Kater_Muck

Über dieses Buch:

Kater Muck trägt keine Stiefel. Warum auch? Jede Maus würde ihn schon von weitem hören, kichern und gemütlich im Mauseloch verschwinden. Nein, der schwarze Kater Muck trampelt nicht in Stiefeln durch die Nacht. Er springt auf Bäume und jagt Amseln, die sich über ihn lustig machen. Das Herz des Nachbarkinds Simone hat er auch schon erobert. Nur der ordentlichen Frau Meister, die jeden Donnerstag das Haus des Schriftstellers Til sauber macht, ist er ein Dorn im Auge. Doch der pfiffige Kater lässt sich von ihr nichts gefallen.

Bestsellerautor Tilman Röhrig schildert humorvoll, wie Kater Muck das Leben des Schriftsellers ein bisschen bunter macht.

Über den Autor:

Tilman Röhrig wurde 1945 in Hennweiler/Hunsrück geboren. Seit 1973 arbeitet er als freischaffender Schriftsteller, Film-, Funk- und Fernsehautor. Er schrieb zahlreiche Drehbücher für Spielfilme und Serien wie Neues aus Uhlenbusch und Löwenzahn. Als Referent ist er an Schulen, Volkshochschulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen tätig. Mit seinen Büchern begeistert er jugendliche und erwachsene Leser gleichermaßen; viele davon wurden Bestseller und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem deutschen Jugendliteraturpreis und dem Großen Kulturpreis NRW. Tilman Röhrig lebt heute in der Nähe von Köln.

Die Website des Autors: www.tilman-roehrig.de/

Tilman Röhrig veröffentlichte bei dotbooks bereits die Kinderbücher Leichenhemd und Zähneklappern, Die wirklich wahre Weihnacht und Mit Hannibal über die Alpen.

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Neuausgabe Januar 2014

Copyright © der Originalausgabe 1989 by Arena Verlag GmbH, Würzburg

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Tanja Winkler, Weichs

ISBN 978-3-95520-438-9

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Tilman Röhrig

Kater Muck trägt keine Stiefel

dotbooks.

Gestern Abend.

Draußen dämmerte es. Er war pünktlich.

Auf Samtpfoten schlich er zu mir.

Sorgfältig leckte er sein schwarzes Fell, bis es glänzte.

Zum Abschluß kratzte er sich mit der linken Hinterpfote heftig hinter dem linken Ohr.

Er war bereit.

Unbeweglich kauerte er neben meinem Schreibtisch.

Nur der Schwanz zuckte manchmal auf dem Teppich hin und her.

Er lauerte und wartete.

Endlich war es ihm dunkel genug.

Kurz strich er den Kopf an meinem Hosenbein und huschte durch den Türspalt in den finsteren Garten.

Die Jagd hatte begonnen.

Heute Morgen.

Erst beim Frühstück kehrte er müde zurück.

Sein Fell war stumpf und naß vom Morgentau.

Ohne mich zu begrüßen, rollte er sich im Wohnzimmer auf dem Sofa zusammen.

Jetzt schläft er.

Kater Muck trägt keine Stiefel. Warum auch?

Jede Maus würde ihn schon von weitem hören, kichern und gemütlich im Mauseloch verschwinden.

Nein, mein schwarzer Muck trampelt nicht in Stiefeln durch die Nacht.

»Katzen schmusen immer.

Kater können zaubern.«

Wer das sagt, redet Quatsch.

Muck ist ein kluger Kater.

Er will keine Stiefel, trägt keinen Federhut, kann nicht zaubern
und will nicht telefonieren.

Er ist ein Kater, und damit basta.

Ich schreibe Bücher.

Gestern habe ich die vielen Seiten endlich eingepackt, zur Post gebracht und die neue Geschichte an den Verlag geschickt.

»Im Kopf des Schriftstellers gibt es einen Knall, danach regnet es Buchstaben, und schon ist das neue Buch fertig.«

Wer das sagt, quatscht Unsinn.

Schreiben ist Arbeit und braucht viel Zeit.

Ich trage keinen Bart, bei mir krabbeln keine Bücherwürmer rum, es knallt auch nicht, und kein Buchstabenregen fällt auf mein Papier.

Beim Nachdenken kratze ich mir den Kopf oder putze meine Brille.

Nach mir dreht sich niemand auf der Straße um.

Ich bin kein Fußballstar.

Nein, ich bin Schriftsteller, und damit basta.

Heute ist Donnerstag.

Um zwei kommt Frau Meister.

Wie jeden Donnerstag will sie mit Hui und Wischwaschweg, mit Staubsauger und Besen gegen den Staub im Haus ankämpfen.

Meinen Kater kann sie nicht leiden, das weiß ich. Warum? Das weiß ich nicht.

»Ordnung ist gemütlich, Herr Schriftsteller!«

Frau Meister hat eine laute Stimme und reißt alle Fenster auf.

Wenn Frau Meister loslegt, zittert der Dreck vor Schreck. Ich auch.

Und meinem Muck sträubt sich das Fell.

Also kurz gesagt: Ruhe haben wir heute nur noch bis Mittag.

Muck schläft sich aus, und ich soll arbeiten.

Wie Fragezeichen lehnen drei Briefe am Fuß der Schreibtischlampe.

Seit Tagen warten sie darauf, daß ich sie beantworte. Ich setze mich.

Mein neues Buch ist fertig.

Also habe ich endlich Zeit, die Post zu erledigen.

Und draußen strahlt der Junitag!

Der Nußbaum breitet Schatten, hinten an der Mauer blühen Rosen.

Vielleicht sollte ich lieber spazierengehen?

»Nein, du bleibst sitzen und arbeitest.«

Verflixt! Diese strenge Stimme kenne ich.

Diese Stimme ist in mir drin.

Immer wenn ich keine richtige Lust habe, fleißig zu sein, meckert sie gleich an mir rum.

Bei schönem Wetter am Schreibtisch hocken ist dumm, beschwere ich mich.

Sicher regnet es morgen, dann könnte ich doch ...

»Nein!« kommandiert die Stimme.

Ich seufze: Also gut, bitte sehr. Ich bleibe.

Erst einmal putze ich mir die Brille, schön langsam, schön gründlich, ich rücke sie wieder auf der Nase zurecht.

Sehr schön.

Meine gerauchten Pfeifen liegen im großen Aschenbecher.

Eine nach der anderen nehme ich sie heraus und lege sie
wie einen Kranz um Briefe und Lampenfuß.

Den Aschenbecher stelle ich vor mich hin.

An die Arbeit!

Ich drücke und drehe das Tintenfaß in die Tabakreste.

Behutsam setze ich den Anspitzer auf den Schraubdeckel.

Gut.

Jetzt das Notizbuch.

Es wackelt, bleibt doch liegen.

Dann das Feuerzeug aufrecht oben drauf.

Glück

Als Krone balanciere ich den Bleistift quer über das Feuerzeug.

Sehr gut. Der Schreibtischturm steht.

Ich bin ein Künstler!

Es klingelt im Flur. Meine Hand zuckt.

Das Kunstwerk wackelt, stürzt.

Pfeifendreck wirbelt auf, und Bleistift, Feuerzeug, Notizbuch und Anspitzer liegen um das Tintenfaß im Aschenbecher.

Türklingeln.

Es ist elf Uhr?

Frau Meister kommt erst um zwei.

Wieder. Diesmal dreimal Klingeln.

»Diese Störungen!

Ich bin doch bei der Arbeit«, schimpfe ich durch den Flur und öffne.

»Tag, Til.« Simone lacht nicht.

Sie zieht ihren hellblauen Schulrucksack von der Schulter und rüttelt ihn, daß die beiden Katzenaugen aus Kunststoff in der Sonne nur so aufblitzen.

»Unsere Lehrerin spinnt!«

»Aha«, mehr fällt mir nicht ein.

Simone geht in die vierte Klasse.

Sie wohnt gleich drüben in der Nachbarschaft.

Simone ist die einzige im Dorf, der ich nicht böse sein kann, wenn sie mich stört.

»Unsere Lehrerin will schon wieder was. Ausgerechnet heute. Bei diesem tollen Wetter!«

Simone stürmt an mir vorbei in den Flur.

»Wo ist Muck?«

Sie blickt die Treppe hinauf und sucht die teppichweichen Stufenecken ab.

»Wo ist er denn?«

»Pssst.« Ich zeige ins Wohnzimmer.

»Er war die ganze Nacht unterwegs.«

Eingerollt und friedlich liegt Muck auf dem Sofa. Simone beugt sich über ihn.

Gründlich beguckt sie ihn von oben, von allen Seiten und nickt zufrieden.

Sie tritt sogar einige Schritte zurück, dabei läßt sie den Kater nicht aus den Augen.

Ihr Finger schnellt vor.

»Er schläft doch gar nicht.«

Sie zeigt auf die hochgespitzten Ohren.

»Der tut doch nur so.«

Ich werde mißtrauisch. »Hast du etwa deiner Lehrerin versprochen ...?«

Bei dem Gedanken muß ich tief Luft holen.

»Wir sind gute Freunde, Simone. Du kannst alles von mir verlangen. Aber meinen Kater nimmst du nicht mit in die Schule.«

Simone blickt mich an, kniept mit dem rechten Auge und grinst.