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FEUERSTURM II

DAVID MACK

Based on
Star Trek
and
Star Trek: The Next Generation
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Susanne Picard

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Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – CORPS OF ENGINEERS: FEUERSTURM II wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Susanne Picard; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell; Cover Artwork: Martin Frei.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – CORPS OF ENGINEERS: WILDFIRE, BOOK 2

German translation copyright © 2016 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2003 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2016 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

ISBN 978-3-86425-878-7 (August 2016)

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 1

Logbuch des Captains

Sternzeit 53781,1

Aufzeichnung des Ersten Offiziers Sonya Gomez

Die Rettung des Föderationsraumschiffs Orion, das in der Atmosphäre des Planeten Galvan VI von einem unbekannten Phänomen angegriffen wurde, durch die da Vinci hat eine tragische Wendung genommen.

Unser erster Versuch, die geheime Ladung des Schiffs zu bergen, wurde abgebrochen, als Sicherheitschefin Domenica Corsi von einem seltsamen schimmernden Energiefeld unbekannter Herkunft schwer verletzt wurde. Bei der geheimen Ladung handelt es sich um einen mit Protomaterie bestückten Torpedo namens Feuersturm, der planetare Gasriesen in Zwergsterne umwandeln kann.

Ein weiterer Versuch, das Gerät durch unseren zweiten Offizier Duffy bergen zu lassen, wurde ebenfalls abgebrochen. Als Duffys und P8 Blaus Arbeitsdrohne auf ihrem Rückweg durch atmosphärische Turbulenzen daran gehindert wurde, wieder auf der da Vinci zu landen, ordnete Captain Gold an, das Schiff auf sie zuzusteuern und sie wieder an Bord zu nehmen. Während dieses Bergungsversuchs katapultierte ein thermaler Aufwind die Orion in den Schiffskörper der da Vinci.

Die da Vinci hat erheblichen Schaden erlitten. Unter den Besatzungsmitgliedern gab es etliche Todesfälle. Wir sind noch damit beschäftigt, das vollständige Ausmaß der Schäden zu erfassen, und eruieren die genaue Anzahl der Toten. Ohne die Hauptenergie können wir der Atmosphäre nicht entkommen, die uns wahrscheinlich in weniger als einer Stunde erdrücken wird, wenn unser strukturelles Integritätsfeld ausfällt. Aber selbst wenn wir diese unmittelbare Bedrohung ausschalten können, warten noch weitere Gefahren auf uns. Der Feuersturm-Torpedo ist aktiviert. Sein Countdown bis zur Detonation beträgt schätzungsweise drei Stunden.

Gomez speicherte ihren Logbucheintrag und schaltete ihren Trikorder ab. Hinter sich hörte sie das Knacken, mit dem Ina Mar ein weiteres Knicklicht aktivierte. Sein violetter Schimmer verschmolz mit dem gedämpften Leuchten der anderen, die die rothaarige Bajoranerin bereits auf der von Rauch durchzogenen Brücke verteilt hatte. Gomez strich sich eine Locke ihres langen dunklen Haars aus der Stirn, dann tastete sie vorsichtig mit den Fingerspitzen nach der Platzwunde auf ihrer Stirn. Die Wunde war mit halb getrocknetem Blut verklebt.

Die Notlichter waren nicht wieder angesprungen, was bedeutete, dass sogar die Hilfsenergie ausgefallen war. Das Einzige, was das strukturelle Integritätsfeld daran hinderte, schon jetzt unter dem Druck der Atmosphäre des Gasriesen zusammenzubrechen, war eine kleine Anzahl von industriellen Sariumkrellidbatterien. Wie sich herausgestellt hatte, hatten diese jedoch nur eine sehr geringe Lebensdauer.

Es war ungewöhnlich still auf der Brücke. Kein Pulsieren der Maschinen, kein Summen des Lebenserhaltungssystems war zu hören, ebenso war durch das Deck hindurch keine der stummen Vibrationen zu spüren, die für den Betrieb und damit das Leben auf einem Raumschiff eigentlich unerlässlich waren. Nun, da das Schiff unter die meteorologisch aktive Schicht der Atmosphäre gesunken war, hatte auch die Kakophonie des Donners und der thermischen Stürme, die das Schiff stundenlang gebeutelt hatten, nachgelassen. Die Stimmung war unheimlich und fremdartig.

Das Stöhnen und Ächzen der Hülle hatte ebenfalls erheblich nachgelassen. Gomez kam grimmig zu dem Schluss, dass wahrscheinlich die meisten der äußeren Bereiche des Schiffs und die unteren Decks nach der Kollision mit der Orion zerstört waren. Wenn noch Bereiche bewohnbar waren, befanden sich diese sicher in den zentralen Sektionen des Schiffs und den obersten Decks. Glücklicherweise gehörte die Brücke dazu, die größtenteils stark beschädigt, aber intakt war. Gomez ließ den Blick über ihre Umgebung schweifen. Es stank nach verkohlter Verkabelung, den feuerfesten Chemikalien der Leuchtfackeln und Blut. Vance Hawkins von der Sicherheit löschte gerade die letzten der kleineren Feuer, die im Inneren der hinteren Stationen ausgebrochen waren. Ina entzündete einen weiteren Leuchtstab und Songmin Wong, der Steuermann, ging eben durch die Tür in den hinteren Korridor, wo die Besatzung eine provisorische Krankenstation eingerichtet hatte.

Dr. Lense kniete mitten auf der Brücke, direkt neben dem bewusstlosen Captain Gold. Die linke Hand des weißhaarigen Captains war mitsamt dem Handgelenk unter einem Energieverbindungsknoten begraben. Der Verbindungsknoten war bei der Kollision der beiden Föderationsraumschiffe herabgestürzt. Der kleine Berg aus Metalltrümmern hätte ihn getötet, wenn nicht der taktische Offizier des Schiffs, Lieutenant David McAllan, Gold mit einem Sprung beiseitegestoßen und dabei sein eigenes Leben geopfert hätte. Lense warf einen Blick auf ihren medizinischen Trikorder und schüttelte dann den Kopf. Sie zog ein Laserskalpell aus ihrer Schultertasche und aktivierte mit stiller Präzision den Strahl. Ein schwacher Geruch nach verbranntem Fleisch kroch in Gomez’ Nase, als Lense begann, die linke Hand des Captains über dem Handgelenk zu amputieren. Sie schnitt rasch durch Sehnen und Knochen, und der Laser kauterisierte das Gewebe sofort. Dann schaltete die Ärztin das Skalpell ab und steckte es wieder in ihre Schultertasche.

„Commander?“, sprach Lense nun Gomez an. Sie wies mit dem Kinn auf Gold.

Gomez entsprach der stummen Bitte und half ihr dabei, den Captain vom Deck zu heben. Er war überraschend leicht. Sie trugen ihn hinaus in den Korridor, wo Schwester Wetzel und der medizinische Assistent John Copper sich bereits um fünf Patienten kümmerten, die auf dem Boden saßen oder lagen. Das Licht der Handlampen durchdrang die Dunkelheit, während die beiden von einem Patienten zum anderen gingen.

Die beiden Frauen setzten den Captain zwischen den Steuermann Robin Rusconi und den taktischen Offizier Joanne Piotrowski, die beide der Gammaschicht angehörten. Rusconi war wach und verzog das Gesicht vor Schmerz, auch wenn sie keinen Ton von sich gab, Piotrowski dagegen war bewusstlos. Lense nahm einen Hautregenerator aus ihrer Schultertasche und behandelte damit langsam die Platzwunde auf Gomez’ Schläfe. Gomez hielt still und ließ Lense ihre Arbeit tun. Sie sah Wetzel und Copper dabei zu, wie sie einige der violett schimmernden chemischen Leuchtfackeln, die Ina ihnen gerade gegeben hatte, aktivierten und so im Gang verteilten, dass ein maximaler Bereich Licht hatte. Sie sah wieder zu Lense, als diese ihre Arbeit beendete und den Regenerator wegsteckte.

„Haben Sie schon einen Überblick über die Zahl der Verluste?“

Lense nickte und sah zu Wetzel und Copper hinüber, während sie antwortete: „Wir sind sicher, dass vier Besatzungsmitglieder tot sind: McAllan, Eddy, Lipinski und Drew. Achtzehn weitere werden vermisst und sind vermutlich tot. Die meisten von ihnen waren in der Antriebssektion und den Schadenskontrollteams.“ Sie deutete auf die fünf Patienten, die auf dem Boden des Korridors lagen. „Wir haben fünf Schwerverletzte: Gold, Corsi, Piotrowksi, Rusconi und Shabalala. Den Rest von uns würde ich als ‚verwundet, aber einsatzfähig‘ bezeichnen.“

„Und wie bald sind diese fünf hier wieder einsatzbereit?“, wollte Gomez wissen und wies ebenfalls auf die Schwerverletzten.

Lense schüttete den Kopf. „Ohne Krankenstation? Nicht sehr bald.“ Sie hielt Gomez ihren medizinischen Trikorder hin, blätterte durch einige Daten und interpretierte sie für Gomez.

„Shabalala hat Verbrennungen dritten Grades an beinahe der Hälfte seines Körpers“, sagte sie und bezog sich dabei auf den taktischen Offizier der Beta-Schicht. „Rusconi hat einen Trümmerbruch des Oberschenkels und einen Wadenbeinbruch, dazu eine gebrochene Hüfte. Piotrowski hat einen ernsthaften Schädelbasisbruch, eine Gehirnerschütterung, ein gebrochenes Schlüsselbein und multiple innere Verletzungen. Sie hat eine Menge Blut verloren und blutet immer noch. Glücklicherweise hat sie die gleiche Blutgruppe wie Wetzel. In ein paar Minuten werde ich ihr eine Bluttransfusion geben, damit ich operieren kann.“

Gomez runzelte die Stirn. „Gold und Corsi?“

„Gold hat einen Schock. Corsi ist immer noch komatös, aber stabil.“

Gomez nickte. „Halten Sie mich auf dem Laufenden, Doktor.“

Aus dem Augenwinkel sah sie einen flackernden Lichtstrahl, der aus der Abzweigung am Ende des Korridors hereinfiel. Er hüpfte auf und ab und folgte damit den Bewegungen seines Trägers. Der immer noch träge durch die Gänge ziehende ätzende Rauch kräuselte sich im Licht. Der Lichtkegel warf einen langen Schatten. Die Umrisse der Gestalt, zu der er gehörte, wurden immer deutlicher erkennbar, je näher der Betreffende der Abzweigung des Gangs kam.

Einen Augenblick später war Gomez erleichtert, die kleine, aber vertraute Gestalt der achtbeinigen Nasat P8 Blau zu erblicken. Pattie ging aufrecht und schien unverletzt. Die Handlampe, die sie von hinten anleuchtete, befand sich noch hinter der Ecke, doch als Pattie herangekommen war, erschien auch Lieutenant Commander Kieran Duffy. Er ließ den Lichtkegel seiner Handlampe über die sitzenden Patienten gleiten und erfasste schließlich auch Gomez.

„Sind denn alle verletzt oder ist auch jemand in Ordnung?“, witzelte Duffy.

Normalerweise wusste Gomez Duffys sarkastischen Humor zu schätzen, aber dieses Mal ärgerte sie sein Reflex, auf eine Tragödie mit einer flapsigen Bemerkung zu reagieren. Sie schwieg, als er mit P8 Blau auf sie zukam.

„Tut mir leid, dass wir so spät sind“, sagte der große blonde Ingenieur, als er sich neben Gomez setzte. „Der Verkehr, du weißt schon …“

„Treiben Sie alle auf, die noch laufen können, und bringen Sie sie sofort auf die Brücke“, unterbrach ihn Gomez. Sie wandte sich um und ging dann zielstrebig wieder in den Kommandoraum zurück.

Hinter sich hörte sie, wie Duffy leise antwortete: „Jawohl, Ma’am.“

Duffy und Stevens hatten ihre sperrigen Raumanzüge abgelegt und trugen wieder die regulären Uniformen. Jetzt standen sie zusammen im hinteren Teil der Brücke, lehnten am Geländer des oberen Brückendecks und betrachteten den Haufen Metalltrümmer, den man wohl mittlerweile als McAllans Grabmal bezeichnen musste. Gomez stieg gerade über ein Loch im Boden, das sich von den beiden aus gesehen vor diesem Trümmerberg befand. Sie achtete sorgfältig darauf, immer die Richtung einzuschlagen, die es ihr ermöglichte, Blickkontakt mit Duffy zu vermeiden. Jede ihrer Bewegungen wurde von den elf der vierzehn Besatzungsmitglieder der da Vinci, die noch lebten, verfolgt. Lense, Copper und Wetzel waren nicht hier, sie bereiteten die Operation an Piotrowski vor.

„Wo genau befinden wir uns gerade?“, fragte Gomez Steuermann Wong. Der Asiate barg seine grob verbundene Linke in der anderen Hand und saß vor seiner ausgebrannten und zerbrochenen Konsole. Gomez fiel auf, dass der sonst so jung wirkende Wong in den letzten Stunden gealtert war. Sein Gesichtsausdruck hatte sich geändert, er war hart geworden und wirkte irgendwie abgeklärt.

„Wir befinden uns neunundfünfzigtausend Kilometer tief in der Atmosphäre“, erklärte er jetzt. „Wir treiben in Äquatorhöhe in einer Schicht von superheißem flüssigmetallischem Wasserstoff. Das strukturelle Integritätsfeld ist das Einzige, was die Hülle daran hindert, zu schmelzen. Sobald das Integritätsfeld keine Energie mehr hat, werden wir wahlweise verbrannt oder erdrückt. Ich weiß nicht, was davon zuerst passieren wird.“

Gomez wandte sich an Ina, die ebenfalls an den Überresten ihrer Konsole saß. „Schadensbericht aus dem Maschinenraum?“

Ina warf einen prüfenden Blick auf ihren Trikorder. „Der Warpkern wurde ausgeworfen, damit haben wir keine Hauptenergie und keinen Warpantrieb mehr. Das Impulssystem ist unterbrochen, alle Fusionsreaktoren sind im Zuge der automatischen Sicherheitsmaßnahmen abgeschaltet worden. Die Hilfsenergie fiel aus, als der Versuch, die strukturelle Integrität aufrechtzuerhalten, die EPS-Ventile überladen hat. Wir laufen gerade auf halber Notenergie der Batterien, davon geht das meiste ins Integritätsfeld. Und das wird in weniger als einer Stunde kollabieren.“

„Was ist mit Fluchtmöglichkeiten?“, fragte Gomez und wandte sich an Stevens. „Können wir das Schiff verlassen? Oder ein Notsignal senden und abwarten, bis ein Rettungsteam eintrifft?“

„Tut mir leid, Commander, nein“, erwiderte Stevens. „Die Subraumtransmitter sind zerstört, beide Shuttles aufgrund einer Hüllenimplosion ebenfalls. Nicht, dass sie so tief in der Atmosphäre eine lange Überlebenschance gehabt hätten. Die Lebenserhaltung ist ausgefallen, und wir haben nur noch für vier Stunden atembare Luft. Die meisten Fluchtkapseln und viele der bisher nicht verwendeten Raumanzüge haben wir verloren, als die äußeren Schiffsbereiche implodierten. Und selbst wenn wir ein Signal hier herausbekämen, die nächste Rettungsmöglichkeit ist wenigstens achtzehn Stunden von uns entfernt. Bis dahin haben wir schon lange keine Energie und auch keine Luft mehr.“

Gomez rieb sich mit dem Handballen die brennenden Augen. „Was ist mit dem Hauptcomputer?“

Soloman legte den Kopf schief. „Die Trikorderscans deuten darauf hin, dass der Computerkern immer noch intakt ist. Doch ohne Energie werden wir ihn nicht wieder aktivieren können.“

„Könnten Sie ihn mit einer dieser tragbaren Einheiten wieder hochfahren?“, wollte Duffy wissen. „Ich meine so einen, wie Sie ihn mit auf die Orion genommen haben.“

„Ja“, sagte Soloman. „Aber ich glaube nicht, dass ich die Zugangsluke zum Computerkern erreichen kann.“

„Die meisten Korridore auf diesem Deck sind entweder geflutet oder implodiert“, erklärte P8 Blau.

Gomez nickte und wandte sich an die junge Technikerin. „Conlon, wir brauchen Zeit. Um genau zu sein, mindestens drei Stunden. Fällt Ihnen irgendein Weg ein, die Hilfsenergie für nur drei Stunden wieder einzuschalten?“

Conlon versteinerte angesichts dieser Frage förmlich. „Mir allein? Commander, die gesamte Maschinenraummannschaft ist tot, nur ich lebe noch. Wie soll ich …“

Gomez unterbrach sie: „Nancy, wir brauchen Energie, um das strukturelle Integritätsfeld für die nächsten drei Stunden aufrechtzuerhalten, damit wir währenddessen nach einem Weg aus der Atmosphäre dieses Planeten suchen können. Mich interessiert nicht, wie Sie’s machen, aber finden Sie einen Weg, bevor die Reservebatterien in …“ Gomez warf einen Blick auf das Chronometer ihres Trikorders – „ungefähr fünfundvierzig Minuten aufgeben. Verschaffen Sie mir über diesen Zeitpunkt hinaus nur zwei Stunden.“

„Warum nur zwei?“, fragte Carol Abramowitz.

Hawkins wandte sich der kleinen, schlanken Kulturspezialistin zu und antwortete sehr direkt: „Weil das schätzungsweise die Zeit ist, zu der der Feuersturm-Torpedo explodieren und diesen planetaren Gasriesen in einen Zwergstern verwandeln wird. Wenn wir bis dahin nicht weg sind, sind wir tot, egal was passiert.“

Bart Faulwell, der Kryptograf des Schiffs, seufzte schwer und schüttelte den Kopf. „Ich bin wirklich froh, dass Sie das gefragt haben, Carol. Ehrlich.“

„Ich weiß, wir sind kaum mehr als eine Rumpfbesatzung“, erklärte Gomez und versuchte, dabei so ruhig wie möglich zu wirken. Sie sah der Reihe nach die verzweifelten Gesichter der Leute an, die hier auf der Brücke um sie herumstanden. „Aber wir müssen die Energie für das strukturelle Integritätsfeld in den nächsten fünfundvierzig Minuten wiederherstellen. Wenn das erledigt ist, werden wir uns darauf konzentrieren, die Atmosphäre zu verlassen.“ Sie wandte sich rasch von einer Person zur nächsten und donnerte ihnen ihre Befehle in einem Tonfall entgegen, der keinen Widerspruch zuließ.

„Duffy, Stevens, Sie bleiben bei mir. Wir werden jede unabhängige Energiequelle, die wir finden, auf die Notfallbatterien umleiten.

Robins, Hawkins, finden Sie für Soloman einen sicheren Weg zum Hauptcomputerkern. Überprüfen Sie alle Notfallschotts auf dem Weg dorthin und stellen Sie sicher, dass sie halten.

Conlon, Pattie, Sie suchen nach einer Möglichkeit, den Hauptmaschinenraum, den Impulskern oder jede andere Abteilung zu dekontaminieren, aus der Sie unter Umständen sowohl Haupt- als auch Notenergie umleiten können.

Faulwell, Abramowitz, Sie suchen alle sicheren Bereiche des Schiffs nach Raumanzügen, Trinkwasser, Nahrungsmittelrationen, Erste-Hilfe-Sets, Lichtquellen, Werkzeugen und Trikordern ab. Suchen Sie nach allem, was auch nur im Entferntesten nützlich sein könnte.

Soloman, Ina, Wong, Sie bleiben hier und versuchen, die Brückenfunktionen wiederherzustellen.

Alle melden sich in genau zwanzig Minuten wieder hier. Und tun Sie Ihr Bestes, uns allen gute Nachrichten mitzubringen.“

2. Kapitel

Faulwell und Carol rangen nach Luft. Mit vereinten Kräften schafften sie es, die Türhälften halb auseinanderzuschieben, und spähten in das Quartier, das sich Corsi und Lense teilten. Die Luft im Schiff wurde rasch stickiger und schaler, seit das Lebenserhaltungssystem der Hitze, die Galvan VI durch die Schiffshülle schickte, nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

Faulwell schlüpfte zuerst in den Raum und ließ den provisorischen Sack aus zusammengeknoteten Laken, die er aus Lipinskis und Eddys gemeinsamem Quartier genommen hatte, draußen im Korridor. Der Sack war mittlerweile beinahe vollständig mit zusammengesuchten Erste-Hilfe-Sets und kleinen Gegenständen aus der Standardausrüstung für Sternenflottenschiffe gefüllt, die sie im gesamten Schiff gesammelt hatten.

Carol folgte Faulwell in Lense’ und Corsis engen und dunklen Raum. Der Strahl ihrer Handlampe war auf breite Streuung gestellt und warf einen enorm großen und scharf umrissenen Schatten von Faulwell auf die gegenüberliegende Wand.

Faulwell ging rasch die Dinge auf Lense’ Seite des Raums durch. Er hatte bereits eine Routine darin entwickelt, die selbst für seinen Geschmack zu professionell wirkte. Er sah über die Schulter und bemerkte, dass Carol offenbar herumtrödelte. Sie verweilte zu lange bei den kleinen persönlichen Gegenständen, die von einem Regal heruntergefallen waren und nun auf Lieutenant Commander Corsis Bett verstreut lagen.

„Carol?“, sagte Faulwell. „Alles in Ordnung?“

Sie nickte.

„Dann sollten wir uns beeilen“, meinte er. „Schauen Sie auch unter ihrem Bett nach. Vielleicht bewahrt Corsi dort ein Phasergewehr für alle Fälle auf.“

Carol kauerte auf dem Boden, zog die Schubladen unter Corsis Bett auf und warf die zivile Kleidung darin achtlos neben sich. Faulwell beendete seine eigene Suche, bei der er einen medizinischen Trikorder und ein weiteres Erste-Hilfe-Set erbeutete. Beides hatte Lense unter ihrem Kopfkissen untergebracht. Er wandte sich zu Carol um und bemerkte, dass sie gerade aus Corsis Schublade unter dem Bett einen rechteckigen Holzkasten hervorgezogen hatte, dessen Deckel durchsichtig war. Darin befand sich eine antike Axt. Sie hatte eine breite, grob rechteckig aussehende Klinge aus Stahl und lief zu einem Dorn aus. Sie war rot bemalt, doch die Farbe war stark verkratzt und blätterte ab. Das Blatt selbst war auf einem etwa ein Meter langen Holzgriff montiert, dessen grobe Maserung und abblätternde Reste gelber Farbe ihr Alter verrieten. An der Basis war der Schaft mit dickem, schwarzem Gummi überzogen. Das Blatt lag auf einem Dreieck aus dunkelblauem Stoff, der von weißen Sternen geziert war.

Auf dem Glasdeckel des Kastens war eine kleine Plakette montiert, in die eine Inschrift eingraviert war.

Ein Feuerwehrmann begeht nur eine mutige Tat in seinem Leben – indem er seinen Eid ablegt. Alles, was er danach tut, ist nur noch Pflichterfüllung.
In Memoriam – 11. September 2001

„Sieht aus wie ein Familienerbstück“, sagte Faulwell.

Carol sah zu ihm auf. „Corsi würde es haben wollen. Wir sollten es für sie mitnehmen.“

„Ich glaube nicht, dass es solche Dinge waren, die Gomez meinte, als …“

„Schon gut, ich trage es selbst“, unterbrach Carol ihn ungehalten. Sie stand auf, klemmte sich die sperrige Kiste mit der Axt unter den Arm und ging auf die Tür zu.

„Carol, wir schaffen es hier heraus“, versprach Faulwell. Allerdings war er nicht sicher, ob er auch überzeugend klang.

Sie hielt an und stellte die Kiste mit dem unteren Ende auf den Boden. Sie stand mit dem Rücken zu ihm.

„Was, wenn wir es nicht schaffen?“, fragte sie. Der zornige Tonfall, in dem sie die Frage gestellt hatte, erwischte ihn auf dem falschen Fuß.

Sie wandte sich zu ihm um. „Wenn Sie hier draußen sterben, Bart, was wird Anthony dann tun?“

Er zuckte kurz zusammen, dann legte er den Kopf schief, lachte leise und versuchte, sich vorzustellen, was dann geschehen würde. „Ich denke, er würde eine Party schmeißen.“

„Eine Party?“