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Nr. 2909

 

Adam von Aures

 

Opiter Quint ermittelt – der TLD-Agent auf den Spuren eines Unbekannten

 

Wim Vandemaan

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Ankunft auf Port Myron

1. ARGUS

2. Zeit und wie sie verstreicht

3. Begegnung

4. Das Ellert-Mausoleum

5. Tekener-Tower

6. Das Drei-Körper-Problem

Epilog: 19. Juli 1551

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Glossar

Clubnachrichten

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

Auf der Erde bahnen sich indessen neue Entwicklungen an. Zwei Ereignisse beherrschen die politische Lage. Zum einen die bislang unbekannten Gemeni mit einem wachsenden Raumschiff und tausend Zellaktivatoren, zum anderen die Ankunft einer Person, die angeblich den Anstoß zur Vernichtung der Milchstraße liefern wird: ADAM VON AURES ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Opiter Quint – Der Geheimagent begibt sich auf eine Suche.

Aichatou Zakara – Die Zeitwissenschaftlerin widmet sich einem besonderen Studienobjekt.

Maurits Vingaden – Der Direktor des Terranischen Liga-Dienstes versucht, Zusammenhänge zu erkennen.

Homer G. Adams – Das unsterbliche Finanzgenie meldet sich zu Wort.

Prolog

Ankunft auf Port Myron

 

Besucher von der Erde bezeichnen Port Myron, den Raumhafen von Asalluc City, manchmal als adrett. Schwingt da ein Hauch gönnerhafter Herablassung mit? Mag sein. Dabei ist dieser Raumhafen auf dem Merkur tatsächlich adrett.

Die Reinigungsroboter sind unermüdlich auf der Hut, summen und surren, dabei haben sie wenig zu reinigen. Woher sollte der Schmutz auch kommen? Die Fluggäste von Port Myron sind ja nicht durch merkurischen Morast zum Raumhafen gewatet, durch knöcheltiefen Schnee oder über den Boden eines Regenwaldes voll klebriger Blätter und abgestreifter Schlangenhäute.

Sie sind aus Raumschiffen gestiegen, die es weder weit noch eilig haben. Diese Raumschiffe taugen nicht unbedingt für den interstellaren Verkehr; möglich, dass das eine oder andere von ihnen es noch bis zu den Alpha-Centauri-Sternen schaffen würde, zum Sirius, nach Epsilon Eridani, äußerstenfalls bis zur Wega und nach Ferrol, dem Juwel der blauen Riesensonne.

Meist aber handelt es sich bei diesen Raumern um kleinere Einheiten, wie sie überwiegend zwischen Terra, Venus, Mars und Merkur pendeln; schon die Welt jenseits des Trümmergürtels, der von Zeut geblieben ist, also die bewohnten Monde des Jupiters etwa, überlässt man größeren Einheiten und schnelleren.

Sauber ist es in Port Myron allemal, hell und freundlich; die Akustik ist gut wie in einem Konzertsaal. Geht man über die Gangway des Schiffs – in diesem Fall die Gangway der THOMAS ISMAY –, hört man klar und deutlich das Lachen von Kindern, Aufrufe von Passagieren und – nicht eben selten in diesen Tagen – die Klänge einer Mariachi-Band.

Weiß der Himmel, woher solche Moden kommen, wie lange sie sich halten und wohin sie gehen: gestern die Klänge der Neo-Favalo-Musik eines Januar Schöer, heute Mariachi, morgen vielleicht Werke von Claudio Monteverdi, vorgetragen von reisenden cheborparnischen Chören.

Da steht sie also, die THOMAS ISMAY.

Von wo ist sie gekommen?

Manche altgedienten Raumfahrer behaupten, sie könnten riechen, ob ein gelandetes Schiff eine weite Strecke hinter sich hat oder nicht, ob es eine Passage durch den Linearraum geflogen ist oder durch den Hyperraum gesprungen. Sie ziehen die Luft durch die Nase ein und sagen: Dieser Kasten, Söhnchen, hat den ganzen weiten Weg von Ephelegon bis hierher geschafft, und, Söhnchen, siehst du diese uralte PAVO-Kogge, der man den Metagrav herausgerupft und einen Hawk-Konverter aufgepfropft hat? Die kommt sogar aus der Magellanschen Wolke, Söhnchen. Riechst du das nicht?

Da erwartet man, dass sie einen Priem auf den sauberen Boden der Empfangshalle speien.

Die Roboter harren erwartungsvoll.

Aber die rüstigen Astronauten spucken nicht.

Wer würde auf ein solches Prachtstück von Raumhafen spucken?

Die THOMAS ISMAY dürfte eher alt sein als weit herumgekommen. Sie ist ein demilitarisierter Leichter Kreuzer und fliegt für die TWSSL, die Third White Star Space Line, die ihren Heimathafen auf Terra hat, bei Liverpool nämlich. Die Linie hat sich seit Jahrhunderten auf den Verkehr zwischen den inneren Planeten spezialisiert.

Das Schiff landet auf einer Rangierpalette; die Stützen der Landeteller werden elektromagnetisch verankert; etwas zischt. Was da zischt? Wer weiß, irgendwas zischt ja immer.

Vielleicht ist es einer der Reinigungsroboter.

Vielleicht pustet der Mariachi-Trompeter das Mundstück aus.

Dann setzt sich die Palette in Bewegung und gleitet mit dem Kugelraumer in den Empfangshangar.

Eine Glassitwand, die vom Boden bis zur Decke reicht, trennt diesen Hangar von der Empfangshalle. Eine Gangway fährt knapp unterhalb des Äquatorwulstes aus, fährt horizontal auf einen Adapter zu und schließt sich an.

Die Personenschleuse öffnet sich.

Passagiere erscheinen. Die ersten gehen mit den weit ausholenden Schritten von Menschen, deren Zeit knapp ist.

Einige Paare; einige der Paare Hand in Hand. Eine Familie mit drei Kindern und drei Au-pair-Robotern. Die Kinder gehen still; die Roboter plärren pädagogische Songs. Ein Haluter. Haluter sind nicht eben selten hier. Noch immer finden sich die merkwürdigsten Relikte der lemurischen Kultur auf dem Merkur, den die Vorfahren der jetzigen Menschheit Asalluc genannt haben. Nicht wenige Haluter zeigen ein lebenslanges Interesse an Lemur und den damit zusammenhängenden Gegenständen.

Jetzt betreten ein paar menschliche Einzelgänger die Gangway, darunter ein Mann von knapp über zwei Metern, der sich leicht vornübergebeugt hält, als wollte er seine Größe verhehlen. Wohin mit seinen zu groß erscheinenden Schaufelhänden, weiß er wohl auch nicht.

Er geht ein wenig ungelenk, wirkt ein bisschen linkisch. Er fährt sich kurz durch sein dichtes, schwarzes Haar, das ziemlich zerzaust aussieht. Der Rucksack auf seinem Rücken ist ausgebeult, als trüge er einen Medizinball spazieren.

Der Mann an der Einreisekontrolle nickt den Ankömmlingen freundlich zu. Die meisten haben das Identitätsprotokoll in ihrem Multikom aktiviert. Die Positronik, die dem Kontrolleur zuarbeitet, gibt grünes Licht.

Er winkt die Reisenden durch.

Der Haluter ist, wie es scheint, kein Bürger der Liga Freier Galaktiker. Er unterbreitet dem Kontrolleur eine Ausweisfolie, groß wie eine altertümliche Landkarte. Die Folie wird überprüft, akzeptiert, positronisch gesiegelt und wieder zusammengefaltet.

»Einen schönen Aufenthalt, Prano Defflad«, wünscht der Kontrolleur.

Der Haluter bedankt sich so volltönend, dass einem die Ohren schmerzen.

Jetzt ist der große, schlaksige Mann mit dem Rucksack an der Reihe.

Der Kontrolleur spannt sich, wird aufmerksam. Entweder hat er ein feines Gespür, oder man hat ihn vorab über die Ankunft dieses Mannes unterrichtet.

Was der Mann für wahrscheinlicher hält.

Der Mann legt etwas wie eine Münze in das Kontrollfeld.

»Guten Tag, Opiter Quint«, sagt der Kontrolleur. Etwas gedämpfter fügt er hinzu: »Ich würde gerne einen Blick in den Rucksack werfen.«

»Natürlich«, sagt Quint. Er nimmt den Rucksack ab und legt ihn auf den Tisch. Der Kontrolleur schaut hinein. »So sieht es also aus«, sagt er. Es klingt beinahe ehrfürchtig.

Quint nickt. Er überlegt, was der Terranische Liga-Dienst dem Sicherheitsportier angekündigt hat.

»Der Import deiner Glasorgel ist ja bereits lizenziert«, sagt der Kontrolleur. Dann senkt er seine Stimme und sagt vertraulich: »Wird Zeit, dass wir auf dem Merkur mal was anderes zu hören kriegen als dieses ewige Mariachi-Gedudel.«

Quint nickt verständnisvoll, schließt den Rucksack wieder und schultert ihn.

Dann hat er die Kontrolle passiert.

Das Kuppeldach der großen Empfangshalle ist voller Nacht, aber die Wände sind weiß wie Elfenbein. Hin und wieder huscht ein Schatten darüber, angefertigt von Nilofer Togh, einer bedeutenden Schattendesignerin des Solsystems.

Quint hat die Sensorfunktion seiner Schuhe aktiviert. Er spürt die Holzbohlen, mit denen der Hallenboden ausgelegt ist; er spürt seine Wärme und seine feinen Unebenheiten; er atmet den Duft von Sandel ein und den Hauch von Harz, der aus den Dielen aufsteigt.

Die berühmten Aquarien der Empfangshalle reichen vom Boden bis zur Decke; in luftiger Höhe sind sie mit gläsernen Tunneln verbunden, groß genug selbst für die Rochen, die im Vorüberflug auf die Menschen hinabspähen. Manche Tiere in den Aquarien blicken unverwandt drein, stur geradeaus, als verfolgten sie ein geheimes Ziel oder hätten ein Gelübde abgelegt, nicht nach links oder rechts zu sehen. Aalmütter schlängen sich durch das Wasser; Seewölfe glotzen verdrießlich. Ob sie ahnen, dass sie Ausgewanderte sind, Himmelsfahrer?

Opiter Quint fällt das Gehen leichter als den meisten Menschen hier.

Er ist eine höhere Gravitation gewohnt.

Und kennt andere Raumhäfen.

Nein, groß ist er nicht, dieser Raumhafen Port Myron. Er hat etwas von einem Modell für einen idealen Raumhafen, das hier ausgestellt wird. Alles läuft reibungslos, alles greift so harmonisch ineinander wie bei einem gut einstudierten Ballett. Sogar die Klänge von Cielito Lindo oder was immer die Mariachi-Band zum Besten gibt, harmonieren mit dem Lachen der Kinder und den Rufen der Erwachsenen.

Ein Treck Jugendlicher schreitet mit zeitlupenhaften Bewegungen durch die Halle, Mädchen wie Jungen haben ihre Haarpracht mit Netzen gebändigt, rubinrot und jadegrün und nachtblau. Ein älteres Ehepaar, das es eilig hat, moniert, früher habe es so etwas nicht gegeben, und es bleibt unklar, ob sie die Haarnetze meinen oder den langsamen Schritt, mit dem der Treck unterwegs ist.

Ach, diese Trecks. Weiß der Himmel, woher solche Moden kommen, wie lange sie sich halten und wohin sie gehen.

Die Klänge aus der Mariachi-Kapelle kommen näher; Quint steckt die Daumen in die Schlaufen der Tragegurte.

Eine Frau schreitet auf Quint zu, eine grazile Ganymedanerin; sie ist schön wie ein optimiertes Hologramm, lächelt und malt mit der linken Hand unsichtbare Zeichen in die Luft.

Sie lächelt Quint an. Als sie auf gleicher Höhe sind, sagt sie mit der Stimme einer irischen Fee: »Willkommen auf dem Merkur.«

Quint überlegt, ob und was er antworten soll, aber da ist die irische Fee schon vorübergeschwebt und im Gewimmel der Reisenden verschwunden, der Angekommenen wie der Abreisenden.

Opiter Quint sagt: »Danke.«

1.

ARGUS

 

Die meisten Gäste und die meisten Heimkehrer nahmen von Port Myron aus die Vakuumbahn, die unterhalb der Planetenoberfläche dahinschoss, lautlos und zuverlässig.

Opiter Quint dagegen entschied sich für einen Gleiter.

Der Disponent benötigte keine zwei Minuten, Quint das gewünschte Flugzeug zur Verfügung zu stellen.

Opiter Quint nannte der Positronik des Gleiters sein Ziel; die Positronik bot ihm Information über Asalluc City an.

»Gerne«, sagte Quint.

Der Positronik begann: »Die Stadt Asalluc City liegt unter einer Kuppel im Krater Myron, der knapp über 25 Kilometer durchmisst. Manche meinen, der Krater sei nach dem Heiligen Myron benannt, dem nachmaligen Bischof von Kreta, einem Ackersmann und braven Wundertäter.

Wahrscheinlicher aber ist, dass der Krater, in dem Asalluc City liegt, seinen Namen nach dem großen attischen Bildhauer Myron hat, der berühmt gewesen ist für seine bronzene Athena-Marsyas-Gruppe, für den Diskobolen und für den Läufer, vor allem aber für eine bronzene Kuh, die auf der Akropolis gestanden hatte, bevor die Römer sie nach Rom getragen haben.

Übrigens habe man, so geht die Überlieferung, Myron mehr seiner Tiergestalten wegen gelobt als für seine Menschenbilder, denen eine gewisse Kantigkeit nicht abzusprechen gewesen wäre, zumal in der Gestaltung des Haupt- und Schamhaares.

Quintillian dagegen lobt gerade die Bewegtheit seiner Figuren, die die archaische Steifheit älterer Epochen abgelegt hätten.«

Quint sah die Lichter der Stadt unter der Kuppel aus dreifachem Panzertroplon; im Notfall konnten zwei Energieschirme in die Freiräume zwischen den drei Schichten aufgebaut werden.

Das Spezialtroplon verteilte das Licht der Sonne und sorgte für einen 24-Stunden-Tag-und-Nacht-Rhythmus.

Die unteren Abschnitte der Kuppel stiegen steil an; der Anstieg flachte im weiteren Verlauf ab. Die Kuppel erreichte eine Höhe von zweitausend Metern – genug, um ein Wetter mit Wolken, sogar Regen zu gestalten.

Auf Merkur leben etwa 50 Millionen Bürger der LFG, überwiegend Terraner; die meisten von ihnen – etwa 15 Millionen – in Asalluc City.

Der Gleiter verlangsamte seinen Flug und sank zu einer der Schleusen im untersten Teil der Kuppel herab.

»Ich wünsche dir einen schönen Aufenthalt in Asalluc City«, sagte die Positronik, als sie vor dem Hotel anhielt. »Und Erfolg in allen deinen Vorhaben.«

»Danke«, sagte Quint. Das wünschte er sich auch.

Schließlich war er gekommen, um jenen Mann aufzuspüren, von dem NATHAN und die anderen großen Gehirne des Solsystems dachten, dass es sich bei ihm um den Adauresten handeln könnte.

Jenen Mann, der die Milchstraße und vielleicht nicht nur sie, sondern auch die angrenzenden Sterneninseln ins Verderben stoßen könnte.

Quint hatte ein Zimmer reserviert im Kopernikanischen Hof, einem der älteren Hotels von Asalluc City, erbaut in der Frühzeit der Kosmischen Hanse. Das Gebäude atmete Aufbruchstimmung und Optimismus; vor dem Eingang stand die monumentale bronzene Nachbildung einer Kuh.

Seit den Zeiten der Hanse galt der Kopernikanische Hof als informativ gut vernetzt und zugleich diskret. Kaum ein Kommunikationsnetzwerk der Milchstraße, zu dem das Hotel keinen Zugang anbot. In den informationsprivilegierten Suiten erhielt man sogar Verbindung zu den sonst eher hermetischen Handelsforen der Blues oder – gegen Aufpreis – zu den Märkten der Gurrads in den Magellanschen Wolken..

Opiter Quint war nicht als Händler auf dem Merkur.

Es war bereits sein vierzehnter Besuch in dieser Sache binnen der letzten zweieinhalb Monate.

Quint war Agent des TLD, des Terranischen Liga-Dienstes. Sein Auftrag war, den Mann ausfindig zu machen, der den Merkur als Adam von Aures betreten hatte.

Und seitdem verschwunden war.

Fast zeitgleich hatte sich die HaLem-Armee geregt, diese Ansammlung kriegerischer Statuen von Lemurern unterschiedlicher Zeitalter.

Kurz darauf war zudem das Kosmische Leuchtfeuer über den Planeten des Solsystems aufgegangen.

Das Areal der lemurischen Statuen war seitdem für die Öffentlichkeit weitgehend gesperrt; die Gesichter der Statuen folgten immer noch, träge wie fließendes Wachs, dem Leuchtfeuer. Sonst hatten sie keine Tätigkeit entfaltet.

Quint hatte das kontrolliert; er hatte besondere Überwachungsgeräte installieren dürfen, aber allem Anschein nach hatte der gesuchte Adam kein Interesse an dieser Armee.

Oder sein Interesse war der Überwachungsmaschinerie trotz aller Vorsicht entgangen.

Am Vortag hatte Quint ein kurzes Gespräch mit dem Direktor des Liga-Dienstes geführt, mit Maurits Vingaden. Sie hatten dabei auch kurz das Thema eines seltsamen wachsenden Raumschiffs gestreift, das in Terrania gesichtet worden war. Aber das war nicht Quints Aufgabe, Querverbindungen zum Adauresten gab es nicht, jedenfalls noch nicht.

»Gibt es etwas, das ich über dieses Gebilde wissen müsste?«, hatte er Vingaden gefragt.

Der Direktor hatte den Kopf geschüttelt. »Geh noch einmal auf den Merkur. Sei diesmal ein bisschen offensiver. Tritt auf. Man kann auch einmal anecken. Lass die Würfel rollen.«

»Ich soll ein paar Barkeeper befragen und Gleitertaxi-Fahrer? Mich in zwielichtigen Milieus herumtreiben?«

Für Quint, der es mochte, korrekt aufzutreten – und der wusste, dass manche Kollegen ihn für überkorrekt hielten –, war dies keine sehr verlockende Aussicht.

Vingaden hatte mit mildem Spott gesagt: »Wie man hört, soll Asalluc City ein noch verrufenerer Ort sein als Happytown. Oh, ich gebe dir übrigens einen TARA-S7 mit.«

»Einen ARGUS?«

Vingaden hatte genickt.

Opiter Quint sah sich in seiner Suite im Kopernikanischen Hof um. Die Einrichtung war von einer sparsamen, funktionalen Schönheit. Ein etwa zwei Meter breiter Abschnitt der Außenwand war verglast. Quint öffnete eine Tür in der Glasfront und trat auf den schmalen Balkon hinaus, von dem aus man bis zur Oase blicken konnte.

Quint ließ seine Blicke über Asalluc City gleiten. Das Spezialtroplon der Kuppel verwandelte das Licht der Sonne, die den Himmel dominierte wie sonst nirgendwo im Solsystem, in eine freundliche Gestalt.

Inmitten der Stadt leuchtete das Grün einer Parkanlage, der Oase.

Von dort aus gingen zwölf baumbestandene, großzügige Alleen in Richtung des Ringgebirges.

Die Bürger von Asalluc City lebten in ihrer Mehrzahl nicht in den Wohntürmen unterhalb der Kuppel, sondern im Ringgebirge des Kraters.

Die Portale zu dieser Welt waren wie die Ziffern auf einer Uhr bezeichnet, von I bis XII.

Merkur-Terraner redeten nicht vom Norden oder Osten der Stadt, sondern davon, dass sie in Richtung III wohnten oder in Richtung VII gehen wollten.

Auf XII Uhr befand sich das Verwaltungszentrum der Stadt und zugleich des Planeten, ein Gebäudekomplex, der nicht ohne Grund die Würfel hieß. War dort, im Regierungssitz des Planeten, eine Entscheidung getroffen worden, hieß es: »Die Würfel sind gefallen.«

Jetzt war Quint in Asalluc City, um seine Würfel ins Rollen zu bringen.

Er ging ins Zimmer zurück und schloss die gläserne Tür.

Er stellte den Rucksack, der bei der Kontrolle so aufmerksam kontrolliert worden war, auf den Tisch, holte den kugelförmigen ARGUS-Roboter heraus und legte ihn auf den Tisch.

Die weitgehend durchsichtige Kugel war überraschend leicht und wirkte zerbrechlich.

Sie durchmaß 40 Zentimeter und wurde von einem zehn Zentimeter breiten, silbrigen Band wie von einem Äquator umlaufen.

In diesem Band steckte, wie Quint wusste, hochwertige terranisch-siganesisch-swoonsche Mikrotechnologie, darunter Spitzenleistungen vieler Positroniker.

Innerhalb der Kugel befanden sich Daten- und Energiespeicher, Antriebs- und Tarnsysteme, Schutzschirm- und Holoprojektoren.

Aus einem Grund, den Quint nicht kannte, waren diese Funktionselemente weitgehend transparent gehalten.

Auf der Oberfläche der gläsernen Kugel saßen Drohnen auf; überwiegend diskusförmige Gebilde in verschiedenen Größen – in mindestens sieben Größen, wie Quint überschlug: Die umfangreichsten hatten einen Durchmesser von neun Zentimetern; die anderen maßen fünf Zentimeter, zwei, dann einen Millimeter; die kleinsten mochten es auf einen Zehntelmillimeter bringen.

Insgesamt sollte das TARA-S-System über exakt 1000 Drohnen verfügen; das S in TARA-S stand für Surveillance, den Ausdruck einer alten terranischen Sprache für Überwachung.

Die magische Zahl 1000 hatte dem Gerät auch seinen Namen eingetragen, wieder ein Begriff aus einer alten terranischen Sprache, wo er so viel bedeutete wie Tausendäugiger. Ganz so, als wäre der Roboter eine maschinelle Wiedergeburt von Argos, dem Ungeheuer aus der griechischen Mythologie, dessen Leib über und über mit Augen besetzt gewesen war: Augen, von denen, wie man sich erzählte, immer nur ein Paar schliefe; denn Argos fürchtete den Schlaf.

Quint aktivierte den TARA-S mit einem Kode, den er via Multikom zuschickte.

Inmitten der Kugel erschien ein Gesicht, das – nach einem winzigen, vagen Moment – Quints eigenem Gesicht glich, aber so, als wäre es die Vorlage gewesen für ein Standbild auf der Osterinsel.

»Ich benötige einige weitere Legitimationen«, sagte der TARA-S mit einer klaren, nahen Stimme. Der Lautsprecher arbeitet gerichtet, erkannte Quint. Wahrscheinlich hätte, wären andere Menschen im Raum gewesen, niemand etwas von diesen Worten gehört.

Ein ovales Sensorfeld leuchtete im Band auf, das die Kugel umlief. Quint befeuchtete den Zeigefinger und legte ihn dorthin. Sicherlich kontrollierte der TARA-S in dem Moment, in dem er die Gen-Analyse durchführte, auch den Augenhintergrund.

Ferner sollte die Maschine einen Ausschnitt seiner ÜBSEF-Konstante erkennen.

»Guten Tag, Opiter Quint«, sagte der TARA-S. »Was kann ich für dich tun?«

Quint entnahm seinem Multikom einen daumennagelgroßen Datenkristall und legte ihn in eine Kontaktmulde des Bandes. Ein kleines Aufblinken bewies, dass der TARA-S dem Kristall die Daten entnahm.

»Wir suchen Adam von Aures«, sagte der TARA-S. »Wann beginnen wir?«

»Sofort.«

 

*

 

Es gab eine Aufzeichnung, die Adam von Aures zeigte, wie er mit anderen Passagieren aus dem Transmitter von BACKDOOR ALPHA am Nordpol von Merkur stieg.

Eine Zeitangabe, die in das Holo eingeblendet war, datierte seine Ankunft auf den 14. Mai 1551 NGZ, 23.45 Uhr Terrania Standard.

BACKDOOR, das Transmittersystem, diente dem Güter- wie dem Personenverkehr. Irgendwann hatte sich für den Transmitterbahnhof auf dem Merkur der Name BACKDOOR ALPHA eingebürgert – oder kurz Alpha.

Die Linie 1 des Systems verband Merkur mit dem Planeten Maldonaldo im Wegasystem. Seit der Ferrone Hekéner Sharoun zum Residenten der Liga gewählt worden war, waren die Bande zwischen Terranern und Ferronen noch enger geknüpft.

Manche sprachen bereits von einer Symbiose