie, wie sich ein heißes Pulsieren in ihrem Unterleib ausbreitete.

„Ja … du willst es auch.“

Sie stöhnte auf. Verzweifelt. Da musste doch noch ein Funke in ihr sein, der sich ihm zur Wehr setzen konnte.

„Nein“, wimmerte sie schwach. „Nein, lass mich. Ich will nicht.“

„Oh, doch! Du willst … und wie du willst.“

Seine Zunge zog eine feuchte Spur über ihre Wange, ihren Hals und den Nacken. Es durchströmte sie heiß-kalt, als sie plötzlich spürte, wie er sich mit seinen Zähnen an dem Verschluss ihres BHs zu schaffen machte. Sie wollte schluchzen und schreien zugleich: Hör auf! Doch er verführte sie dazu, still zu halten wie ein Kaninchen in der Falle. Genau so fühlte sie sich. Hilflos dem Jäger ausgeliefert, bemüht darum, der Hitze in ihrem Schoß Einhalt zu gebieten.

Louis’ Hand fuhr genüsslich in ihre Hose, als sich plötzlich ein Schatten über Jesses Gesicht legte. Atemlos blickte sie in die dunklen unergründlichen Augen ihres Gegenübers auf. Sie fühlte sich nackt und beschämt. Dieser Mann hätte sie nicht in einer solchen Lage erwischen sollen, obwohl sie nicht hätte sagen können, warum sie so empfand. Sie hätte froh sein sollen, dass endlich jemand auf dieses schändliche Treiben aufmerksam wurde. Doch anstatt ihn um Hilfe anzuflehen, senkte sie den Blick zu Boden.

Dass Louis von ihrem BH abließ und mit der Zunge wieder ihren Nacken hinauffuhr, nahm sie gar nicht mehr wahr. Die bloße Anwesenheit dieses fremden Mannes versetzte sie in eine unerträgliche Benommenheit. Die Wirklichkeit verschwamm und alles um sie herum fühlte sich nicht länger echt an. Alles – bis auf seine Augen. Aber sie sahen durch Jesse hindurch. Sie nahmen Louis ins Visier, der keine Anstalten machte, von seinem Opfer abzulassen

„Was soll das?“ Die Stimme des Fremden durchschnitt die Stille wie ein scharfes Messer.

„Was soll was?“ Louis knabberte an ihrem Ohrläppchen. Jesse zog die Schulterblätter zusammen. Die Hitze in ihrem Körper erlosch. Zurück blieb eine Kälte, die sie erstarren ließ.

„Du kennst die Regeln.“

„Na und?“ Mit einem spöttischen Lachen reagierte Louis auf die Zurechtweisung. „Ich werde sie trotzdem nicht gehen lassen!“