Butler Parker -63-


Mörder Hai


Roman von Günter Dönges

»Ich habe heute frische Steinpilze, Spargel und Artischocken«, sagte Lew Antonella und unterstrich sein Angebot mit weit ausholenden Gesten. Er dienerte um den mittelgroßen Mann herum, dessen Alter undefinierbar war. Dieser Mann trug einen schwarzen Zweireiher, einen schneeweißen Eckkragen und auf dem Kopf eine schwarze Melone, wie man sie eigentlich nur noch in England findet. Dieser Mann mit den sparsamen Bewegungen und dem fast unbeweglichen Gesicht erinnerte an einen hochherrschaftlichen Butler, wie man ihn sonst nur in witzigen Boulevard-Komödien antrifft.

Josuah Parker, wie der schwarz gekleidete Mann mit dem würdevollen Habitus hieß, nahm die angepriesenen Waren in näheren Augenschein und prüfte sehr genau. Er war ein leidenschaftlicher Hobbykoch, der für einen gewissen Anwalt namens Mike Rander das Essen zuzubereiten pflegte.

»Vier Artischocken müßten reichen«, sagte Parker und nahm mißbilligend zur Kenntnis, daß der Inhaber des Geschäftes plötzlich nicht mehr ganz bei der Sache war.

Lew Antonella, ein Italo-Amerikaner, klein, dicklich und sehr temperamentvoll, sah durch die Schaufensterscheibe auf die Straße.

»Vier Artischocken«, wiederholte Josuah Parker mit etwas erhobener Stimme, »Mister Antonella. Ich möchte darauf hinweisen, daß meine Zeit begrenzt ist.«

»Schon wieder diese beiden Kerle«, stieß Antonella leise hervor. Er schien den Kaufwunsch des Butlers überhaupt nicht begriffen zu haben. »Jünger müßte man sein.«

»Darf man fragen, was Ihr augenscheinliches Interesse erregt hat?« fragte Parker.

»Sehen Sie doch, Mister Parker.« Antonella war derart fasziniert, daß er sich noch nicht einmal zu Parker umdrehte, »sehen Sie sich diese beiden Kerle an! Sie sind schon seit Tagen hinter Sue Weston her.«

»Eine Verwandte von Ihnen, wenn ich neugierig sein darf?«

»Eine Kundin. Ein reizendes Mädchen. Warten Sie, ich bin gleich wieder zurück.«

Parker war äußerst peinlich berührt, als Lew Antonella an ihm vorbeihastete, zur Tür lief und dann draußen auf der Straße verschwand.


*


Sue Weston ging schneller und sah sich wie ein gehetztes Wild um. Die beiden Männer waren ihr dicht auf den Fersen geblieben und hatten sich unterwegs mehrmals bis auf ihre Höhe herangeschoben.

Bewunderer konnten es unmöglich sein, das hatte sie längst herausgefunden. Sie machte sich in dieser Hinsicht keine Illusionen. Dazu war sie nun wirklich noch nicht bekannt genug, obwohl ihr Gesicht und ihre Figur bereits mehrmals auf Titelseiten zu sehen war. Instinktiv spürte sie eine Gefahr.

Sue hatte den Torbogen zum Hinterhaus bereits passiert und hielt eilig auf den Eingang zum Querblock zu. Sie schaute sich um und atmete schneller.

Zum ersten Mal verfolgten die beiden Männer sie bis in den Hinterhof. Dies hatten sie bisher unterlassen und waren stets im Torbogen zurückgeblieben.

Sue Weston lief die letzten Meter bis zur Tür, stieß sie auf und warf sie krachend ins Schloß. Dann hastete sie hinüber zum wackligen Lift, stieg ein und drückte den Knopf für die sechste Etage, Endstation! Ihre Hände zitterten, als sie sich eine Zigarette anzündete. Sie nahm sich vor, gleich von der Dachwohnung aus die Polizei anzurufen. Sie war nicht gewillt, sich weiterhin belästigen zu lassen.

Die sechste Etage war erreicht, der Lift stoppte.

Sue wartete, bis die Lifttür sich geöffnet hatte. Sie stieg aus und prallte entsetzt zurück.

Vor ihr standen die beiden aufdringlichen Männer. Diesmal grinsten sie Sue ironisch an, traten zur Seite und gaben ihr den Weg frei zu ihrer Wohnungstür.


*


Lew Antonella kam sich wie ein Star-Detektiv vor, als er über die Treppe hinauf in die sechste Etage eilte. Daß er dabei mehr als kurzatmig war, störte ihn kaum. Er wollte endlich wissen, was es mit den beiden Männern auf sich hatte. Er war derart begeistert von dem Auftrag, den er sich selbst gegeben hatte, daß keine Angst ihn störte. Er fühlte sich jung wie ein Frischling.

Als er mit schweren Beinen und schmerzenden Muskeln endlich die letzte Etage des Querblocks erreicht hatte, keuchte er wie ein alter Mann. Er mußte sich gegen seinen Willen mit dem Rücken an die Wand lehnen und erst einmal zu sich kommen. Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn, sein Gesicht war von einem kompakten Schweißfilm überzogen.

Er raffte sich auf und pirschte sich dann an die Wohnungstür von Sue Weston heran.

Außer ihr wohnten hier oben noch drei Mietparteien, alles Leute, die in der Modebranche arbeiteten und stets spät nach Hause kamen. Nach seinen Erfahrungen mußte Sue allein hier oben sein. Ihre Nachbarn würden erst Stunden später erscheinen.

Lew Antonella hatte die Wohnungstür erreicht und legte sein feuchtes Ohr gegen die Füllung. Er unterschied leise Stimmen, konnte Einzelheiten jedoch nicht unterscheiden.

Wilde Eifersucht packte ihn. Er verehrte Sue seit Monaten. Er hatte sich in die langbeinige, schlanke und aparte Frau verliebt. Sterblich, unsterblich …! Er überschlug sich, wenn sie zu ihm ins Geschäft kam, um sich ein paar Lebensmittel und Obst zu holen. Er bediente sie stets persönlich und scheuchte seine beiden Angestellten mit blitzenden Blicken in die hinterste Ecke seines Ladens. Er steckte Sue das Doppelte von dem zu, was sie für ihr Geld hätte haben dürfen. Erste Güteklasse, versteht sich. Und er hatte sich längst eingebildet, daß sie ihn ebenfalls mochte. Er hatte stets ihr strahlendes Lächeln vor Augen und träumte nachts davon.

Lew Antonella zersprang also fast vor Eifersucht und – beugte sich entschlossen zum Schlüsselloch hinunter. Lew Antonella wollte Gewißheit, mochte sie auch noch so hart sein.


*


»Sie sollten ganz schön auf dem Teppich bleiben, Sue«, sagte Joe, dessen Gesicht die mehr als deutlichen Spuren einer pubertären Akne aufwies, »noch passiert Ihnen ja nichts.«

»Was nicht ist, kann aber noch werden«, schaltete sich Randy ein, dessen Nase bei einem Boxkampf etwas zu flach geraten war, »und zwar sehr schnell, Puppe.«

»Was … was wollen Sie eigentlich?« Sue saß in dem Sessel, in den man sie sehr hart gedrückt hatte. Sie hatte ihre Hände abwehrend gehoben. »Ich … ich kenne Sie doch überhaupt nicht.«

»Ist vielleicht ganz gut so, Süße«, sagte Aknegesicht und grinste den flachnasigen Partner an, »wünsch dir das bloß nicht!«

»So was könnte nämlich deiner Schönheit schaden«, meinte die Boxernase und hatte plötzlich ein Rasiermesser in der Hand.

Sue wich unwillkürlich zurück und riß die Hände hoch vor das Gesicht. Die beiden Besucher hatten ihren Nerv getroffen. Als Mannequin bedeutete ihr Aussehen das ganze Kapital, über das sie zur Zeit verfügte.

»Sie hat kapiert«, meinte Aknegesicht zur Boxernase.

»Und wie schnell«, lobte die Boxernase grinsend, »sie muß ’nen sagenhaften Intelligenzquotienten haben.«

»Bitte, was wollen Sie denn?« Sue schluchzte vor Angst und Erregung.

»Was wohl, Puppe?« sagte das Aknegesicht, »Geld … Zaster … Flocken … Hoffentlich ist das deutlich genug!?«

»Geld …?« Sue war ehrlich perplex. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie lachte plötzlich hysterisch. Das also war es! Und sie hatte schon mit Dingen gerechnet, die die Polizei unter Sexualverbrechen zu registrieren pflegt.

»Fünfzig Dollar«, präzisierte das Aknegesicht.

»Pro Woche«, sagte die Boxernase, noch deutlicher werdend. »Zahlbar jeden Samstag!«

»Und da heute Samstag ist, sind die ersten Mäuse fällig«, redete das Aknegesicht weiter, »zahlbar in kleinen Scheinehen, Puppe. Hoffentlich bist du flüssig!«

»Fünfzig Dollar pro Woche?« Sue glaubte nicht richtig verstanden zu haben.

»In kleinen Scheinehen«, wiederholte das Aknegesicht, »hoffentlich bist du flüssig?«

»Fünfzig Dollar!« Sue konnte es nicht fassen. Sie lachte plötzlich wieder und verstummte erst, als die Boxernase Randy ihr eine derbe Ohrfeige versetzte.

»Los, beeil’ dich, Süße«, sagte er grinsend, »wir haben noch ’ne Menge anderer Adressen abzuklappern.«

»Ich … ich habe keine fünfzig Dollar«, stieß sie ängstlich hervor. Sie log nicht. Sue Weston hatte keinen festen Arbeitsvertrag. Sie bekam ihre Jobs von Fall zu Fall. Es reichte vorn und hinten nicht.

»Irgendwie eigentlich schade, was?« Randy hatte sich gespielt mitleidig an Joe gewandt.

»Mir bricht das Herz«, erwiderte Joe, das Aknegesicht, »immer diese dummen Schwierigkeiten.«

Während er noch redete, hatte er sich hinter Sue aufgebaut, griff plötzlich nach ihren Handgelenken und zerrte sie hart aus dem Sessel. Sue war vor Schreck wie starr. Sie konnte erst dann wieder einen klaren Gedanken fassen, als Joe sie auf das Bett geworfen hatte, das im Hintergrund in einer kleinen Nische stand.

»Nein … nein!« schrie sie und wehrte sich. Sie strampelte mit den Beinen und wollte laut um Hilfe schreien. Als sie jedoch den Mund öffnete, schob Randy ihr geschickt einen dicken Knebel zwischen die Zähne.

»Die leichte Tour?« fragte Joe, der Sues Handgelenk festhielt.

»Müßte eigentlich reichen«, gab Randy lächelnd zurück, »wir wollen’s nicht übertreiben!«

Sie zwangen Sue, sich auf den Bauch zu legen, um dann zur Sache zu kommen, wie sie es gewohnt waren.


*


Das war genau der Moment, als Lew Antonella durch das Schlüsselloch in Sues Zimmer spähte.

Er sah die beiden Männer, die links und rechts vom Bett standen und Sue brutal die Strümpfe von den Beinen rissen. Obwohl sie sich verzweifelt wehrte, hatte Sue keine Chance.

Lew Antonella war wie gelähmt. Er wußte, daß er jetzt eingreifen mußte, auf der anderen Seite spürte er einen nie gekannten Kitzel in sich. Das Ausgeliefertsein dieser wehrlosen Frau aktivierte sein Unterbewußtsein. Irgendwie wünschte er sich, an der Stelle dieser beiden brutalen Burschen zu sein, die Sue gegenüber bestimmt keine Hemmungen hatten. Im Gegensatz zu ihm!

Joe und Randy benutzten Sues Strümpfe, um ihre Hände und Füße zu fesseln. Sie erledigten das mit einer Routine, die darauf schließen ließ, daß sie so etwas nicht zum ersten Mal machten.

Anschließend griff Randy, das Boxergesicht, hinter Sues Halsausschnitt und riß das leichte Kleid mit einem harten Ruck von ihrem Körper.

Sue wehrte sich verzweifelt und wollte sich gegen ihr Schicksal stemmen, doch sie blieb ohne Chance. Randy und Joe beugten sich über das attraktive Fotomodell und schienen die Formen zu begutachten, die nur von sparsamer Unterbekleidung verhüllt wurden. Im Grunde trug Sue jetzt nur noch einen knappen Bikini aus einem fleischfarbenen,durchsichtigen Kunstfaserstoff.

Da Lew Antonella nichts mehr sehen und erkennen konnte, klinkte er die Tür auf und baute sich im Rahmen auf.

»Finger von dem Mädchen …!« schrie er Joe und Randy mit heiserer Stimme zu. »Raus sag’ ich. Aber schnell …! Oder ihr werdet mich kennenlernen!«

Es wirkte irgendwie grotesk, wie Lew sich in Positur geworfen hatte. Der kleine, dickliche Mann hatte sich in die Brust geworfen und im Moment jede Angst verloren.

Joe und Randy waren ehrlich überrascht.

Sie hatten sich blitzschnell zu Lew umgedreht, stutzten und grinsten dann allerdings.

»Sonst noch Wünsche?« fragte Joe sehr ruhig, fast höflich.

»Neugierig, Dicker?« erkundigte sich Randy und hatte plötzlich sein Klappmesser in der Hand. Er schleuderte es aus dem Handgelenk heraus auf Lew Antonella, der wie gelähmt und nicht in der Lage war, irgendeine Abwehrbewegung auszuführen.

Sekunden später starrte Lew fast interessiert auf seinen rechten Oberarm, in dem das Messer stak. Dann allerdings wurde ihm schlecht. Er verdrehte die Augen, spürte jetzt erst den heftigen Schmerz im Arm und rutschte ohnmächtig in sich zusammen.

Joe und Randy hatten sehr viel Zeit.

Sie gingen langsam auf Lew zu, schlossen die Tür und zerrten den Gemüsehändler tiefer in das Zimmer hinein. Mit einigen harten Fußtritten vergewisserten sie sich, daß Lew Antonella ihnen nichts vormachte.

»Und jetzt?« fragte Joe, sich an die Boxernase Randy wendend, »der Dicke stört, würd’ ich sagen.«

»Nee, nur keine Leiche«, wehrte Randy sofort ab, »du weißt doch, wie allergisch der Boß reagiert. Wir verpassen ihm ’ne Lektion, das müßte dann reichen.«

»Aber zuerst die Kleine«, meinte Joe und näherte sich wieder dem Bett, auf dem Sue Weston lag, »eigentlich schade, daß sie in den nächsten Tagen nicht mehr arbeiten kann.«


*


»Da war gerade ein Anruf für Sie«, sagte Mike Rander, als Butler Parker sich bei seinem jungen Herrn zurückgemeldet hatte. »Ich glaube eine Mrs. Antonella, wenn ich mich nicht irre.«

»Ich nehme an, Sie möchte sich für das mehr als eigenartige Betragen Ihres Mannes entschuldigen«, sagte Josuah Parker gemessen.

»Ich verstehe kein Wort«, sagte Rander und sah seinen Butler lächelnd an. Rander, mittelgroß, schlank und im Grund wie ein großer Junge aussehend, hatte sich längst an die Art seines Butlers gewöhnt. Vor allen Dingen an die mehr als barocke Ausdrucksweise Parkers, der einfache Dinge stets kompliziert auszudrücken pflegte.

Josuah Parker setzte seinen jungen Herrn ins Bild und sprach von einem verspätet einsetzenden Johannistrieb seines Gemüsehändlers.

»Sieht diese Sue Weston wirklich so gut aus?« fragte Rander interessiert.

»Ich kann nicht verschweigen, Sir, daß ihre Formen als ausgesprochen erfreulich zu bezeichnen sind«, erwiderte Parker, »ich möchte allerdings betonen, daß es sich nur um einen ersten Eindruck handelt.«

Parker verließ das Studio seines jungen Herrn und begab sich hinüber in die große Wohnhalle der komfortablen Dachgartenwohnung. Rander widmete sich wieder seinem Fall, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Mike Rander war ein gesuchter Anwalt und Strafverteidiger, der sich nur noch mit sogenannten großen Fällen befaßte. Sein finanzielles Polster ließ dies durchaus zu. Hinzu kamen seine Honorare als juristischer Industrieberater. Und die, die er als Detektiv erhielt. Mike Rander besaß eine Lizenz als Privatdetektiv, doch darüber sprach er nicht gern. Er wollte nicht noch mehr in Kriminalfälle verwickelt werden, als es ohnehin bereits der Fall war. Sein Butler sorgte schon dafür, daß sein Leben recht aufregend verlief.

Parker sprach inzwischen mit Mrs. Antonella, die er nur flüchtig kannte.

»Sie verlangten nach meiner bescheidenen Wenigkeit?« fragte er in seiner höflich-umständlichen Art.

»Mister Parker … Bitte … Sie müssen helfen! Es ist etwas Schreckliches passiert. Mein Mann … Er hat … Er ist …«

Mehr vermochte Mrs. Antonella nicht zu sagen. Ein Weinkrampf erstickte ihre weiteren Worte.

»Darf ich Ihre Worte dahingehend interpretieren, daß Mister Antonella mich zu sprechen wünscht?«

»Bitte, kommen Sie! Schnell!«

Auf der Gegenseite wurde aufgelegt. Parker ließ langsam den Hörer in die Gabel fallen und ging zurück ins Studio zu seinem jungen Herrn.

»Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich mich für eine knappe halbe Stunde entschuldigen«, sagte Parker, »das heißt, falls Sie mich im Moment nicht brauchen.«

»Hauptsache, Sie schleppen mir keinen neuen Fall ins Haus«, sagte Rander ironisch.

»Damit dürfte im Augenblick kaum zu rechnen sein«, erwiderte der Butler, »hier wird es sich um das persönliche Problem eines an sich recht sympathischen Gemüsehändlers handeln.«

Parker deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Studio. Rander sah ihm in einer Mischung aus Belustigung, Mißtrauen und dumpfer Ahnung nach.

Wieso hatte Parker es so eilig, sich mit den persönlichen Problemen eines Gemüsehändlers auseinanderzusetzen? Drohte etwa mehr dahinter?


*


Parker war stark beeindruckt.

Sein Gesicht blieb ausdruckslos, als er auf Lew Antonella hinuntersah, der schwer atmend im Bett lag. Parker hatte mit schnellem Blick bereits festgestellt, daß der Gemüselieferant von harten Profis behandelt worden war.

Antonellas Gesicht war völlig verschwollen, ein Auge geschlossen. Über dem rechten Ohr befand sich ein tiefer Hautriß, der inzwischen verharscht war. Um den rechten Oberarm lag ein dicker Verband, der durchgeblutet war.

»Sehen Sie sich das an, Mister Parker«, sagte Rosa Antonella, eine ungemein korpulente Frau von etwa fünfzig Jahren. Sie rang die Hände und wies dann anklagend hinunter auf ihren Mann, der sich nicht rührte und wahrscheinlich noch unter einem schweren Schock litt.

»Haben Sie bereits den Arzt verständigt?« vergewisserte sich Parker.

Sie schüttelte den Kopf.

»Und warum nicht, wenn mir diese Frage gestattet ist?«

»Lew wollte es nicht … Er stellte sich wie verrückt an, als ich unseren Hausarzt holen wollte. So habe ich ihn verbunden. Aber das reicht doch nicht! Sie hätten seinen Oberarm sehen müssen, Mister Parker!«

»Darf ich weiterhin fragen, warum Sie meine bescheidene Wenigkeit anriefen? Geschah dies auf den ausdrücklichen Wunsch Ihres Mannes?«

»Nein … nein … Lew wollte keinen Menschen sehen. Aber ich hab’ mich nicht daran gehalten. Ich weiß doch, daß Sie manchmal Kriminalfälle klären. Lew hat mir öfter davon erzählt. Was soll ich jetzt tun? Sehen Sie sich Lew an!«

Parker brauchte sich nicht zusätzlich zu vergewissern, daß Lew aus irgendwelchen Gründen in die Hände von Profis geraten war. Er konnte eigentlich noch von Glück reden, denn diese Profis hatten ihm nur den ersten Grad ihrer üblichen Behandlungsmethode verabfolgt.

»Wurde Ihr Mann gebracht oder kam er auf eigenen Beinen zurück ins Haus?« wollte Parker wissen.

»Er kam allein, aber wie! Er konnte kaum noch gehen. Und um ein Haar wäre er noch überfahren worden. Hier im Geschäft brach er zusammen. Soll ich nicht doch besser die Polizei holen, Mister Parker?«

»Keine … Polizei!« stöhnte Antonella plötzlich, »keine Polizei … Bitte, nicht!«

»Wen oder was haben Sie zu fürchten, Mister Antonella?« fragte Parker und beugte sich über den Gemüsehändler.

»Gehen Sie, Mister Parker. Gehen Sie!« Antonella richtete sich mühsam um ein paar Zentimeter auf, um dann aber sofort wieder kraftlos in sich zusammenzusinken.

»Wie Sie es wünschen, Mister Antonella«, sagte Parker ohne jede Verstimmung, »ich werde selbstverständlich Ihre Gründe respektieren …«

»Aber was soll ich denn jetzt machen?« jammerte Rosa Antonella und rang erneut ihre Arme und Hände, »er stirbt mir ja unter den Händen weg. Oh, Lew …«

»Er wird mit Sicherheit nicht sterben«, beruhigte Parker die korpulente Frau, »er ist, wenn ich es so ausdrücken darf, mit ausgesprochenem Fingerspitzengefühl behandelt worden, wie Sie später begreifen werden.«


*