Cover

Table of Contents

»Das Erwachen«

Was bisher geschah

Prolog

IL HYPERION, im Gebiet der Ash'Gul'Kon, Bordzeit: 02. Dezember 2268, 00:05 Uhr

Sol-System, im Orbit von Terra, SOL-1, Krisenraum

IL HYPERION, im Raum der Ash'Gul'Kon, Krankenstation, Bordzeit: 02. Dezember 2268, 13:14 Uhr

2236

IL HYPERION, im Raum der Ash'Gul'Kon, Kommandobrücke, Bordzeit: 02. Dezember 2268, 15:11 Uhr

Sol-System, im Orbit von Terra, SOL-1, Krisenraum

IL HYPERION, im Raum der Ash'Gul'Kon, Krankenstation, Bordzeit: 03. Dezember 2268, 09:16 Uhr

4 Tage später

Sol-System, im Orbit von Terra, SOL-1, Krisenraum

IL HYPERION, im Raum der Ash'Gul'Kon, Krankenstation, Bordzeit: 08. Dezember 2268, 11:18 Uhr

Sol-System, im Orbit von Terra, SOL-1, Krisenraum

IL HYPERION, im Raum der Ash'Gul'Kon, Maschinenraum, Bordzeit: 08. Dezember 2268, 12:19 Uhr

Sol-System, im Orbit um Terra, SOL-1, Krisenraum

IL HYPERION, im Raum der Ash'Gul'Kon, Maschinenraum, Bordzeit: 08. Dezember 2268, 12:55 Uhr

Sol-System, im Orbit um Terra, SOL-1, Krisenraum

DARK KNIGHT, im System der Ash'Gul'Kon, Kommandobrücke, Bordzeit: 08. Dezember 2268, 13:20 Uhr

Sol-System, im Orbit um Terra, SOL-1, Krisenraum

JAYDEN CROSS II, im Raum der Ash'Gul'Kon, Krankenstation, Bordzeit: 08. Dezember 2268, 15:20 Uhr

Epilog I – Das Mysterium

Epilog II – Finde Sie!

Epilog III – Die Schlacht um Alzir

Vorschau

Seriennews

Die Charaktere von Heliosphere 2265

Impressum


Heliosphere 2265

Band 39

»Das Erwachen«


von Andreas Suchanek

 

 

Die neue HYPERION

Was bisher geschah

 

Ende des Jahres 2268 steht die Menschheit am Abgrund. Admiral Björn Sjöberg konnte bei einem Staatsstreich im Februar 2266 die Macht an sich reißen und zum übermächtigen Imperator werden. Im Würgegriff von Überwachung, Geheimpolizei und absoluter Kontrolle gibt es auf den Kolonien der ehemaligen Union keine Freiheit mehr.

Nach zahlreichen Rückschlägen, verlorenen Freunden, Kämpfen und Gefangenschaft erscheint für die aus den Rebellen gegen Sjöbergs Union hervorgegangene Solare Republik endlich ein Lichtblick am Horizont. Präsidentin Jessica Shaw ist es gelungen, die Interstellare Allianz zu gründen. Gemeinsam mit den Rentalianern, den Parliden, den Aaril und den Kybernetikern bildet die freie Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft.

Doch die gute Nachricht wird getrübt. Die Ash'Gul'Kon, Spinnenskorpione, die Äonen in einem Tachyonengefängnis eingeschlossen waren und im November 2267 entkommen sind, holen zum großen Schlag aus. Ein lange vorbereiteter Plan wird umgesetzt. Die Tachyoneneinheit, bestehend aus zwei genetisch manipulierten Menschen, soll die Zeit im Bereich aller besiedelten Planeten der galaktischen Völker einfrieren, um den Ash'Gul'Kon den letzten Vernichtungsfeldzug zu ermöglichen.

Die HYPERION unter Commodore Jayden Cross und Captain Noriko Ishida fliegt ins System der feindlichen Aliens und verändert erfolgreich die Zieleinstellung des Geräts. Während den Welten der Allianz damit eine Ruhephase vergönnt ist, werden die Spinnenskorpione sowie das Imperium in der Zeit eingefroren.

Commodore Jayden Cross, Commander Noriko Ishida und die Crew der HYPERION können dank eines im Schiff integrierten Neutralisators so den fremden Weltraum erkunden, bewegen sich dabei aber massiv verlangsamt gegenüber dem normalen Zeitablauf außerhalb des Ash'Gul'Kon-Gebietes. Kurz nach dem Einflug in das feindliche Gebiet bricht ein Raumschiff aus dem übergeordneten Phasenraum hervor. Es stellt sich heraus, dass es sich hierbei um die verschollen geglaubte JAYDEN CROSS handelt, die zudem einen Eriin-Kreuzer im Schlepptau hat.

Nach dem Wiedersehen der Crews erfolgt der erste Außeneinsatz auf einer Sporenstation, bei dem Tess Kensington endlich befreit werden kann. Doch die Rettung von der Station bringt eine böse Überraschung mit sich. Mit den Schiffen der Flotte scheint etwas Furchtbares geschehen zu sein …

Prolog

 

2236

 

Maxwell starrte versonnen auf die weiten grünen Flächen. In der Luft lag ein Geruch nach Orange und Zimt, der von einer einheimischen Pflanze erzeugt wurde. Die Sonne stand hoch am Himmel und warf ihre wärmenden Strahlen auf die Kolonie herab, Vögel zwitscherten ihr Lied. Ein Idyll.

Das Blinken seines Hand-Coms ließ ihn aufseufzen. Er berührte ein Icon, worauf die schematische Darstellung eines Biobots erschien.

Die winzigen insektenähnlichen Konstrukte waren etwa vier Zentimeter lang und bestanden aus einem Skelett dünner Aluminiumdrähte. Diese waren mit elastischer Protoplasthaut überzogen. Darauf waren etwa dreißigtausend Herzmuskeln aus Zellkulturen einer einheimischen Rattenform angeheftet. Durch genetische Manipulation zogen die Muskeln sich zusammen, wenn blaues Licht auf sie traf, entspannten sich aber wieder, sobald es abgeschaltet wurde.

Ganze Schwärme der Kreaturen bedeckten die Außenseite der Fabrik und reinigten die Oberfläche. Die Genetiker hatten jedoch nicht bedacht, dass die Sonnenstrahlung hier auf Perkforth II einen hohen Anteil Blaulicht enthielt. Das machte es schwierig, die winzigen Biobots mittels Licht zu steuern. Und nicht zuletzt deshalb fielen ab und an einige von ihnen aus.

»Wieder einer mit verkrampften Muskeln«, fluchte Maxwell.

Er startete das winzige Gerät neu, worauf die Muskeln sich automatisch entkrampften. Lange würde das jedoch nicht mehr gut gehen. Die Zellen der Biobots mussten generell angepasst werden, damit sie auf das hiesige Spektrum reagierten.

In der Ferne schwebte ein Gleiter heran, um Saatgut auf einem Feld zu verteilen. Die Kolonie existierte erst seit etwa sechs Jahren, gehörte jedoch zu den Gewinnern der neuen Unionsgesetze, die in den ersten Jahren nach einer Gründung erhöhte Subventionsmaßnahmen vorsahen. Der Präsident wollte verhindern, dass sich weitere »Randwelten« bildeten. Doch diese Gefahr bestand hier nicht. Eine blühende Flora und Fauna, dazu eine Wirtschaft, die im Aufschwung begriffen war – der Erfolg war vorprogrammiert.

Er schaute auf zu dem gewaltigen Gebäude aus molekular verdichtetem Beton und Stahl. Insbesondere einem der Silos. Er hatte sich lange gegen die Zweckentfremdung gesträubt, war vom Kolonierat aber überstimmt worden. Die Genetiker hatten darauf bestanden. In ihren Reagenzgläsern züchteten sie neue Bakterien heran, die mit genetischen Eigenschaften anderer Wesen ausgestattet wurden. Wie das Ideonella sakaiensis 201-F6, das bereits im 21. Jahrhundert von Forschern entdeckt worden war. Der Bakterienstamm konnte Plastik zersetzen und dadurch ein perfektes Recycling ermöglich. Die neue Kultur sollte Plastoplex auflösen, weshalb sie natürlich nicht in einer Fabrik hergestellt werden konnte, die damit ausgekleidet war.

Die Genetiker hatten also Tierkadaver hierhergeschafft, da zur Reifung der Bakterien verdorbenes Fleisch notwendig war. Logischerweise aß kein Mensch heutzutage mehr Tierfleisch, wozu gab es identisch aussehende und schmeckende Proteinderivate? Man hatte daher verendete Tiere aus der Wildnis geborgen und nutzte das aufgeweichte Aas als Brutstätte. Eine widerliche Angelegenheit.

»Hoffentlich ist das bald erledigt«, murmelte er missmutig.

Die Genetiker waren ihm nicht geheuer, kam die neueste Gruppe doch direkt von Terra. Angeblich sollten sie die Kolonie unterstützen, aber immer, wenn sie das sagten, leuchtete es in einem der Gesichter belustigt auf.

»Sir«, erklang eine Stimme.

Er wandte den Blick vom Silo ab. »Was gibt es, Jake?«

Der Vorarbeiter wirkte bedrückt. Hätte er eine Mütze besessen, vermutlich hätte er sie zwischen seinen Händen geknetet. »Ihr Sohn ist davongelaufen.«

Maxwell schnaubte. »Der Junge hat genmanipulierte Hummeln im Arsch. Wenn ich ihn das nächste Mal mitnehmen will, reden sie es mir gefälligst wieder aus.«

Die weiteren Worte blieben ihm im Hals stecken. Ein rotes Icon auf seinem Hand-Com signalisierte, dass das Schott zum Silo geöffnet worden war. Die Bakterienkulturen! Im gleichen Augenblick erinnerte er sich an die interessierten Fragen, die sein Sohn ihm heute Morgen gestellt hatte. Seine Hand tastete fahrig an den Gürtel. Die Chipkarte war fort. Ohne weiter auf Jake zu achten, raste Maxwell davon. »Peter!«

Er sprang in den Lift und ließ sich zum Zugangsschott tragen. Es stand noch immer offen.

Seine Schritte hallten auf dem Metall der Verbindungsstege, als er darüber hastete. Der Spezialsilo stand ganz am Rand. Ein gewaltiges Becken, in dem es brodelte und blubberte. Die Bakterien hatten längst mit der Zersetzung des Fleischs begonnen. Der Geruch wurde von einem einfachen Atmosphärenfeld gefiltert.

»Peter!«

Er blieb am Geländer stehen und schaute nach unten. Leblos trieb sein fünf Jahre alter Junge auf der breiigen Masse.

Hinter Maxwell kam Jake hereingerannt.

»Rufen Sie die Paramedics!«, brüllte er. Ohne weiter nachzudenken, sprang er in den Tank, packte Peter und hob seinen Kopf in die Höhe. Mit seinem Hand-Com aktivierte er die Notfallprozedur, worauf die schleimige Masse durch kleine Abläufe im Boden in ein unterirdisches Depot gepumpt wurde.

Minuten später wurden sie aus dem Silo geholt. Die Paramedics konnten Peter reanimieren, er wurde von allen Rückständen gesäubert. Maxwell ebenso. An jenem Tag kamen sie mit einem Schrecken davon.

So dachten sie.

Doch Tage später, als Peter schlechter hörte, weniger sah und kaum noch etwas roch, begann der wahre Albtraum. Sie nannten es das Erios-Virus. Ein Name, der in die Geschichtsbücher einging. Natürlich wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand, dass es absichtlich erzeugt worden war.

So wurde Peter Task zum Patient X. Sein Leben sollte nie wieder das Gleiche sein. Bis zu einem fernen Tag …

 

 

 

 

 

 

 

I

 

Davor

 

 

 

 

 

 

 

 

IL HYPERION, im Gebiet der Ash'Gul'Kon, Bordzeit: 02. Dezember 2268, 00:05 Uhr

 

Die Stille schmerzte in seinen Ohren.

Peter warf sich von der einen zur anderen Seite, gab den Versuch aber schließlich auf, doch noch irgendwie Schlaf zu finden. Vorsichtig schob er sich unter dem Arm hindurch, der ihn umschlungen hielt, stieg aus dem Bett und schlüpfte in Hosen, Shirt und Schuhe. Mit einem letzten Blick zurück verließ er das fremde Quartier. Auf dem Gang atmete er kurz durch. Während der Bordnacht herrschte gedämpftes Licht. Nur wenige Mannschaftsmitglieder waren unterwegs. Von denen, die wach waren, versahen die meisten ihren Dienst in der Deltaschicht.

Er griff im Reflex in die Tasche seiner Hose und prüfte, ob das Büchlein noch da war. In den letzten Tagen hatte er jedes Mal gelächelt, wenn er es hatte hervorholen können. Doch jetzt erinnerten ihn der raue Einband und die brüchigen Papierseiten nicht länger an einen überwundenen Schrecken; es machte ihn im Gegenteil wieder präsent.

Peter ging zum Aussichtsdeck.

Wie erwartet war niemand dort. Nicht um diese Uhrzeit und in einer solchen Situation. Er sank auf eine Bank und blickte hinaus in die Schwärze. Der Verband glitt zwischen Sporenstationen und -schiffen hindurch, die alle in der Zeit eingefroren waren.

»Geht es dir nicht gut?« CARAs Stimme klang zaghaft, wie immer, wenn sie ein neues Gespräch begann.

Er mochte die Junior-K.I. gerne, unterschätzte aber auch niemals ihre Neugier. »Ich muss eine wichtige Entscheidung treffen.«

»Du sprichst von Irinas Plan, dich mit dem Erios-Virus zu infizieren und die vollständige Mutation durchlaufen zu lassen«, drang es aus dem Interkom. Damit bewies CARA erneut, dass sie stets auf dem Laufenden blieb.

Peter schluckte. Er drehte das Büchlein in seinen Händen. »So ist es. Ich bin erst seit wenigen Wochen geheilt. Die Zeit davor … all die Jahre kommen mir vor, als hätte ich sie in einem Nebel gelebt. Ich habe eigentlich nie gelebt, allenfalls existiert. Schlafen war nur mit Medikamenten möglich, das Raumschiff zu steuern mein einziger Lebensinhalt. Freunde … reden wir nicht davon. Doktor Petrova hat deutlich gemacht, dass es passieren kann …« Ihm versagten die Worte.

Das Schiff passierte einen kleinen Meteoritenschwarm, der in Sichtweite im All hing. Einsame Trabanten.

»Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs liegt immerhin bei 71 Prozent«, erklärte CARA hilfsbereit. »Am Ende wird im Falle dieses Erfolgs ein Impfstoff für das Ash'Gul'Kon-Virus stehen. Die Spinnenskorpione könnten sich nicht länger fortpflanzen. Sollte während der Prozedur nichts schiefgehen, wirst du wieder vollständig genesen.«

»71 Prozent«, echote Peter. »Und das nur, falls alles glatt läuft. Das ist nicht viel.«

»Es gab Situationen, in denen das Überleben dieses Schiffes mit einer viel geringeren Wahrscheinlichkeit kalkuliert wurde.«

Unweigerlich musste er schmunzeln. Die Missionen von Commodore Cross besaßen in schöner Regelmäßigkeit die Angewohnheit, recht abenteuerlich zu werden. Manchmal überlebten sie dank des vereinten Könnens der Besatzung, andere Male aufgrund puren Glücks. »Das stimmt wohl. Aber hier geht es um mein Leben, das ich gerade erst zurückbekommen habe. Ich kann dir nicht beschreiben, wie es in all der Zeit war. Isoliert, einsam … ich war ein Außenseiter.«

Vor dem transparenten Aluminium schob sich der Bug der JAYDEN CROSS II vorbei. Das Schiff von Captain Belflair wurde aktuell von ihrem I.O. befehligt, da sie gemeinsam mit dem Rest des Außenteams – Commodore Cross, Captain Ishida, Alpha 365 und Fähnrich Ian McAllister – als verschollen galt.

»Ich weiß, was Einsamkeit bedeutet.« In CARAs Stimme schwang etwas mit, was er nie zuvor wahrgenommen hatte. »Bevor ich auf der HYPERION ein neues Zuhause fand, war ich viele Jahrzehnte allein auf der Raumstation. Ich verstehe deine Angst. Aber was ist, wenn du durch dein Opfer viele Leben retten kannst? Möglicherweise die galaktischen Völker als Ganzes. Was, wenn ohne dein Opfer alle sterben? Das ist Einsamkeit, Schuld und Tod. Andererseits hätte ich ebenfalls Angst.«

Nachdenklich blickte Peter in das umgebende All. Momentan war der Verband allein. Die Menschheit, ja, die gesamte Allianz, raste als Teil des normalen Zeitablaufs an ihnen vorbei in die Zukunft. Wie viel Zeit würde dort draußen verstrichen sein, wenn der Schleier fiel? Peter fragte sich das oft. In diesem Fall kam es ihm zugute, dass er in den vergangenen Jahren keine Freunde außerhalb der HYPERION gefunden hatte. Er würde niemanden vermissen und niemand ihn. Einzig seine Eltern würden sich fragen, was aus ihm geworden war. Das taten sie vermutlich die ganze Zeit.

»Was ist das für ein Buch?«, fragte CARA.

Peter betrachtete es versonnen. »Eine Hoffnung.« Er schob es zurück in die Tasche. »Danke für das Gespräch.«

»Gerne, jederzeit wieder«, entgegnete die Junior-K.I. freundlich. »Mein Serverraum steht dir offen.«

Peter strebte auf den Ausgang zu. »Ich komme darauf zurück.« Das Schott fuhr zur Seite. »Falls ich kann.«

 

*

 

Aus dem ViKo-Becher vor ihm wallten Dampfschwaden in die Höhe. Peter blinzelte auf sein Hand-Com. Es zeigte die Bordzeit: 05:30 Uhr. Nach seinem Gespräch mit CARA war er doch noch eingeschlafen. Etwa fünf Stunden.

Der Rundruf von Commander Akoskin, der in Abwesenheit von Cross und Ishida das Kommando innehatte, hatte ihn ziemlich unsanft geweckt. Als Peter den Blick schweifen ließ, realisierte er, dass es den meisten anderen genauso ging.

Sarah McCall saß an dem runden Tisch, wippte ungeduldig vor und zurück und sah kein bisschen müde aus. Wie sie das bewerkstelligte, war ihm ein Rätsel. Giulia Lorencia wirkte fahrig und besorgt gleichermaßen. Immerhin war Captain Ishida ihre Lebensgefährtin und wurde vermisst. Michael Larik und Jane Winton hingegen schienen wie immer ausgeruht, überlegt und ruhig. Doktor Tauser war weder anzumerken, was er fühlte, noch ob er müde oder ausgeschlafen war. Ein beeindruckendes Talent, das Peter gerne ebenfalls besessen hätte. Er selbst sah vermutlich aus wie ein zerrupftes Eichhörnchen.

»Ich habe Sie alle zusammengerufen, weil unsere Chefingenieurin eine beunruhigende Entdeckung gemacht hat«, begann Kommandant Akoskin. Er war beim Sprechen aufgestanden und hielt seinen Rücken kerzengerade, sodass die Uniform über der breiten Brust spannte. Das dunkle Haar kräuselte sich, der Dreitagebart verlieh ihm einen verwegenen Ausdruck. »Wie es scheint, bricht der Tachyonenschleier an einigen Stellen zusammen. Seit ein paar Stunden kommt es immer wieder zu seltsamen Effekten in der Umgebung, die auf einen unterschiedlichen Zustand benachbarter Raumschiffe oder Stationen hindeuten.« Er erteilte Lorencia mit einer Handbewegung das Wort.

Die Chefingenieurin berührte ein Icon auf dem Touch-Desk. In der Luft entstand ein Abbild des Schiffsverbands, der von einer Kugel umgeben wurde. »Wie jeder hier sehen kann, sind wir durch eine Blase geschützt, die der Neutralisator der HYPERION um die Schiffe des Verbands herum erzeugt.« In dem Hologramm leuchteten kleinere Wirbel auf. »Nun kommt es immer wieder zu einzelnen Wirbeln in denen ein unterschiedlicher Zeitablauf herrscht. Sobald ein solcher mit uns kollidiert, muss er gezielt ausgeglichen werden. Das dauert aber einige Sekunden, manchmal Minuten. Stellen Sie sich also bitte auf interessante Effekte ein, die in den kommenden Tagen auftreten werden.« Sie nahm wieder Platz.

»Was ist mit dem Außenteam?«, wollte Doktor Tauser wissen. Mittlerweile stand sein Bart erneut in voller Pracht, den er einige Wochen zuvor für einen Einsatz abrasiert hatte.

»Wir wissen es nicht.« Akoskin deaktivierte Lorencias Hologramm. »Unsere Sensoren sind massiv eingeschränkt, daher brauchen wir irgendeinen Hinweis.«

Aktuell steuerte Peter die HYPERION während seiner Schicht auf große Massepunkte zu – immerhin die konnten sie durch die von ihnen generierte Verzerrung aufspüren –, weil die Vermutung nahelag, dass es sich um wichtige Produktions- oder Steuerzentren handelte. Auf ihrem Weg feuerten sie Torpedos auf Sporenraumer, -stationen und Produktionszentren. Zwar wurden diese nach dem Verlassen der Neutralisationszone des Verbands in der Zeit eingefroren, doch sobald der Tachyonenschleier zusammenbrechen würde, würden sie ihr Ziel innerhalb von Sekunden erreichen. Die Ash'Gul'Kon konnten sie nicht mehr aufhalten.

Das war exakt das, was ihr uns zugedacht hattet.

Der Gedanke bereitete ihm eine diebische Freude. Zwar glich die Zerstörung lediglich Nadelstichen, aber immerhin das. Die Kriegshand würde fluchen, die Stimme mit etwas Glück vor Wut explodieren.

»Wir sollten uns trennen«, sagte Sarah McCall. Alle Augen richteten sich auf die Zeitreisende. »Sprechen wir es doch aus, wie es ist: Der Verband fischt im Trüben. Wenn das so weitergeht, entdecken wir das Außenteam viel zu spät. Vermutlich, sobald der Tachyonenschleier zusammenfällt. Aber ob wir sie dann noch erreichen, ist fraglich. Es ist, wie es ist: Die IONE KARTESS und die DARK KNIGHT sollten mit der JAYDEN CROSS so schnell wie möglich von hier verschwinden und uns allein weitersuchen lassen.«

Akoskin schüttelte kategorisch den Kopf. »Auf keinen Fall! Die IONE KARTESS ist nach wie vor abhängig von unseren Energiebatterien, die DARK KNIGHT nach ihrer Havarie in das Mars-2-System noch immer nicht wieder instand gesetzt; sie brauchen unsere Hilfe und unseren Schutz. Ich bin nicht bereit, dieses Risiko einzugehen.«

McCall erhob sich. Sie funkelte Akoskin an, als hätte sie gerade von ihm mehr Zuspruch erwartet. »Das Außenteam ist irgendwo dort draußen. Mit jeder Minute, in der wir sie suchen, verlieren wir Zeit. Zeit, die wir für Tess bräuchten. Vergessen Sie nicht, Sir, dass sie auch hier festsitzt. Nach ihr zu suchen ist unsere einzige Chance, denn auch das Außenteam wird auf dem Weg zu ihr sein.«