Gudrun Büchler, Koryphäen

© 2017, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

Wir bedanken uns beim Land Niederösterreich für die finanzielle Unterstützung.

 

 

Lektorat: Nadine Kube

Umschlag: Jürgen Schütz

Umschlagbild: René Magritte, The Difficult Crossing, 1926 © Bildrecht, Wien, 2016, Foto © Erich Lessing

EPUB-Konvertierung: Esther Unterhofer

ISBN: 978-3-903061-51-4

 

Printausgabe: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

ISBN: 978-3-902711-60-1

 

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Gudrun Büchler

(geb. 1967 in Mödling bei Wien) absolvierte 2008/09 die Leondinger Akademie für Literatur und veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2014 erschien ihr Romandebüt Unter dem Apfelbaum im Septime Verlag und wurde mit dem Kulturpreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet.

 

Klappentext

Auf einer Plattform im Atlantik werden sämtliche Profile und genetischen Informationen der Menschen gesammelt, um Algorithmen für die Optimierung menschlicher Ressourcen zu schreiben.

Curt, Leiter der Serverfarm, überwacht die sogenannten Castings, Suchläufe abseits des Datenschutzes und aller Menschenrechte, die von Lobbyisten, Geheimdiensten und anderen Interessenverbänden in Auftrag gegeben werden.

Hausman, ehemaliger Wissenschaftler, lebt als Aussteiger auf einer Insel im Indischen Ozean – zusammen mit einem verkabelten Gummibaum, der ihm jede sensorische Irritation von außen anzeigt. Kommunikation betreibt Hausman über seinen Bewusstseinsfaden, durch den er mit dem weltweiten telepathischen Netz verknüpft ist. Auf seinen körperlosen Streifzügen durch Geist und Raum gerät er in Curts Gedanken und aktiviert dessen sensorische Fähigkeiten.

Doch dieses Wissen um die Grenzenlosigkeit des menschlichen Bewusstseins ist gefährlich, weiß Hausman und bald auch Curt, vor allem, wenn man übergeordnete Interessen empfindlich stört und die Netze außer Kontrolle geraten.

Bei einer inoffiziellen Recherche stolpert Curt über kryptische Datensätze, deren Verbindungen in sein privates Umfeld weisen und deren Brisanz sofort die Zentrale auf den Plan ruft. Curt, skrupellos und effizient in seinem Job, begreift allmählich seine Rolle in dem manipulativen System.

Der Mensch endet nicht an seiner Kontur, lernt Curt, als er sich durch seine inneren Ängste getrieben gedanklich über sich hinausdehnt und feststellt, dass Raum und Zeit keine Kriterien für den eigenen Horizont sind – und für die Möglichkeiten der Kommunikation.

Datensätze sind messbar, Gedanken sind verfolgbar, Realität ist vielschichtig: Bewusstsein – der Dreh- und Angelpunkt, eine Synthese aus den uns geläufigen und vorstellbaren Wirklichkeiten.

 

»Menschen können zwar getötet werden, aber kein Gedanke, der einmal gedacht worden ist.«

 

 

 

 

 

 

 

Gudrun Büchler

Koryphäen

Roman

 

 

 

 

 

 

Ich bin der Weitersager, der es weitersagt,

damit, was geschieht, nicht umsonst geschieht,

damit die Menschen von den Göttern lernen können,

und die Götter von den Menschen,

damit das Leben vom Tod lernt, und der Tod vom Leben:

Denn wo Nachricht den Tod überdauert,

dort fängt Hoffnung an.

Erich Fried

 

 

 

 

 

 

 

 

Jener Körper, der einst auf Marin Sostakov getauft worden war, lag neben ihm. Von dem Herz, das vor wenigen Minuten noch seines gewesen war, trennte ihn nur Haut. Die ihn von dem Wissen ferngehalten hatte, wusste er nun, das hier draußen frei zugänglich war. Frei wie jede Form von Energie. Er blickte den Backsteinbau der Universität hinauf, noch immer stand das Fenster der Bibliothek offen. Alles Wissen, das es in die Lehrpläne der Menschheit geschafft hatte, dort in Regalen geordnet. Tausende von Büchern, die ihm den Rücken zukehrten. Hunderte von ihnen hatte er in der Hand gehalten, in ihnen gesucht, mit dem Verstand, diesem Herzen, mit allem, was ihn ausmachte. Eigentlich sollte er feiern.

Kurz gab er der Wehmut nach, ahnte, sie war ein flüchtiger Rest, der ihn mit dem Körper noch verband. Erinnerte sich des Blicks über die Bäume des Campus vom Fenster aus, eine Hand tief in die Hosentasche versenkt. Die flirrende Sommerluft, Dunstfetzen, die in der Mittagshitze hingen. Alte Ziegelbauten zwischen den Bäumen und junge Menschen. Schwalben, die tief tauchten, denen das Zwitschern untersagt schien, wie den Studenten das Lachen.

Er, Marin Sostakov, war kurz davor gewesen, alle wissenschaftlichen Größen anzurufen, ihnen die Ergebnisse des Versuchs zu schicken. Keiner sollte ihn mehr ignorieren oder denunzieren, ein Wahnsinniger zu sein, einer, der behauptete, alle Energie, die der Mensch brauche, stünde jedem immer und unbegrenzt zur Verfügung. Er, Marin Sostakov, wusste, die im Raum vorhandene Energie lässt sich umsetzen in mechanische, in künstliches Licht und in Wärme und in abgekochtes Wasser. Bis in den letzten Winkel dieses Planeten, dieses so wundervollen: Jeder sollte sie nutzen können, hatte er gedacht. Es ist soweit, egal, was passiert, Menschen können zwar getötet werden, aber kein Gedanke, der einmal gedacht worden ist.

Das, wusste er, galt unverändert, jetzt, da er jenseits dieser Haut hockte und dieses Gehirns, das als Marin Sostakov versucht hatte, Wissen auf der Erde zu landen und Antworten auf Fragen zu finden, die sich hier draußen nicht stellten.

Das Flirren in der Luft flaute ab. Von hier aus betrachtet hatte es weniger mit Sommer zu tun als vom Fenster aus.

Du kannst den Stecker nun ziehen, es ist soweit, hatte er gedacht, erinnerte er sich, und tief ausgeatmet.

Zieh den Stecker, es ist soweit.

Er, der neben dem Körper hockte, blickte sich um. Den Schwalben gleich tauchten diese Worte durch die erdnahen Schichten. Tief in der Hosentasche ballte sich Marin Sostakovs Hand noch um den Zettel, auf dem sie notiert waren. Verwoben mit Gedanken, sah er, die sich dort oben in der Bibliothek bündelten. Auf dem Tisch sah er das Glas Tomatensaft stehen, mit dem Marin Sostakov auf das Semesterende angestoßen hatte. Die Kollegen längst beim Abschließen ihrer Schreibtische oder in den allerletzten Stunden oder bereits beim Wirten.

Er erinnerte sich, eingeatmet zu haben. Zeitlebens hatte er nie so bewusst geatmet. Auf das Fensterbrett gesetzt – aus – die Beine hinausgeschwungen – ein.

Es ist soweit. Er hört das Wasser durch die Wurzeln der Bäume steigen und das Licht in ihre Blätter sickern. Hört die Luft aus dem Körper weichen. Nur das Herz, das seines war, ist still.

Er hockt neben dem Körper, der einst auf Marin Sostakov getauft worden war und als solcher feuerbestattet wird in zwei Wochen, weiß er. Sein Sohn wird sie mitnehmen, die Körperasche, nicht jedoch seine Unterlagen, die wird ein anderer mitnehmen, weiß er auch, und das nicht erst in zwei Wochen. Ob es ein Zurück in diesen Körper gibt, die Frage stellt sich nicht, spürt er. Wer das ist, der spürt, fragt er stattdessen und wie der in diesen Körper kam. Die Antwort darauf wird er nicht mehr niederschreiben können.

Er sieht zum Fenster hinauf.

Der Mann ist dunkelhaarig. Hinter getönten Brillengläsern grüne Augen mit metallisch blauem Schimmer. Kurze Nase mit Sommersprossen, vereinzelt graue Haare im Bart, der neun Tage alt ist. Kein Schweißtropfen auf der Haut des Mannes, 14 % Körperfett, biologisches Alter 28. Er fotografiert Marin Sostakovs Körper, scannt den Campus, richtet die Sensoren aus. Für den Bruchteil eines Moments dehnt der blaue Schimmer sich zum Scheinwerferkegel, tastet bis zu den Bergen und zieht sich genauso schnell hinter die Sonnenbrille wieder zurück. Der Mann verschwindet im Inneren der Bibliothek.

Er überlegt, dem Mann zu folgen. Sieht das Gehirn erstarren, mit dem er dachte, gedacht zu haben. Er hört das Sonnenlicht sickern und ein Fenster schlagen, sieht den Mann die Stiegen hinaufgehen zum Büro, auf dessen Türschild Prof. Marin Sostakov steht. Er sieht ihn das Büro fotografieren, die Daten seiner Festplatte überspielen.

Der Mann holt ein Handy aus der Brusttasche, Sostakov dehnt sich zur Hausmauer und den Ziegelbau hinauf bis in den siebten Stock. 74B12, hört er den Mann sagen, der Stecker ist gezogen. Er beendet die Verbindung und lässt das Handy wieder in die Brusttasche gleiten. Sostakov weiß nicht, welche Sprache er gehört hat, aber verstanden hat er sie, und der Nachhall der Worte umflirrt ihn wie das Sonnenlicht. Irgendwo, auf der anderen Seite des Atlantiks legt jemand ein Telefon weg, öffnet eine Tabelle und färbt die rote Schrift von 74B12 um in schwarze, notiert das Datum dieses Julitages, welcher Tag? Die Jahreszahl notiert er, was bedeutet schon ein Jahr?

Sostakov blickt hinunter. Die Lichtpartikel über dem Körper, der soeben ausgeschwärzt wurde, flimmern besonders hell. Drängen sich dicht aneinander, formieren sich und rieseln gegen die Schwerkraft zu ihm herauf, die Partikel, als erinnerten sie sich, soeben noch Faden gewesen zu sein. Der sich langsam aufzulösen beginnt, wie eine chirurgische Naht. Nicht heute und nicht morgen, spürt Sostakov, aber bald. Er betrachtet das hagere Gesicht unter sich, den sehnigen Körper, dem jede Spannung nun entwichen ist. Die Organe liegen still. Ein braches Wunderwerk, denkt Sostakov und wünscht, er könne noch weinen.

 

 

Hausmans Bewusstsein glitt durch die dritte Schlafphase. Die Hirnstromfrequenz betrug dreizehn Herz. Der Körper lag entspannt. Gleich würde die Frequenz auf vier Herz abfallen, in Tiefschlaf, auf zwei sogar, das Bewusstsein weitete sich.

Eine Weile achtete es auf den Atem des Schlafenden, nahm das Rascheln der Palmblätter in der Brise wahr, das Trippeln der Krabbenbeine draußen auf der Veranda. Keine Dünung war zu hören, selbst das Meer schien unter trägem Mondlicht zu schlafen. Die Messwerte des Polygraphen auf Hausmans Schreibtisch zeichneten eine Linie auf den Bildschirm, die der Meeresoberfläche glich.

Hausmans Bewusstsein folgte dem Rhythmus des Brustkorbs, dem Heben und Senken, vertiefte den nächsten Atemzug. Jener Teil, der nicht auf den Namen Leonid Hausman reagierte, hob ab und verließ den schlafenden Körper, entfernte sich mit jedem Ausatmen, behutsam, verharrte nun an der Decke des Bungalows, während sich der Körper unter ihm zur Seite drehte. Das Leintuch lag zerknäult zwischen die Knie gezogen. Die grauen Haare auf Hausmans Rücken rührten ihn ein wenig. Noch einmal lauschte er den gleichmäßigen Atemzügen und hob sich schließlich durch das Dach hinaus über die Palmen, die Insel und über das offene Meer. Im Osten türmten sich Monsunwolken auf.

In Flughöhe der Air India, der Emirates und Singapore Airlines und wie sie alle hießen befand er sich endlich auch außerhalb der Reichweite von Hausmans Emotionen. Ungerührt von grauen Haaren und anderen Körperlichkeiten kreuzte er noch zwei Kondensstreifen, wandte sich schließlich um und blickte auf die Erde. Den Vollmond im Rücken, pendelte er sich in einer Distanz ein, die ihn am Rand der Erdkrümmung die Tagesdämmerung des kommenden Morgens erahnen ließ. Hell und dunkel, drinnen zuvor und nun draußen im Orbit, hier bezog er seinen Nullpunkt.

Er schaute den silbrig schimmernden Faden entlang hinab, in diesen kleinen, pyramidenförmigen Bungalow unter den Kokospalmen. Hausmans ins Kissen geknautschte Gesicht war zu einem Lächeln verzogen.

Er holte seinen Blick wieder ein, heraus aus dem Bündel an Fäden, die auf der Insel endeten. Alle schliefen sie. Auch auf den Nachbarinseln. Die Menschen auf dem Festland ebenso, wusste er, selbst wenn die Fäden über den Städten kaum zu sehen waren und verschwanden zwischen Laternenlicht, Gebäudestrahlern und Leuchtreklamen. Dabei waren die Menschen in den Städten um ihn herum frei, Mumbai, die nächste, auf seiner anderen Seite Mogadishu, Mombasa, reiche Städte noch im Gegensatz zu Tokio oder New York oder London, alle dort verkabelt und vernetzt, nicht nur in den Zentren. Auch in den Vororten und in den kleinsten Häusern und Hütten, alle hingen im großen Netz fest, das sie selbst sich gebaut hatten, das auch nachts nicht abgedreht wurde, keine Ruhe, nicht einmal im Schlaf.

Hausman grunzte.

Die Linie auf dem Bildschirm zeigte sich unbewegt, und jener Teil, der nicht träumte, weitete sich, driftete über den Nullpunkt hinaus und verließ endgültig das Zeit-Raum-Gefüge, während Hausman in seinem Bungalow schlief.

So wie auch Judith, drüben in London.

Sie lag abgedeckt auf dem Rücken, die Arme von sich gestreckt, eine Stoffwindel auf dem Gesicht. Das abwechselnd rot und weiß blinkende Licht der Apothekenreklame im Erdgeschoß unter ihr leuchtete die Zimmerdecken aller Wohnungen der angrenzenden Häuser aus, Gasse hinauf und hinunter und gegenüber.

Judith rührte das nicht, wusste er, sie schlief mit ihrer Tochter um die Wette, seiner Enkelin. Das Lächeln auf seinem Gesicht vertiefte sich beim Anblick der beiden, spürte er selbst hier draußen. Dass sie fünf Zeitzonen hinter Hausman herschlief, störte Judith auch nicht. Lediglich ihre Kleine musste sie im Schlaf überholen, mehr Erholung daraus schöpfen in derselben Zeit, musste fit sein, sobald die Kleine krähte. Entspannter, fröhlicher sollte sie sein, eigentlich schon gefrühstückt und geduscht haben und all das.

Hör auf, dachte er, lass los, wenn du wirklich Frieden haben willst, und glitt ihren Faden entlang wieder aus der Wohnung, fand ihn zwischen Satellitenantennen und Sendemasten hindurchgewunden und bereits über Heathrow enden. Nicht nur der Nebel über dieser Stadt war dicht.

In Valparaíso kickte währenddessen ein Junge ein Schulheft ins Meer. Südlich von Austin verfütterten Männer Mais auf einer Straußenfarm. Frauen hockten in einem Minivan von Cluj-Napoca nach Arad, in einem Kindergarten in Melbourne zogen Kinder ihre Straßenschuhe aus. In einem Krankenhaus in Seoul beendeten Krankenschwestern und Pfleger ihre Nachtschicht. Menschen räumten die Münchner Biergärten zur Sperrstunde, andere stiegen in Halifax in ihre Autos, um für den Feierabend nach Hause zu fahren. Arbeiter befanden sich auf dem Weg in die Fabriken rund um Irkutsk, während Programmierer auf einer Plattform im Atlantik Algorithmen schrieben. Mehr als sieben Milliarden Menschen formten die Welle, welche die Erde umspielte, immer und zugleich, und er schwamm mit.

31M44. Die Chiffre blinkte immer noch auf der Videowand.

»Sagten Sie nicht, auch er sei tot?«

»Dass wir kein Lebenszeichen von ihm im Netz finden, sagte ich, Sir.« Tatsächlich blinkte die Chiffre im Ergebnisfeld der Datenbank. Auf der Weltkarte, die von einem Netz dünner Leuchtfäden überzogen war, blinkte jedoch keiner der Knotenpunkte.

»Sie wollen mir erklären, Lance, das sei ein Systemfehler?«

»Mehr als dieses Signal bekommen wir nicht, Sir.«

»Wir kennen seine DNA?«

Lance schwieg.

»Eben.«

 

 

Dachtest du nicht, ihre Antennen empfangen nur jene Schwingungen, die vom Körper aus im Wachzustand gesendet werden? Loski zoomte sich aus dem Orbit und pendelte sich neben Sostakov ein. Offensichtlich reicht ihnen inzwischen, dachte er, wenn das Bewusstsein noch irgendwie mit dem Körper verbunden ist. Es entstand eine jener Pausen, in denen Sostakov sich manchmal wünschte, nicken oder dem Freund eine Hand auf die Schulter legen zu können. Er ist soweit, dachte Loski und betrachtete das Geflecht um die Erde, in dem Hausmans Bewusstsein schwang.

 

 

Hausman fiel aus dem Bett, blinzelte. Sandkörner auf dem Holzboden und beschriebenes Papier. Gestern Abend hatte er doch Notizen gesucht. Er stützte sich auf den Ellbogen, hielt ein Blatt weit von sich, seufzte. Ohne Brille erkannte er überhaupt nichts mehr, schon gar nicht in der Morgendämmerung. Er zog sich am Bettgestell hoch, setzte sich auf die Matratze und betrachtete seine Hände. Eben noch hatte er auf der anderen Seite der Erdkugel Chili con Carne gerochen, so intensiv mit angeräucherten Jalapeños gewürzt, dass ihm davon jetzt die Zunge zu brennen schien. Bald würde er mit einem Bier in der Hand aufwachen, wundern würde es ihn nicht, oder mit einer gestrigen Zeitung. Dabei immer öfter aus dem Bett zu fallen, das störte ihn.

Er stand auf, nahm die Brille vom Schreibtisch und ging ins Bad. Ein Gecko huschte über den Spiegelrahmen und die Wand hinauf in die Lattenverstrebung des Dachs. Zähne putzen, Gesicht waschen, Sonnencreme auftragen. Baseballmütze, Socken, Laufschuhe anziehen, wo war die Brille? Hausman griff sich auf den Kopf, sah an sich hinunter, im Ausschnitt seines T-Shirts hing sie. Er setzte sie auf, sah wieder an sich hinunter. Das Shirt hatte einen Kaffeefleck, zwei, die kurze Hose schien sauber zu sein, für das Morgenprogramm würde es reichen. Hausman aß einen Cracker, trank einen Schluck Tomatensaft, blickte dabei auf den Bildschirm und streichelte die Blätter des Gummibaums. Er aß einen zweiten Cracker, streichelte weiter, guten Morgen, und wartete bis der Polygraph anschlug. Hausman lächelte, leerte das Glas und verließ den Bungalow.

Eine Handbreit stand die Sonne über dem Meer. Keine Wolke war zwischen den Palmblättern hindurch zu sehen. Hausman lief los, die sanfte Neigung zum Wasser hinab. Die Krabben reagierten auf die seismischen Wellen seiner 90 Kilogramm und verschwanden in ihren Löchern. Die Brandung war so flach wie sein Puls. Man musste den Tag eben langsam angehen. Was täte er mit noch mehr vom Tag, wenn er jetzt bis zum Resort sprinten würde? Damit er schneller wieder zurückkäme, wen kümmerte es? Um länger leistungsfähig zu bleiben, was hatte die Welt davon, oder gar, um den eigenen Sprintrekord zu brechen? Hausman lachte.

Er blieb stehen und zog die Schuhe und die Socken wieder aus, ging die drei Schritte dem Wasser entgegen. Lau spülte es ihm um die Füße und über die Löcher der Krabben im Sand. Auch die Sonne schien nur schwach, kühl beinahe. Darüber würde er irgendwann nachdenken, über diese kühle Seite der Sonne, einen Tag lang nachdenken, eine Woche vielleicht. Über das träge Licht, das dem Morgengrauen folgte, schläfrig noch von der gestrigen Hitze, von einer mit der Sonne um die eigene Achse halb durchdrehten Nacht und eingetrübt vom salzigen Dunst über der Dünung, einer Mischung, jedenfalls, die gelungen war wie der Mix aus Gin und Tonic und Eis.

Hausman legte den Kopf in den Nacken und wartete, ob weitere dieser Gedanken auftauchen wollten. Sie waren es, die ihn an den besonders langen Tagen, solchen, an denen sich Vollmond und Sonne die Erde in die Hand gaben, davon abhielten, die Koffer zu packen, auf das Festland zurückzukehren und seine Frau zu bitten, das alte Leben mit ihr wieder aufnehmen zu dürfen. Niemals! In diesem alten Leben durfte er um sieben Uhr morgens nicht einmal an einen Drink denken! Hier könnte er sofort in den Bungalow gehen oder ins Resort hinüber hinter den Tresen und sich sogar einen ganzen Shaker voll Gin und Tonic und Eis reinziehen, wie die Flitterwöchner ihr Frühstücksmüsli, und dafür liebte er diese Insel und war bereit, lange auf Gedanken zu warten, die ihn daran erinnerten, wie sehr er sie liebte, sammelte diese Gedanken bei jeder Gelegenheit und schrieb sie nieder: Anregungen für seine Freiheit und Forschungsprojekte für besonders lange Tage.

Das Meer wich wieder zurück und sog das sandige Wasser mit sich. Die Löcher der großen Strandkrabben hinterblieben wie leere Augenhöhlen, ihre Spuren fortgewischt. Hausman drehte sich nach den eigenen um. Er stand in biometrischem Niemandsland, keiner seiner Schritte mehr sichtbar. Auch dafür liebte er diese Insel und dafür brauchte er sie. Wollte er sie hören, diese Gedanken, eigene und all jene, die von anderen bereits in diese Welt gedacht worden waren, nur geborgen gehörten und übersetzt.

Mit der nächsten Welle, die ihm über die Füße schwappte, ging er los. Egal, wie lang der Tag sein mochte, sieben und eine halbe Milliarde Menschen minus vier Milliarden, die alle schon im Datennetz hingen, blieben drei und eine halbe, die arm oder abgeschnitten von der Zivilisation lebten und daher empfänglicher für Alternativen, davon minus eine Milliarde, die sich zu jung oder zu alt fühlten – es gab genug zu tun. Er fiel in leichten Trab. Zweimal kurz ausatmen, einmal einatmen, zweimal aus, einmal ein, Hände locker, Knie locker, sein Puls wachte auf.

Er folgte der sanften Rundung der Bucht, lief auf dem nassen Sand und freute sich über jede Krabbe, die nicht in einem Loch verschwand, sondern verharrte, als wartete sie auf Hausman, diesen grauen, braungebrannten Mann, der jeden Morgen hier vorbeikam, einmal hin- und einmal herlief, und das jeden Tag, selbst die ältesten der Krabben kannten Hausman, seitdem sie geschlüpft waren.

Die größte von ihnen wohnte am Ende der Bucht direkt unter der Kokospalme mit dem Stoffwimpel. Dort hockte sie, die Scheren im Anschlag. Die große öffnete sich ab und an, atmete, schien es, ein und aus, und nahm Witterung auf, richtete sich nach dem Geruch, der am wenigsten in ihr Revier passte. Hausmans Zahnpasta vielleicht, der Tomatensaft, wie fein war der Geruchssinn von Strandkrabben? Roch der Wärter unter der Palme die Ham and Eggs vom Resort oder den frischen Kaffee tatsächlich bis zum Stoffwimpel, an diese Grenze zwischen Touristenwelt und Wildnis? Oder war er in Wahrheit geruchsblind oder alterssinnestaub oder einfach nur träge wie das Licht und bewegte sich nur deshalb nicht in sein Loch, während Hausman an ihm vorbeilief und dachte, die Krabbe stünde den ganzen Tag so da? Oder hatte er diesen Eindruck nur, weil er auf seine Schritte achtete, wenn er joggte, auf die Unebenheiten im Sand, sobald er sich von einer Welle zu weit den Strand hinauftreiben ließ oder sich auf seine Brille konzentrierte, die ihm auf dieser Mischung aus Schweiß und Sonnencreme von der Nase zu rutschen begann, statt die Krabbe im Blick zu behalten? Weil seine Aufmerksamkeit eben nur darauf gerichtet war, was er mit zwei Augen sah und dabei jene Antennen einfuhr, die ihn wahrnehmen ließen, was zeitgleich passierte? Unter der Kokospalme mit dem Stoffwimpel und auf der ganzen Welt? Die jeden alles wahrnehmen ließen, diese Antennen, auch jede Krabbe alles wahrnehmen ließ, sowieso?

Sowieso? Auch darüber würde er eines langen Tages nachdenken. Wie empfanden Krabben Zeit und Raum? Da ihm ein Sowieso in diesen Gedankengang gerutscht war, wusste Hausman, war das kein Zufall. Unnötige Füllwörter passierten ihm nur während des Schreibens, wusste er, oder nach zehn Gin Tonic oder zwölf an guten Tagen, und nach fünfzehn, hatte seine Frau behauptet, fülle er seine Sprache nur noch mit Ballast, Hauptsache, er redete und glaubte als einziger daran, dass er noch einen sechzehnten trinken könne. Solange er nicht stumm auf dem Boden lag, sowieso.

Zweimal kurz ausatmen, einmal einatmen, der Puls war aufgewacht, die Sonne schien kühl, schickte ihr fahles Licht über die blasstürkise See, es mochte acht Uhr sein. Hausman stutzte, stolperte beinahe über einen abgefallenen Palmwedel, konzentrierte sich wieder auf seine Schritte, atmete stoßartig aus und ein und ärgerte sich über sein Gehirn, das ihm immer noch aus dem Hinterhalt Uhrzeiten in die Gedanken streute oder ein Fleckenbewusstsein, ein Faltenbewusstsein, ein Was-ist-wenn-Bewusstsein, das nichts mit Ursachenforschung zu tun hatte, lediglich mit Angst. Was ist, wenn mir der Kaffee ausgeht, der Herz-Lungen-Kreislauf, die Haare ausfallen, die Forschungsprojekte für die langen Tage?

›Honeymoon I‹ tauchte in seinem Blickfeld auf. Hausman lächelte. Der Was-ist-wenn-Vorhang vor der Südfensterfront des Luxusbungalows war zugezogen. Die Sonne konnte schließlich zu hell scheinen, all die Strandkrabben vor Scham erröten, ein einsamer Jogger konnte einen Herzinfarkt erleiden oder einfach Einblicke erhalten, die ihn nichts angingen. So weit fort von der Welt konnte man gar nicht sein, selbst Wolke sieben reichte nicht, damit man Zweisamkeit genießen ...

»Haben Sie die vergessen?«

Hausman riss es herum, er wich rückwärts ins Wasser. Durch den Sonnenölfilm auf der Brille erkannte er einen jungen Mann in T-Shirt, Shorts und Laufschuhen. Hausman blieb stehen.

»Sind das Ihre Schuhe dort hinten?« Der junge Mann lächelte und zeigte mit dem Daumen in die Richtung der Kokospalme mit dem Wimpel.

Hausman nahm die Brille ab und rieb mit seinem Shirt über die Gläser, wischte und rubbelte, hielt sie gegen die Sonne, setzte sie wieder auf.

»Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken. Sorry, excuse-moi, disculpe, scusi!« Der Mann hob die Schultern, lächelte noch immer, weiße Zähne, frisch rasiertes Kinn, die Augen hinter dunklen Sonnengläsern versteckt, die Brauen waren gezupft.

Hausman schob die Baseballmütze nach hinten, kratzte sich den Kopf.

»Eric Bone, woher kommen Sie?«

Hausman betrachtete die angebotene Hand, noch so ein Reflex, dachte er und ergriff sie dennoch. »Aus derselben Richtung wie Sie.«

Dieser Mann, der Eric hieß, lachte, offenbar erleichtert darüber, dass Hausman sprechen konnte. »Und? Sind das Ihre Schuhe?«, wiederholte er seine Frage, wippte dabei auf den Zehenballen auf und ab.

»Ja.«

»Ich hatte schon befürchtet, es wäre einer ins Wasser gegangen. Zu viel der Romantik, Inselkoller oder Ähnliches. Wie lange sind Sie denn schon hier?«

»Lange.«

»Kommen Sie, laufen wir zusammen zurück, sicher gibt es bereits Frühstück.« Eric berührte Hausmans Arm. »Oder wollen Sie erst doch noch die Schuhe holen?« Er wandte sich um, bereit loszulaufen, egal, in welche Richtung, schien es.

»Ihre Frau wartet sicher auf Sie, ich wollte noch eine Runde schwimmen vorher.«

»Gute Idee.« Eric zog das T-Shirt aus. »Ich bin dabei.«

Hausman blickte auf die rasierte Brust. »Seit wann sind Sie denn hier?« Einem Mann, der sich die Brauen zupfte und die Brust rasierte, musste langweilig sein.

»Fünf Tage, wunderschöne Insel.«

»Flitterwochen?«

»Ja, traumhaft. Kommen Sie, wollen wir gleich hier schwimmen oder erst zu den ...?«

»Was ist mit Ihrer Frau?«

»Die schläft noch. Kommen Sie.« Eric deutete wieder an, zu Hausmans Schuhen zu laufen. »Erzählen Sie, was machen Sie so?«

Die Frage war Hausman gewohnt. Sobald einer der Touristen oder ein Pärchen in den Süden der Insel spazierte und ihn dort auf seiner Veranda antraf, begegnete er ihr. Dieser Tourist jedoch war schneller als die anderen, manche schauten nur interessiert, versuchten einen Blick in Hausmans Bungalow zu erhaschen, fragten vielleicht erst beim dritten Spaziergang. Diesen hier konnte Hausman sich überhaupt nicht beim Spazierengehen vorstellen. Wenn er nicht aufpasste, hatte er in zehn Minuten einen neuen Freund oder in fünf, und wusste alles über dessen Leben in den Staaten, so klang er zumindest, und womöglich auch die Kennenlerngeschichte mit der frisch Angetrauten. Hausman blickte auf die Spiegelgläser von Erics Sonnenbrille. »So sehr langweilen Sie sich hier?«

Erics Mundwinkel zuckten, das Lächeln blitzte kurz noch einmal auf, begleitet von einer hilflosen Geste der Arme und verschwand schließlich. »Sie wollen Ihre Ruhe haben, stimmt’s?« Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, nichts für ungut.« Mit einer fließenden Bewegung rutschte er Hand voraus durch den rechten Ärmel wieder in das T-Shirt, der Rest des Oberkörpers folgte genauso geschmeidig, als hätte er wochenlang nur an der Optimierung dieser Bewegung gearbeitet, nicht einmal die Sonnenbrille musste er dafür abnehmen, sie nicht zurechtrücken. »Man sieht sich«, sagte er noch, »nichts für ungut«, verfiel in lange, federnde Schritte und bemühte sich scheinbar, aus Hausmans Blickfeld so rasch zu verschwinden, wie er darin aufgetaucht war.

War er auch so gewesen mit – wie alt mochte Eric sein – mit dreißig? So ermüdend voller Elan für alle, die ihm begegneten, so entsetzlich vital und leutselig? Kurz überlegte er, ob er seine Laufstrecke vollenden sollte. Von hier aus konnte er den Aschenbecher auf der Terrasse von ›Honeymoon I‹ noch nicht sehen, siebzig Schritte schätzte er, achtzig vielleicht. Geschenkt, dachte er, drehte um. Womöglich bewohnten Mr. und Mrs. Bone ›Honeymoon I‹, und er wollte auf keinen Fall wissen, wo Eric sich sonst noch rasierte.

Er verließ das Wasser, in das ihn dieser Fremdschuhfetischist gescheucht hatte, die Dünung hatte ihm bereits einen Krater um das linke Bein gegraben – was für ein Tag. Den Blick beim Zurücklaufen hinaus aufs Meer gerichtet, versuchte er sich von dem Bild zu befreien, das Erics federnde Schritte in seinem Gedächtnis hinterlassen hatten, das war der Nachteil am Vorteil des Lebens auf dieser Insel. Man begegnete kaum Menschen, die einen ablenken konnten durch ständiges Spiegeln und Ausloten von Beziehungen. Man begegnete kaum Menschen und maß sich daher an jedem, der da kam. Man setzte alles in Bezug zu sich selbst, weil man Angst hatte, sich sonst zu verlieren, in der Weite des Meeres, in der Ruhe der Insel, dachte Hausman, zumindest ging es ihm so. Ob er das wollte oder nicht. Manchmal würde sogar der männliche Hund eines Touristen genügen, damit er sich nackt vorkäme, dachte Hausman und seufzte. Seine Frau hatte er auf dem Festland zurückgelassen, das Ego allerdings nicht.

Ruckartig hielt er an, wandte sich nach Nordwesten.

Judith schlief.

Dennoch spürte Hausman diesen Impuls. Er blickte über die Palmen hinweg ins Blaue, längs über die arabische Platte, über Griechenland, Italien, Paris, London, in die Wohnung über der Apotheke, die Reklame blinkte, leuchtete Judiths Schlafzimmer aus. Sie war aus dem Bett gefallen, das war es, was er wahrgenommen hatte, lag auf dem Plüschfell davor und schlief weiter. Die Kleine in ihrem Bettchen, folgte mit großen Augen den Farbreflexen der Reklame an der Zimmerdecke und lächelte. Sicher spürt sie mich, dachte Hausman, Kinder sind darin viel besser, wusste er und dachte plötzlich an Kids in Melbourne, er legte den Kopf in den Nacken, wartete. Ihre Schuhe sah er sie ausziehen, in einem Kindergarten – Schnitt. Ein Junge stand an einer Hafenmole. Bunte Häuser drängten sich hinter ihm die Steilküste hinauf. Valparaíso. Das Wort sickerte Hausman in den Kopf, der Junge hielt ein Schulheft in der Hand. Er sei zu eigensinnig, hatte sein Lehrer hineingeschrieben, und unkonzentriert, der Lehrer wolle mit den Eltern sprechen, stand in dem Heft, aber das wollte der Junge nicht, wusste Hausman. Der Junge drehte sich zu ihm um. Er stand nicht mehr an der Mole. Nacht war es inzwischen in Valparaíso, Mitternacht, und der Junge saß auf dem Flachdach, unter dem seine Eltern schliefen und seine beiden Schwestern und schaute in den Sternenhimmel, sah Hausman an.

Wie heißt du, dachte Hausman. Mateo, fiel ihm ein, beinahe zeitgleich.

Mateo, flüsterte es aus dem Fenster der Schwestern unter dem Dach. Der Junge rutschte an die Kante vor, schaute hinab, pscht, deutete er. Komm endlich schlafen, der Papa, du weißt doch, die Mama, die Schule ... Pscht, wieder deutete Mateo und blickte noch einmal in den Himmel hinauf und herüber, bevor er auf die Feuerleiter kletterte und in das Kinderzimmer hinunter.

Hausman lächelte, bald schon würde sich dieser Junge ihnen anschließen. Er blickte sich um. Sieben Palmen nur stand sein Bungalow von ihm entfernt und die Sonne drei Handbreit über dem Meer, an einem unbestimmten Tag irgendeiner Woche des Jahres, und ein Schritt nur trennte ihn von seinen Laufschuhen. Hausman beugte sich zu ihnen hinab, ihm wurde schwarz vor Augen.

 

 

Curt blinzelte. Nur nicht einschlafen. Je länger er unter der Meeresoberfläche schwebte und je mehr Dunkelheit ihm in die Zellen kroch, umso weiter zog sich jedes Gefühl für den eigenen Körper aus den Extremitäten zurück, verbarg sich irgendwann wie die Perle einer Muschel gut verschlossen im Innersten. Langsam bewegte er die Arme. Konzentrierte sich auf die Schultergelenke, lenkte die Arme seitwärts, spürte die Bewegungen in den Ellbogen. In den Gelenken sitzt der Beweis, dass du lebst, wusste er, nicht im Herz und nicht in der Lunge, die tun auch noch, wenn du schon nicht mehr in der Lage bist, dich zu rühren. Wenn die Angst dich längst an ihren Marterpfahl gezurrt hat, nicht einmal den Mund kannst du dann öffnen, um zu schreien, wenn sie dich fesselt, was nützt dir das Herz? Selbst wenn du fliegst und schwebst in der Dunkelheit des Meeres, schwerelos, von der Sauerstoffflasche getragen, von deinem Buddy. Ohne Knie und Schultern bist du verdammt auszuharren, bis die Lunge kollabiert oder bis das Herz verstummt oder bis ein Hai sich deiner erbarmt, ohne Gelenke kommst du nie wieder auf die Plattform hinauf. Curt öffnete die Augen und schloss sie, öffnete sie, immer in Bewegung bleiben, nur nicht einschlafen.

Er legte die Arme behutsam zurück auf den Bauch. Spannte die Muskeln an. Dafür trainierte er sie, trainierte so viele von ihnen wie möglich, wollte ihre Kontraktionen spüren, sobald er sie aktivierte, musste sich auf sie verlassen können im Kampf gegen die Angst. Keiner sah seinem Körper die 50 Jahre an, auch seinem Gesicht nicht, wusste er, lag ihm das in den asiatischen Genen? Müsste er in den USA nach seinen Eltern suchen, niemals hätte er innerhalb einer Dekade über die Straßen- und Gebäudekameras jeden Erwachsenen zu Gesicht bekommen. Amerikaner bewegten sich nur, wenn sie mussten, hatte er den Eindruck, während jeder Asiate mindestens einmal pro Tag die vier Wände verließ, raus aus dem Termitenbau, um das Qi zu aktivieren.

In den Ohren knackste es. Curt schluckte, biss auf das Mundstück des Atemreglers zwischen seinen Zähnen. Seine Zähne, genau, bloß nicht einschlafen und vergessen, zu wem all das gehörte, was um ihn herum im Dunklen hing. Er vergewisserte sich, die Augen offen zu haben, hob den Kopf in einem Winkel von 45 Grad, um über die eigenen Füße hinweg hinaufzusehen und spähte in die Dunkelheit, die weder ein Oben noch ein Unten kannte, spähte in der Hoffnung, tatsächlich in Rückenlage zu schweben und entdeckte zwei Linien. Dünne, helle Striche. Jene Leuchtröhren, in deren Mitte der Aufzug, dahinter der Ponton, darüber die Plattform, der Rest der Welt, waren sie es wirklich? Konnten sich kaum wehren gegen so viel Nacht, die Röhren, schienen das Licht zurückzuhalten, wissend, sobald es sich zu weit von der Quelle entfernte, würde es aufgefressen, verschluckt für immer.

Jetzt endlich entspannte auch die Halswirbelsäule. Curt spürte in den Schultergürtel, ließ ihn wieder absacken, holte tief Luft, ein und aus, lockerte den Bauch, das Becken, vergewisserte sich der meditativen Leere seiner Gliedmaßen, in der sie hingen, sobald er bei 26,5 Metern unter der Meeresoberfläche schwebte, aus dem Aufzug geglitten und die 25 Flossenschläge vom Ponton weg unter die Plattform geschwommen, abgetaucht. Immer in Bewegung sein, dann lebst du, wusste Curt, nur dann hast du eine Chance zu überleben, Herzschlag und Atmung sind nur Reflexe, ja nicht einschlafen: Wenn dich die Flasche über das Niveau der Leuchtröhren zu weit hinauftreibt, schaffst du es nie wieder zum Aufzug, vergiss das nicht, zu groß der Auftrieb, und auch kein auf- und hinaustauchen mehr an den Rand der Plattform. Sobald die Flasche das erste Knacksen an die Ohren morst, heißt es wach bleiben um jeden Preis, die Flasche gibt nach dem letzten Atemzug keinen weiteren her. Das Leben ist kein Zirkus, wusste er, hatte keinen doppelten Boden, keine Tricks, und ein Rock in der Dünung tanzt nicht aus Freude.

Wieder knackste es. Waren die blassen Signale der Leuchtröhren real? Kam das Gehirn nur der Angst zu Hilfe, wenn es zu dunkel war, damit Curt zufrieden wäre und sich ruhig verhielte? Eingelullt in Fantasiebilder? Wie ein kleines Kind, das am Strand hockt und dem Rock der Mutter beim Tanz in den Wellen zusieht? Die durch den Sand wühlen, die Wellen, und abgerissenen Kelbwald anschwemmen und alle Geschichten, die das Kind je gehört hat, nachts, wenn es nicht einschlafen wollte? Vielleicht ahnte, dass die Mutter eines nachts verschwinden würde. Konnten Positionslichter eines Zweimasters sein, die beiden Lichtstriche dort, an dessen Bord die Mutter gegangen war, oder die Sehschlitze eines Glücksdrachens, der auf das Kind herablächelte, das da am Strand hockte.

Knacks. Die Lichtstriche gehörten tatsächlich zu den Leuchtröhren am Aufzug. Auf die Sauerstoffflasche war Verlass, wusste Curt doch, getestet schon beim ersten gemeinsamen Nachttauchgang, und einmal genügte: Kopf zurückgelegt damals und hinausgeglitten aus dem Körper und hinab in die Tiefe, Tiefe, Tiefe, bis zum Grund hinab. Sand auch dort, Irrgelichter, hinaufgeblickt und den Zellhaufen beobachtet, 1.000 Meter über ihm, gehalten vom Jacket, die Sauerstoffflasche auf den Rücken geschnallt, sein Luftkissen und sein Buddy, und zugesehen, wie der Buddy den Zellhaufen trug und auftrieb schließlich und ihn zurückgeleitete zum Lift. Setzt sich doch keiner in einen Körper, dem der Boden unter den Füßen fehlt, mögen die Beine noch so trainiert sein, ein Narr, wem der Herzschlag genügt.

Curt suchte im Dunkeln nach den Händen, streckte die inneren Fühler nach Fingern aus. Irgendwo bewegten sich Gelenke in Neoprenhandschuhen, fern von ihm, schien es, tastete sich eine Hand an die andere heran, schoben sich Handschuhfinger ineinander, bloß nicht einschlafen.

 

 

Hausman hatte alles ausgeblendet. Hinter geschlossenen Augenlidern suchte er den Ursprung dieses Signals, das ihn nun seit einigen Tagen immer wieder aus einer Dunkelheit erreichte, die er nicht verstand. Glaubte er, sich hinter den Augenlidern eines anderen Menschen zu befinden, schienen die Augen im nächsten Moment geöffnet zu sein, blickten dann durch Glas hindurch in die Dunkelheit, aber da war kein Fenster. Die Dichte rundum war anders als die der Luft, Wasser fiel Hausman ein, aber wer lebte unter Wasser? Schickte Impulse, wenn es dunkel war und schien sich dabei nicht in einem U-Boot zu befinden?

Sobald Hausman zurückpingte, verfehlte er die Quelle des Signals haarscharf, als hielte sie ihn für einen Torpedo, dem es blitzschnell auszuweichen galt. Versuchte sich Hausman aus der Vogelperspektive zu nähern, musste er durch ein elektromagnetisches Feld, das dem einer Großstadt entsprach, aber konzentriert auf eine Fläche, die kleiner als die Insel zu sein schien, auf der er selbst lebte. Da durchzuzielen erforderte eine Klarheit, die mindestens zwei Wochen Abstinenz verlangte. Tomatensaft alleine, fand er, war allerdings eine ähnlich traurige Flüssigkeit wie einsame Körpersäfte in lauschigen Vollmondnächten.

Auch jetzt blieb er über diesem Hotspot hängen, einer Ölplattform? Nein, zur Ölförderung braucht es nicht diese Unmengen an Kühlaggregaten. Auf einer Bohrinsel findet man Radarschirme und bis zu zwanzig Funkantennen. Hier sah Hausman eine. Wer so viel kühlt und so wenig funkt, wusste er, hat verdammt viel Technik unterm Dach.

Er blinzelte. Die Palmblätter raschelten in der Nachmittagsbrise, verwischten das Licht der Sonne, die schräg über ihm stand. Es hatte diese Außentemperatur, die sich wohlig anfühlt wie die körpereigene. Als passte sich die Welt an den hausmanschen Mikrokosmos an, als umarmte sie ihn und flüsterte, brauchst dich nicht zu verstecken da drinnen, komm heraus, perfektes Flugwetter heute. Fliegenbeine liefen über seinen Handrücken, ließen ihn den Blick senken, kitzelten ihn in den Körper zurück. Er sah über die rechte Schulter durch die offene Tür seines Bungalows zum Schreibtisch, betrachtete den Monitor. Die Linie, die der Polygraph zeichnete, verlief gleichmäßig. Der Gummibaum war zufrieden, keine Gefahr in Verzug.

Hausman ignorierte die Fliege, lehnte den Kopf wieder an die Wand, schloss die Augen. Mit der Plattform in Kontakt zu kommen, war leicht. Wo aber steckte dieser Mensch, dessen Gedanken in der Atmosphäre Spuren hinterließen, auf die Hausmans Sensoren ansprangen? Wieder blickte er durch dessen Augen in die Dunkelheit, schien ihm, sah dieses Mal zwei dünne, helle Linien, die ... fort waren sie. Kein Kontakt mehr, Hausman zoomte sich heraus, bis er wieder auf die Plattform schaute. Hier spürte er das Signal auf einmal deutlich, als wäre es soeben durch die Meeresoberfläche gebrochen wie eine Fontäne, kilometerhoch stob es an ihm vorbei, flirrte durch die Nacht und fiel genauso plötzlich wieder in sich zusammen und verschwand im Meer unter der Plattform.

Ein typisches Kindersignal, dachte Hausman, maximal dreijährig. So sprunghaft die Aufmerksamkeit, punktuell starke Konzentration, zwei, drei Eindrücke genügten und auf schon zum nächsten Bild, Gedanken, Abenteuer, je nachdem, aber ...

»Mister? Hallo?«

Hausman holte tief Luft.

»Geht es Ihnen gut?«

Sicher blickte er in die Spiegelgläser einer Sonnenbrille, sobald er die Augen öffnete. Wenn er die Augen nicht öffnete, drohte ihm eine Mund-zu-Mund-Beatmung, so jedenfalls schätzte er Eric Bone ein. Er blinzelte, scheuchte die Fliege mit einer Handbewegung fort und wünschte, Eric reagierte ähnlich sensibel wie das Insekt.

»Alles in Ordnung?«

»Sprechen Sie drüben im Resort auch jeden an, der in einer Hängematte liegt?«

Eric schob die Sonnenbrille auf den Kopf. »Sie sitzen am Boden, an die Wand gelehnt, den Mund geöffnet, ich dachte ...«

»Sehen Sie hier eine Hängematte?« Hausman stand auf.

»Nein.«

»Eben.«

»Aber ...«

Er ging an Eric vorbei in den Bungalow. Die Linie auf dem Monitor verlief ausgeglichen. Auch der Gummibaum wusste, dass Eric harmlos war. Lästig, vielleicht auch dämlich, aber harmlos.

»Leben Sie hier?« Eric stand auf der Schwelle. »Sie haben Internet.« Er deutete auf den Monitor. »Ich dachte, es gäbe keine ...«

Hausman wandte sich ihm zu, schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht einmal eine Hängematte.« Spätestens jetzt war der passende Zeitpunkt für Eric zu gehen, fand Hausman, und er würde es ihm notfalls noch deutlicher sagen. Lediglich die Arme des Amerikaners hinderten ihn daran. Schlapp hingen sie an den Schultern. Die muskulösen Oberarme schienen Zierde zu sein, wie jedes Tattoo oder Piercing heutzutage, jede Blüte im Haar einer Flitterwöchnerin, modisch zwar, aber keine eigene Aussage mehr, und dennoch, so wie Eric mit zwar schlappen Armen auf der Türschwelle stand, gab er mehr ab als nur den Abklatsch einer oberflächlichen Welt. »Wie alt sind Sie?«

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Wie alt sind Sie?«

Eric drehte sich weg, schaute aufs Meer. »Leben Sie hier?«

»Hören Sie«, Hausman trat zu ihm, musterte ihn. »Sie stehen auf meiner Türschwelle, statt Ihrer Frau den Rücken einzuölen. Bevor ich gleich wieder aufhöre, mich damit abzufinden, sollten Sie sich meinem Annäherungsversuch öffnen. Oder eben gehen.«

Eric hob die Schultern. »Meine Frau ist bei einer Ayurveda-Massage.« Er senkte die Schultern wieder. »Ich bin 32.« Er schaute Hausman an. »Und? Leben Sie hier?«

Zweiunddreißig. Hausman blickte zu Boden und nickte. »Kommen Sie.« Er ging am Schreibtisch vorbei, deutete Eric, endlich von der Schwelle runterzusteigen, ihm zu folgen. Mit 32 war er selbst bereits sieben Jahre verheiratet gewesen, sein Sohn und seine Tochter waren geboren. Sein Vater wurde erschlagen, als er 32 war. In der Küche nahm Hausman zwei Gläser vom Brett, öffnete den Kühlschrank. »Tomatensaft oder Gin oder beides? Tonic ist leider aus.«

»Wasser?«

Wasser. »Keinen Sundowner?«

»Es ist drei Uhr am Nachmittag.«

»Eben.« Hausman goss einen Fingerbreit Gin in jedes Glas, warf Eiswürfel dazu. »Nur der Tomatensaft war eine Option.«

Er lächelte schief, als er Eric das Glas brachte. »Lebt Ihr Vater noch?« Die Frage fiel ihm einfach aus dem Mund. Einer jener Momente, in denen irgendetwas aus der Luft sich in Worten manifestiert, oder sonstwoher, sich einfach der Kontrolle seiner Logik entzieht, seinen Umgangsformen, die keine waren, wusste er, wollte auch keine, war alles am Festland zurückgeblieben, und jetzt? Stand ein zweiunddreißigjähriger Wassertrinker, der sich die Brust rasierte, neben seinem Schreibtisch und irgendetwas in Hausman nötigte ihm Fragen nach dessen Privatleben ab. Er nahm einen großen Schluck Gin, wollte mit ihm zusammen die Frage hinunterspülen, verscheuchen, wie die Fliege, fort.

»Ich habe ihn nie kennengelernt.«

Hausman wartete. Wenn ihm schon eine derartige Frage zufiel, warum dann nicht auch die Reaktion auf eine derartige Antwort? Er wollte nicht nachfragen, weshalb er ihn nie kennengelernt hatte, wollte auch nicht sagen, dass es ihm leidtäte. Den väterlichen Reflex, Eric die Hand auf die Schulter zu legen, unterdrückte er.

»Wieso haben Sie den Gummibaum verkabelt?«

Erics Miene hatte sich auf dem Weg vom Getränk über den unbekannten Vater zum Gummibaum hin nicht verändert. Lediglich seine Stimme hatte überrascht geklungen, als Hausman ihm Gin anbot. Oder war es die Mischung aus Gin und Tomatensaft, die ihn verwundert hatte? Egal. Hausman hingegen hatte sich von Abwehr über Neutralität doch tatsächlich an etwas wie Sympathie angenähert. Der Mensch ist schon ein komisches Tier, dachte er, lächelte dieses Mal unverkrampft. »Backster«, sagte er und zeigte auf die Verbindung zwischen dem Gummibaum und dem Monitor und auf den unscheinbaren kleinen Kasten in deren Mitte, in dem sich Drähte und Kabel trafen.

»Der Gummibaum heißt Backster?«

»Der Mann, der entdeckt hat, dass Pflanzen, an einen Polygraphen angeschlossen, genauso messbar reagieren wie Menschen.«

Eric beugte sich zu dem kleinen Kasten hinunter. »Was auch immer ein Polygraph ist.«

»Ein Lügendetektor.«

»Pflanzen lügen? Und dabei beginnen sie zu schwitzen, wollen Sie mir erzählen?«

Erics Sympathiewerte sanken. »Mich braucht es dazu nicht, dafür gibt es genügend anerkannte Forscher.« Hausman ging in die Küche und füllte sein Glas mit Tomatensaft auf, kehrte zurück. »Dass alle Lebewesen, nicht nur Menschen und Tiere, messbar auf Stress reagieren, hat Cleve Backster nachgewiesen. Wenn ich neben diesem Gummibaum zwei Eier in die Pfanne schlage, reagiert er. Weil er den Stress der Eier wahrnimmt, wenn ich sie anbrate, lebende Zellen, verstehen Sie?«

»Kein Wort.«

»Was machen denn Sie beruflich?« Hausman bemühte sich, das Verblühen seines Interesses an Eric nicht durchklingen zu lassen und ärgerte sich sofort, dass er sich überhaupt bemühte. Einmal entsprechend sozialisiert, konnten das Festland und die Umgangsformen noch so weit entfernt sein, sie wirkten und wirkten, wusste Hausman, auch ohne wissenschaftlichen Nachweis. Er schwenkte das Glas, ging auf die Veranda und setzte sich auf die oberste Stufe.

Eric folgte ihm, schaute sich um.

»Sie können sich auch in einen der Korbsessel setzen.« Oder stehen bleiben, dachte Hausman, oder gehen.

»Ich habe Computer Sciences studiert und entwickle Software-Architekturen.«

Hausman nickte. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Der Gummibaum, sah er, blieb unverändert entspannt. »Sie sind also ein Internet-Freak?«

Eric schien sich an Hausmans Art gewöhnt zu haben, er lächelte. »Heute nennt man das einen Geek. Mein Vater muss noch einer dieser Freaks gewesen sein, die Sie meinen. Ich bin ein Geek.«

»Was machen Sie dann auf dieser Insel?«

»Meiner Frau den Rücken einölen, unter anderem.« Er hörte nicht auf zu lächeln und prostete Hausman zu. »Aber ehrlich gesagt«, das Lächeln verschwand, »wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es hier keinen Zugang zum Netz gibt, niemals.«

»Schauen Sie sich um.« Hausman deutete über das Meer. Blautürkis und unbeeindruckt, sich seiner Größe und seiner Kraft bewusst, wie es – wäre das Meer ein Mensch – sonst nur Schwergewichtsboxer sind oder der Papst, dachte er und wunderte sich, wieso ihm der Papst in den Sinn kam. »Was macht es für einen Unterschied, wenn ich in 15 Minuten darüber informiert werde, dass es soeben ein Bombenattentat irgendwo auf der Welt gegeben hat? Und heute Abend erfahre ich, dass dabei insgesamt 42 Menschen ums Leben gekommen sind, zum Beispiel? Selbst wenn diese 42 Menschen der Papst und seine Entourage gewesen wären, was macht das für einen Unterschied?«

»Sie haben komische Fantasien.« Eric schüttelte den Kopf. »Das Netz funktioniert doch überall ...«

Er verstand kein Wort, sah Hausman, dachte wohl dasselbe über sein Gegenüber, so wie das eben läuft zwischen Generationen.

»... und nur, weil man keine Antennen sieht ...«

»Eben.«

»... vor zwei Monaten erst war ich auf einer Serverfarm, mitten im Atlantik.« Eric stützte die Ellbogen auf die Knie, beugte sich zu Hausman und senkte die Stimme. »Eine aufgelassene Ölplattform, wissen Sie? Umgerüstet, kann mithalten mit allen Geheimdienstzentralen der Welt, wette ich, und ... was denken Sie?« Eric lehnte sich wieder zurück, nahm einen Schluck. »Nichts davon sieht man von außen.« Er sah aufs Meer. »Liegt genauso abgeschieden wie diese Insel hier.«

Hausman schaute an Erics Kopf vorbei zwischen zwei Palmen hindurch, sein Blick verharrte irgendwo am Horizont. Er schloss die Augen. Das Signal war kaum noch wahrzunehmen, es vermischte sich soeben mit dem Surren der Server, verwob sich mit der Monotonie dieses Sounds. Hausman sah sich über der Plattform um, entdeckte wieder nur die eine Antenne, zog seinen Blick weiter heraus.

»Mister?«