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Deutsche Erstausgabe (PDF) Juli 2016

Digitale Neuauflage (PDF) September 2021

 

Für die Originalausgabe:

© 2015 by Grace R. Duncan

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Devotion«

Published by Arrangement with Grace Duncan

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN-13 (Print): 978-3-95823-600-4

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Für Tanner könnte das Leben nicht perfekter sein, denn nicht jeder Wolf findet seinen Gefährten bereits in jungen Jahren, wenn überhaupt. Doch genau im Alter liegt auch das Problem, denn Finley ist gerade erst achtzehn geworden und Tanner befürchtet, ihn zu früh in eine lebenslange Bindung zu drängen. Hin- und hergerissen zwischen Verlangen, Sehnsucht und Verlustangst hält Tanner Finley auf Abstand – bis es beinahe zu spät ist und er Finley für immer verlieren könnte...


 

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Aus dem Englischen
von Jessica Hartmann


 

Gerne würde ich Mary Calmes die Schuld an diesem kleinen Projekt geben, aber stattdessen möchte ich ihr danken. Ich hatte die schlimmsten Vorstellungen über Gestaltwandler-Geschichten, bis ich ihre Change of Heart-Reihe gelesen habe, die meine Ansicht darüber völlig verändert hat.

Für TK, der mir so vieles beigebracht hat und mir zweifellos noch so viel mehr beibringen wird.

Für Sara und Áine, die mich über den gesamten Schreibprozess hinweg bei Verstand gehalten haben. Eure Unterstützung bedeutet mir unglaublich viel.

Und natürlich für Joe, der sich damit rumschlägt, dass ich stundenlang vor dem Computer hocke, und trotzdem noch ein Lächeln und eine Tasse Kaffee für mich hat, wenn ich aufsehe. Ich liebe dich!


 

Kapitel 1

 

 

Tanner betrat den Club und ging einen Schritt zur Seite, damit seine Augen sich anpassen konnten. Selbst mit seiner gesteigerten Sehkraft dauerte es ein wenig, da er den schummrig beleuchteten Raum von der hellen Straße aus betrat. Als er gut genug sehen konnte, ließ er den Blick von einer Gruppe zur nächsten wandern, wobei er sich langsam über die Tanzfläche und die Bar arbeitete. Die Einrichtung sah für ihn wie die eines jeden anderen Schwulenclubs auf diesem Planeten aus.

Er widerstand dem Drang, tief einzuatmen und nach dem Duft zu suchen, den er so gut kannte. Seine hochsensible Nase wurde bereits mit zu viel Schweiß, Deo, Parfüm, Alkohol und Erregung bombardiert. Egal wie gut er den Duft seines aufmüpfigen Gefährten kannte, derart von anderen Gerüchen überdeckt, würde er nie in der Lage sein, ihn zu finden.

Er ließ die Bar aus und ging Richtung Tanzfläche.

Zum Glück hatte dieser Schwulenclub nur eine Etage. Die letzten zwei, in die Finley verschwunden war, waren mehrstöckige Clubs mit mehreren Nebenzimmern und Aufenthaltsräumen gewesen.

Wenn ich das noch ein einziges Mal machen muss, schwöre ich, versohle ich ihm den Hintern, bis er eine Woche lang nicht sitzen kann! Tanner schob die Verärgerung beiseite, um sie sich für den Zeitpunkt aufzuheben, wenn er Finley gefunden hatte. Als eine Hand über seinen Hintern glitt, widerstand er dem Bedürfnis zu knurren, wischte sie vorsichtig beiseite und beschloss, dass es vielleicht dauern könnte, bis er seinen Gefährten nach Hause – zum Haus von Finleys Eltern – gebracht hatte, bevor er seine Wut halbwegs unter Kontrolle hatte.

Zudem konnte er Finley noch nicht den Hintern versohlen. Nicht in den nächsten vier Jahren. Falls er die nächsten vier Jahre unter diesen Umständen überlebte.

Der Besitzer der Hand lächelte ihn verführerisch an, doch der spindeldürre, elfenähnliche Twink, der zu ihm aufsah, hatte keinerlei Reiz für ihn. Selbst wenn er wie Finley gebaut gewesen wäre, wäre er für Tanner nicht reizvoll. Finley war sein Gefährte, derjenige, der ihm von Diana, ihrer Schutzgöttin, geschenkt worden war, und der Einzige, den er wollte.

»Sorry, kein Interesse«, grunzte Tanner und fühlte sich beinahe mies, als das Lächeln verschwand. »Tut mir leid, wirklich. Äh, ich bin mit meinem Partner hier.« Er glaubte nicht, dass er deutlich gehört werden konnte, doch der Kleine lächelte leicht und nickte, bevor er weiterlief, weil er offenbar zumindest das Wesentliche verstanden hatte.

Tanner widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Tanzfläche. Es sollte nicht so schwierig sein, Finley zu finden, und Tanners Blutdruck und Ärger stiegen rasant an, je länger er suchte.

Dann erblickte er schwarzes Haar und atmete langsam aus, in dem Versuch, seinen Ärger ein wenig abzukühlen. Er knirschte mit den Zähnen, um seine neu gewonnene Ruhe beizubehalten, als er über die Tanzfläche marschierte und dabei Händen und Ärschen und anderen Körperteilen auswich. Er konnte den Mann, der sich gerade Schenkel an Schenkel an seinem Gefährten rieb, nicht in Stücke reißen, ganz egal wie sehr er es auch wollte.

Sein Wolf – die andere Hälfte seiner Seele – widersprach.

Er erinnerte seinen Wolf daran, dass er eine menschliche Seite hatte und einen Menschen in Stücke zu reißen, eine böse Sache war. Sein Wolf grollte, rollte sich jedoch zusammen, auch wenn er immer noch von Weitem zusah. Mein, knurrte er in Tanners Kopf und Tanner gab ihm recht.

Finley war sein. Finley wusste das. Und diese Nummern, die er abzog, wurden langsam langweilig.

Er stand vor dem Mann und verschränkte die Arme. Finley fuhr herum und seine grünen Augen weiteten sich überrascht, dann trat er von seinem Tanzpartner weg. Der Tanzpartner, bemerkte Tanner, war ähnlich gebaut wie er selbst, wenn auch mit blondem statt dunkelbraunem Haar.

Und er war ein Mensch. Selbst ohne einzuatmen, konnte er es von hier aus riechen.

Besagter Mann streckte einen Arm nach Finley aus, doch Tanners Hand schoss vor und packte sein Handgelenk. »Er gehört zu mir«, knurrte er. Über die Musik hinweg konnte er nicht gehört worden sein, nicht mit menschlichen Ohren, doch der Typ schien es zu verstehen.

Eine blonde Augenbraue hob sich. »Hab dich gerade noch nicht hier gesehen.«

»Ich bin jetzt hier«, entgegnete Tanner, ließ das Handgelenk des Mannes los und griff nach Finleys Hand.

Finley nutzte es aus, drängte seinen Körper gegen ihn und rieb sich im Takt der Musik an ihm. Tanner versuchte – versuchte es wirklich –, sich unter Kontrolle zu halten. Doch sein Wolf war bereits frustriert darüber, dass der andere Typ Finley angefasst hatte, und ihn noch länger zu besänftigen, war beinahe unmöglich. Er musste seinen Geruch wieder auf seinen Gefährten übertragen.

Und er war nun mal ein normaler, gesunder, vierundzwanzigjähriger Mann. So wie Finley sich an ihm rieb, konnte er nicht lange dagegen ankämpfen, bis er darauf ansprang. Er gab nach, schlang seine Arme um ihn, drängte ein Bein zwischen Finleys und passte sich dem Rhythmus an.

Selbst mit seinem verbesserten Gehör fühlte er Finleys zustimmendes Stöhnen mehr, als dass er es hörte. Tanner schob seine Hände auf Finleys Hüften und umfasste sie, während sie sich bewegten. Finley hielt Tanners Schultern fest, um das Gleichgewicht zu halten, doch Tanner störte dies absichtlich und zwang ihn damit, sich gegen Tanners Körper zu lehnen.

Er schlang einen Arm um Finleys Taille, drückte ihn an sich und stöhnte, als Finleys harter Schwanz durch ihre Jeans an seinem rieb. Er konnte nicht widerstehen, mit der anderen Hand Finleys atemberaubenden Hintern zu umfassen. Gott, Finley fühlte sich in seinen Armen, an ihn gepresst, so verdammt gut an.

Er neigte den Kopf, vergrub das Gesicht an Finleys Hals und atmete seinen Duft tief ein. Sein Wolf knurrte zufrieden und Finley – und zweifelsfrei Finleys Wolf – knurrten zurück.

Eine von Finleys Händen fand ihren Weg in Tanners Haar, die andere legte er an Tanners Gesicht. Er lehnte sich vor und zog an Tanner, der sich einfach nicht widersetzen konnte. Ihre Lippen trafen sich, ihre Münder heiß und feucht, und der Geschmack ließ Tanner aufstöhnen. Finley schob seine Zunge in Tanners Mund und sie rangen um die Oberhand des Kusses.

Tanner unterbrach den Kuss und sah sich um. Er erspähte eine ruhige Ecke in der Nähe und tanzte sie dorthin, dann schob er Finley gegen die Wand, als sie sie erreicht hatten. Er hielt Finley mit seinem Körper fest und rieb ihre harten Schwänze aneinander. Wieder fing er Finleys Lippen zu einem heißen, feuchten Kuss ein, so voller Verlangen, dass er kaum atmen konnte.

Finleys Hände flogen über Tanners Körper, umfassten seinen Po und zogen an seinem Haar. Er stieß Tanner das Becken entgegen und passte sich seinen Bewegungen an. Tanner löste den Kuss, während er den Anblick seines Gefährten in sich aufnahm: zerzauste Haare, feuchte und vom Küssen geschwollene Lippen, vor Erregung tiefschwarze Augen, hervorstehende Fangzähne. Tanners eigene Sicht war grau geworden, da sich seine Augen wegen seiner eigenen Erregung verwandelt hatten.

Tanner knurrte wieder, stürzte sich auf Finleys Hals und knabberte einen Pfad über seine Haut. Er musste seine gesamte Willenskraft aufbringen, um seine Fangzähne nicht in Finleys Hals zu bohren. Stattdessen saugte er an der Haut und biss mit seinen menschlichen Zähnen zu, unfähig sich zurückzuhalten, wenigstens eine kleine Markierung zu hinterlassen.

Seinem Wolf gefiel dies nicht. Er drängte Tanner, ihren Gefährten herumzuwirbeln, seine Jeans runterzureißen, ihn hart zu vögeln und ihn zu beißen, während er Finley mit seinem Sperma füllte. Als er bemerkte, dass er einen Schritt zurückgetreten war, um genau das zu tun, schüttelte er heftig den Kopf, packte Finleys Hand und zerrte daran.

»Lass uns von hier verschwinden«, sagte er, ohne sich die Mühe zu machen, seine Stimme zu heben. Er wusste, dass Finley ihn ganz deutlich hören konnte.

Finley hob erschrocken die Augenbrauen. »Du nimmst mich mit nach Hause?«

»Zum Haus deiner Eltern.«

Der Schock wandelte sich zu Wut. »Nein«, sagte Finley und zog seine Hand aus Tanners Griff.

Tanner seufzte. »Sieh mal. Ich habe morgen viel zu tun. Ich habe für so was heute Abend keine Zeit.«

Fin zuckte mit einer Schulter. »Dann geh heim. Ich brauch dich hier nicht.« Er drehte sich auf dem Absatz um und wollte zur Tanzfläche zurückgehen.

Tanner atmete tief ein und bereute es sofort. Er verzog die Nase bei dem Angriff auf seinen Geruchssinn und griff stattdessen wieder nach Finley. »Ich lasse dich nicht hier. Du kommst mit mir.«

»Fick dich«, antwortete Finley zu fröhlich und verschmolz wieder mit der Menge.

Tanner zählte leise bis zehn, bevor er ihm folgte. Diesmal gab er Finley nicht einmal die Chance zu widersprechen. Er zog ihn mit einem Ruck zurück an sich, bevor er ihn hochhob und über seine Schulter warf. Es war gut, dass er so stark war, denn Finley war kein kleiner Mann. Tatsächlich war Tanner lediglich etwa fünf Zentimeter größer und fünfzig Pfund schwerer als Finley. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie gut sie zusammenpassen würden, wenn Finley ausgewachsen war.

»Tanner!« Finley schlug mit beiden Fäusten auf seinen Rücken ein, doch Tanner ignorierte ihn. »Lass mich runter!«

»Nein.« Die Tänzer machten ihm Platz und mit seinen langen Beinen überwand er zügig die Strecke bis zur Tür.

»Problem?«, fragte einer der Türsteher, als er in seinen Weg trat. Der Typ sah aus, als hätte er sich die Muskeln redlich verdient – anders als in einem Fitnessstudio –, aber für übernatürliche Stärke wäre er dennoch kein Hindernis.

»Ich bringe ihn nur nach Hause. Jemand hat was in sein Getränk getan«, log Tanner glatt.

Der Türsteher hob eine Augenbraue und beugte sich um Tanner herum. »Sagt er die Wahrheit?«

Zunächst antwortete Finley nicht. »Ich weiß nicht. Vielleicht.«

Das reichte offenbar aus. Er trat zur Seite und winkte sie durch. Tanner war erleichtert, dass Finley zumindest vor dem Türsteher keine Szene gemacht hatte. Er wusste es besser, als irgendeine Art Amtsgewalt auf sie aufmerksam zu machen. Sie würden da zwar rauskommen, aber bis dahin wäre es eine Riesensauerei. Tanner stellte Finley auf dem Bürgersteig ab und drehte ihn sofort zu sich herum, um ihn finster anzustarren. »Was zum Teufel?«

»Was?«, motzte Finley und verschränkte die Arme vor der Brust.

Tanner erkannte, dass Finley fuchsteufelswild war. Er blinzelte. »Was meinst du mit was

»Was meinst du mit was zum Teufel? Es ist ja nicht so, als ob ich nicht herkommen dürfte, wenn ich das will.«

»Du bist noch nicht volljährig.«

Finley verdrehte die Augen. »Hierfür bin ich alt genug. Ich bin vor zwei Monaten achtzehn geworden, wie du sehr genau weißt. Du warst auf meiner verdammten Party.«

Tanner knurrte diesmal nicht, obwohl er es wollte. »Einundzwanzig, du Genie.«

Finley seufzte und zeigte mit dem Daumen auf das Schild neben der Tür: U-21-Nacht. Nur 18- bis 21-jährige.

Verdammt. Tanner rieb sich übers Gesicht. Er wusste nicht, wie er reingekommen war, doch er gab nach und seufzte. »Warum?«

»Warum nicht?«

Tanner machte ein finsteres Gesicht. »Weißt du was? Nein. Wir machen das nicht schon wieder. Lass uns gehen.« Er griff nach Finleys Handgelenk, doch Finley wand sich aus seinem Griff.

»Nein. Ich fahre nicht nach Hause. Ich nehme mir ein Taxi und gehe woanders hin, da du mir diesen Club ja für heute ruiniert hast.«

»Nein, das wirst du nicht!«, brüllte Tanner.

Finley sah ihn nur an, während seine Kiefer mahlten, um seinen eigenen Zorn zurückzuhalten. Tanner kannte die Anzeichen. Obwohl Finley normalerweise ein fröhlicher Mensch war, mit dem man gut klarkam, war er dafür bekannt, hin und wieder fuchsig zu werden, was Tanner bereits erlebt hatte.

»Bist du fertig?«, fragte er zu ruhig.

Tanner beschloss, das Feuer zu ignorieren, das in Finleys grünen Augen loderte. »Nein. Können wir das bitte nicht auf der Straße ausdiskutieren?« Er blickte sich um und entdeckte ein paar andere Clubgänger, die sie anstarrten.

»Sicher. Du gehst nach Hause und ich nehme mir ein Taxi.«

»Muss ich dich wieder über die Schulter werfen?«

Diesmal war Finley derjenige, der knurrte. Er stach einen Finger hart in Tanners Brust. »Nein. Du wirst mich nicht über die Schulter werfen. Du wirst mich nicht nach Hause bringen. Ich kann verdammt noch mal tun, was immer ich will. Ich bin erwachsen. Ich habe die Erlaubnis von meinen Wandlerpaten. Und bis du mich markiert hast, kannst du absolut nichts dagegen tun.« Er umrundete Tanner und stolzierte davon.

Trotz seiner Verärgerung, trotz seiner Frustration kam er nicht umhin, die geschmeidige Eleganz von Finleys Bewegungen zu registrieren. Genauso wie er dem Tanz nicht hatte widerstehen können. Jedes Mal, wenn er in Gesellschaft seines Gefährten war, preschte sein Wolf vor und sein Instinkt, ihn zu markieren, setzte ein, sodass er darum ringen musste, beides in Schach zu halten. Sein Schwanz war jedoch trotzdem schmerzhaft hart.

Er seufzte und ließ den Kopf hängen. Das Frustrierendste an der Sache war... Finley hatte recht.

Nach dem Gestaltwandlergesetz war er für Finley verantwortlich, sobald er seinen Anspruch auf ihn geltend machte – auch als Minderjähriger, was er laut diesem Gesetz bis einundzwanzig war. Doch bis dahin hatte Finley seinen Eltern zu gehorchen, die, wie Tanner fand, völlig bekloppt waren.

Denn sie sahen kein Problem darin, dass er ihren Sohn markieren. Sie waren fast genauso wütend darüber wie Finley, aber nicht, weil sie ihn loswerden wollten oder dergleichen. Weil sie ihn liebten und sahen, wie frustriert Finley war. Oder wenigstens behaupteten sie das. Tanner verstand es nicht. Finley war jung – zu jung. Er musste verdammt noch mal erst erwachsen werden, ganz zu schweigen davon, die Schule zu beenden, aufs College zu gehen, Erfahrungen zu sammeln – nicht sexuelle, vielen Dank auch –, bevor sie als Gefährten zusammenlebten.

Davon abgesehen, musste er als zukünftiger Alpha an bestimmten, halböffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, wenn er seinen Gefährten für sich beanspruchte. Finley war viel zu jung für so was. Also tat Tanner sein Möglichstes, um dafür zu sorgen, dass sie warteten.

Und Finley tat sein Möglichstes, um es ihm so schwer wie möglich zu machen.

Er würde nie die Nacht vergessen, in der sie sich kennengelernt hatten. Sie hatten sich angesehen und heftig aufeinander reagiert, als sie sich beide augenblicklich zum Teil verwandelt hatten. In diesem Moment hatte es keine Fragen gegeben: Finley war sein vorbestimmter Gefährte. Und der erste Teil ihres Bandes hatte sich bereits zu bilden begonnen. Er war so was von am Arsch – oder in diesem Fall auch nicht, denn Finley war viel zu jung dafür.

Seinen oder ihren vorbestimmten Gefährten zu finden, geschah nicht gerade häufig, schon gar nicht in diesem Alter. Vorbestimmte Gefährten waren nicht unbedingt selten, doch manche Gestaltwandler fanden sie nie. Tanner hatte angenommen, dass er keinen vorbestimmten Gefährten hatte, weil er schwul war. Soweit er wusste, war er der erste schwule Gestaltwandler in ihrem Rudel. Jedenfalls der erste geoutete schwule Gestaltwandler.

Er hatte sich die Lektionen über Gefährten der Lehrer ihres Rudels angehört. Seinen Gefährten zu finden, war einer der wichtigsten Bestandteile im Leben eines Gestaltwandlers. In ihrer Welt gab es zwei Arten von Gefährten: vorbestimmte und auserwählte.

Ein Gestaltwandler besaß die Fähigkeit, seinen vorbestimmten Gefährten auf der Stelle zu erkennen – ihre Wölfe würden sich erkennen und ihre Düfte einander verrückt machen. Allein sich zu begegnen, setzte den Bindungsprozess in Gang, der durch den Geschlechtsakt und das Beißen abgeschlossen wurde.

Auserwählte Gefährten formten ein ähnliches Band, doch erst nach dem Sex und dem Biss. Sie erkannten sich nicht so wie vorbestimmte Gefährten, aber sie waren normalerweise dennoch sehr glücklich, ebenso wie ihre Wölfe, und ihr Band war beinahe genauso stark.

Sein Lehrer, einer der Ältesten des Rudels, hatte das Band wie eine dicke Weinranke mit ineinander verdrehten Strängen beschrieben. Finley zu treffen, hatte sie durch erste Stränge miteinander verbunden und ihr Band hatte sich zu formen begonnen. Wenn sie sehr starke Gefühle durchlebten, konnte der andere es spüren. Beschützer- und Besitzinstinkte kamen auf und der Drang, sich mit seinem Gefährten zu verbinden und ihn zu dem seinen zu machen, entwickelte sich gewöhnlich schnell.

Tanner kämpfte seit zwei Jahren dagegen an. Zwei Jahre, in denen er mit seinem Gefährten zusammen gewesen war – zwei Jahre, in denen er ihn gerochen hatte, zwei Jahre, in denen er starke Gefühle mit ihm geteilt hatte –, und er konnte seinen Anspruch auf den Mann noch immer nicht geltend machen, denn er war ja erst gerade so ein Mann. Sein Wolf fand das lächerlich, nicht dass er so deutliche Gedanken hegen würde, aber Tanner verstand die Nachricht dennoch. Sein Wolf wollte ihren Gefährten, Punkt. Er verstand nicht, warum Tanner zögerte.

Doch Tanner glaubte, dass er einen verdammt guten Grund hatte. Er hatte hautnah miterlebt, wie zerstörerisch das Ergebnis sein konnte, wenn zwei Gefährten sich zu früh vollständig aneinander banden, und er würde nicht zulassen, dass ihnen das Gleiche geschah. Er seufzte, drehte sich auf dem Absatz um und folgte Finleys Geruch um die nächste Ecke herum zu dem kleinen Treppenabsatz, auf dem er saß, setzte sich neben ihn und sah ihn an.

Finleys Ärger war offenbar verraucht. Tanner konnte den Ausdruck auf dem hübschen Gesicht nicht lesen und die Gefühle waren zu schwach, um sie zu spüren, doch er war definitiv nicht glücklich. »Warum?«, fragte Finley zum wahrscheinlich millionsten Mal in den letzten zwei Jahren. Und zum tausendsten allein im letzten Monat.

Tanner seufzte wieder und fühlte sich gerade verdammt alt, auch wenn er nur sechs Jahre älter als Finley war. »Wir hatten das schon, Fin.«

»Tja, wenn du es mir noch mal erklärst, verstehe ich es vielleicht besser als vorher.«

Tanner schüttelte den Kopf. »Es hat sich nichts geändert, Fin. Du musst erst mal erwachsen werden. Du musst –«

»Aufs College gehen, Dinge erleben, bla bla bla.« Finley schüttelte den Kopf. »Erstens bin ich erwachsen. Zweitens... sollte nicht ich diese Entscheidung treffen?«

Obwohl Tanner wusste, dass Finley damit recht hatte – genauso wie schon seit zwei Jahren –, konnte Tanner ohne Weiteres sehen, wie Finley ihm übel nahm, dass er sie so früh aneinander gebunden hatte. Um es noch schlimmer zu machen, würde Finley sich selbst die Schuld geben, denn er hatte ihn dazu gedrängt. Dann würde er sich wegen der ganzen Sache noch schlechter fühlen und es würde in einem riesigen Schlamassel enden, falls Finley Tanner oder sich selbst nicht gleich durch und durch hassen würde.

»Hör zu, ich habe zugestimmt, bis zu meinem achtzehnten Geburtstag zu warten. Das habe ich verstanden. So gut wir uns auch aus einigem rauswinden können, kommen wir nicht um alles herum, was die Gesetze der Menschen betrifft. Also habe ich zugestimmt zu warten, damit niemand uns für Unzucht mit Minderjährigen drankriegen kann. Aber Tan, verdammt noch mal, ich bin jetzt über achtzehn.«

Und immer noch zu jung für einiges davon. Er hatte es noch nicht über sich gebracht, Finley von dem letzten Teil zu erzählen. Obwohl es für ihn nicht die größte Blockade war, die er bei der Sache hatte, glaubte er dennoch nicht, dass Finley dafür bereit war. Er rieb sich übers Gesicht. »Pass auf, ich –«

»Vergiss es. Bring mich einfach nach Hause«, sagte Finley, während er aufstand.

Tanner runzelte die Stirn, aber er würde nicht widersprechen. Er streckte den Arm aus, um Finleys Hand zu nehmen, doch Finley stopfte beide in die Taschen seiner Jeans, um klarzumachen, dass er nicht angefasst werden wollte. Tanner schluckte bei dieser Abweisung und konzentrierte sich aufs Laufen. Nachdem sie das Auto erreicht hatten und eingestiegen waren, musste er es noch mal versuchen. Er hasste es, wenn sie stritten, was sie oft taten, seit Finley achtzehn geworden war.

»Baby, ich –«

»Komm mir nicht mit Baby! Fahr einfach«, sagte Finley mit zusammengebissenen Zähnen.

Tanner unterdrückte ein weiteres Seufzen und startete das Auto.

 

Auf der Fahrt zum Haus seiner Eltern kochte Finley stumm vor Wut auf dem Beifahrersitz. Er hatte es satt zu warten. Zwei Jahre wurde er jetzt schon von seinem Gefährten, den das Schicksal für ihn ausgesucht hatte, hingehalten. Zwei Jahre voller heftiger, sexueller Frustration – sich einen runterzuholen, brachte nur wenig Erleichterung –, in denen er wusste, wen er wollte, wen er haben sollte, aber nicht in der Lage war, ihn zu bekommen. Er würde mit niemand anderem vögeln, nicht wenn er einen Gefährten hatte – selbst wenn er diesen Mann nicht wirklich hatte –, aber er war es leid, ihn nicht zu haben, überhaupt nichts zu haben. Zwei Jahre, in denen er mit angesehen hatte, wie die Person, die dazu bestimmt war, sich nicht von ihm fernhalten zu können... sich von ihm fernhielt. Immer und immer wieder.

Er hielt sich an seiner Wut fest, solange er konnte. Alle anderen Gefühle würde er nicht zulassen, bis er in seinem Zimmer war, außer Sichtweite von seinen Eltern und seinen Schwestern, und Tanner wieder gefahren und weit genug weg war, damit sie nicht über ihr Band übertragen wurden.

Er hatte die eingeschränkte Reichweite immer bedauert, denn er liebte das Gefühl, eine Verbindung zu haben, wenn auch nur schwach. Doch jetzt war er froh darüber, denn er konnte Tanner nicht wissen lassen, wie sich all das anfühlte. Er konnte es nicht. Er konnte Tanner nicht sehen lassen, wie sehr es wehtat, immer und immer und immer wieder abgewiesen zu werden.

Er begann, daran zu zweifeln, dass Tanner ihn wirklich wollte. Er verstand nicht, warum Tanner nicht einsehen konnte, dass er all diese Erfahrungen machen und trotzdem mit seinem Gefährten zusammenleben konnte. Dass er sie ohne Tanner gar nicht machen wollte. Dass er mit Tanner zusammen sein wollte, wenn er seinen Abschluss machte, Tanners Stolz sehen wollte, weil er gut abgeschnitten hatte.

Er wusste, dass Tanner irgendwann Alpha wäre und damit für ihn als Gefährte des Alphas Verpflichtungen einhergingen. Doch Tanners Vater war nicht mal annähernd bereit zurückzutreten. Es kämen noch Jahre, bis das überhaupt ein Thema wäre. Da sie so langlebig waren, wurde Tanners Vater unter den Gestaltwandlern mit zweiundvierzig noch immer als jung angesehen. Sie hatten noch Zeit bis dahin.

Also konnte er nicht verstehen, warum. Tanners Ausreden waren genau das: Ausreden. Das Einzige, was Finley aus ihnen schlussfolgerte, war, dass Tanner ihn nicht wirklich wollte und nur noch nicht rausgefunden hatte, wie er es ihm sagen sollte.

Oh, er wusste, dass Tanner ihn körperlich wollte. Die paar Male, die er es geschafft hatte, Tanner zu küssen und mit ihm rumzumachen, hatte er Tanners Reaktion deutlich gespürt. So wie im Club. Tanner war gewöhnlich genauso hart wie er selbst. Doch mehr als einen beiderseitigen Handjob hatte er von ihm noch nicht bekommen können, geschweige denn mehr.

Er verstand es nicht. Er hatte verstanden, warum sie gewartet hatten, bis er achtzehn war, auch wenn es ihm nicht gefallen hatte. Es war unmöglich, dass sie in einem menschlichen Gefängnis landeten. Ihre Wölfe würden diese Art von Gefangenschaft nicht ertragen und wenn sie sich durch den Stress spontan verwandelten... nun, das würde einfach nicht funktionieren.

Also hatte er gewartet, denn er wusste, dass immer das Risiko bestand, dass jemand von seiner menschlichen Highschool die Behörden alarmieren könnte und selbst seine Eltern sie da nicht wieder rauskriegen könnten.

Doch das Warten brachte ihn um. Vor allem seit er sehr viel mehr investierte als seinen Schwanz. Er hatte sich längst in seinen Gefährten verliebt, längst sein Herz mit ins Spiel gebracht. Und zu wissen, dass die Liebe nicht erwidert wurde, fraß ihn auf.

Er hatte mit seinen kleinen Ausflügen in die Clubs kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag begonnen, nachdem Tanner neue Ausreden – College, Erfahrungen, der ganze Mist – vorgebracht hatte. Also hatte Finley beschlossen, die Dinge etwas voranzutreiben, Tanner etwas mehr zu provozieren. Er wollte sehen, ob er Tanner dazu bringen konnte, irgendetwas zu tun.

Doch bisher war alles, was er bekommen hatte, ein gelegentlicher Tanz wie heute Nacht, öfter jedoch genervte Blicke und viele Seufzer, während er am Haus seiner Eltern abgesetzt wurde und Tanner nach Hause fuhr. Allein.

Und Finley ging ins Bett, um sich einen runterzuholen. Schon wieder.

Er schien nicht mal irgendwas Besitzergreifendes aus Tanner kitzeln zu können.

Als er heute Nacht die Hand des blonden Typen gepackt hatte, war zum ersten Mal etwas in der Richtung passiert. Sonst schnappte Tanner ihn sich einfach und zerrte ihn aus dem Club.

Finley hatte es satt zu warten. Er hatte es satt, um diesen ganzen Mist herumzutanzen. Er hatte es satt, hingehalten zu werden. Er war achtzehn, hatte gerade mal den Schwanz eines anderen Mannes berührt, noch nie Sex gehabt – und er war es leid.

Die meisten ihrer Art lebten in diesem Alter mit ihren Gefährten zusammen. Er wusste, dass einige länger warteten, meistens weil sie aufs College gingen und solche Sachen. Und Finley wäre vielleicht auch glücklich zum College aufgebrochen und hätte noch vier Jahre gewartet – wenn er seinen vorbestimmten Gefährten nicht getroffen und sich so drängend zu ihm hingezogen gefühlt hätte.

Doch das tat er und es machte ihn verrückt. Es war Zeit, eine Entscheidung zu erzwingen. Wenn Tanner ihn nicht wollte, war es Zeit, jemanden zu finden, der es tat. Er wollte seinen vorbestimmten Gefährten. Er wollte den Mann, den er liebte. Aber er konnte und würde das Band trennen, das sie begonnen hatten, und eins mit jemand Neuem formen.

Mit jemandem, der ihn wollte.

Vielleicht war es Zeit für einen Tapetenwechsel. Niemand anderes in ihrem Rudel war schwul oder interessierte ihn. Tatsächlich waren die einzigen anderen beiden Teenager in seinem Alter in der Schule hirnlose Sportler gewesen und definitiv niemand, mit denen er rumhängen wollte. Seine Großeltern hatten angedeutet, dass sie es toll fänden, wenn er sie besuchen käme, und seine Großmutter – die diese Alterssache auch nicht nachvollziehen zu können schien – hatte ständig von dem neuen Welpen in ihrem Rudel erzählt, der schwul war.

Als Tanner vor dem Haus von Finleys Eltern hielt, konnte er sich nicht dazu durchringen, etwas zu sagen. Er stieg aus dem Wagen, warf die Tür hinter sich zu und ging, ohne zurückzusehen, ins Haus.

Er rief nach seiner Mutter, um sie wissen zu lassen, dass er zu Hause war, bevor er immer zwei Stufen auf einmal nach oben nahm. Als er in seinem Zimmer war, zog er sich bis auf die Boxershorts aus, rollte sich in seinem Bett ein und starrte an die Decke. Er lauschte dem Geräusch von Tanners Auto, das aus der Einfahrt fuhr, dann gab er nach und ließ sich von der Erinnerung ihres Kennenlernens durchfluten, wie so oft in letzter Zeit. Und sobald Tanner weit genug weg war, konnte er den Rest seiner Emotionen ebenfalls rauslassen.

 

Tanner beobachtete, wie Finley beinahe ins Haus seiner Eltern rannte, und seufzte. Er verstand nicht, warum Finley so verdammt ungeduldig war. Sicher, nach zwei Jahren, in denen er seine Hände von seinem Gefährten gelassen hatte, standen seine eigenen Eier kurz vorm Platzen. Doch Finley war es mehr als wert.

Der Mann war wunderschön, lustig und fantastisch. Mit ein wenig – okay, mehr als nur ein wenig – sexueller Frustration konnte er leben, wenn er dadurch sicherging, dass er mit diesem wunderschönen Mann nichts überstürzte. Wenn es bedeutete, dass Finley am Ende nicht das Gefühl hatte, einen Fehler begangen zu haben, indem er sich so jung an seinen Gefährten gebunden hatte, kam er auch mit einem Samenstau klar.

Manchmal wünschte Tanner sich, dass er Finley vor zwei Jahren nicht getroffen hätte.

Manchmal wünschte er sich, dass er Finley erst später getroffen hätte, sodass das hier überhaupt kein Problem wäre. So viel Glück hatte er jedoch nicht gehabt und er hatte Finley kennengelernt, als dieser noch nicht mal per Gesetz in ihrem Staat alt genug für Sex mit einem Erwachsenen gewesen war.

Tanner ließ seinen Kopf kurz auf das Lenkrad fallen, dann fuhr er aus der Einfahrt. Er musste rausfinden, wie er das mit Finley auf die Reihe bekam und wie er es schaffte, dass sie aufhörten, so viel zu streiten. Er hatte das Gefühl, dass er jedoch bis morgen warten musste. Er war schon müde und die Erinnerung daran, wie er Finley kennengelernt hatte, lag zu dicht unter der Oberfläche.