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Dr. Heinz Wagner

DER
KALTE KRIEG

© Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH

2008, München/Grünwald

www.komplett-media.de

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HEROLD Auslieferung Service GmbH

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Geschichts-Daten


1919: Gründung der Komintern (Kommunistische Internationale)
1922: Diplomatische Anerkennung der Sowjetunion durch Deutschland
1924: Unterwerfung der Komintern unter die Sowjetunion
1933: Diplomatische Anerkennung der Sowjetunion durch die USA
August 1939: Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion
1. September 1939: Beginn des Zweiten Weltkrieges
1940: Annexion von Litauen Lettland und Estland durch die Sowjetunion
22. Juni 1941: Angriff Deutschland auf die Sowjetunion
15. August 1941: Unterzeichnung der „Atlantic Charta“
Januar 1942: Gründung der Vereinten Nationen (UN)
Januar 1943: Konferenz der Alliierten von Casablanca
Mai 1943: Auflösung der Komintern
November 1943: Konferenz der Alliierten in Teheran
Februar 1945: Konferenz der Alliierten von Jalta
8. Mai 1945: Kapitulation von Deutschland
Juli/August 1945: Konferenz von Potsdam
6. August 1945: Zündung der Atombombe in Hiroshima
8. August 1945: Gründung des Alliierten Kontrollrates
2. September 1945: Kapitulation Japans, Ende des Zweiten Weltkrieges
1946 – 1954: Indochinakrieg
September 1949: Gründung der „Demokratischen Republik Vietnam“ (Nord-Vietnam)
März 1947: Verkündung der „Truman-Doktrin“
1947: Etablierung des Begriffes„Kalter Krieg“ (Bernard M. Baruch)
März 1948: Ende des Alliierten Kontrollrates
16. April 1948: Beschluss des Marshallplans
25. Januar 1949: Gründung des COMECON (Council of Mutual Economic Assistance)
18. März 1949: Unterzeichnung des Nordatlantikpaktes, Gründung der NATO
23. Mai 1949: Gründung der Bundesrepublik Deutschland
1948: Berlin-Blockade
September 1949: Zündung der ersten sowjetischen Atombombe Gründung der DDR
23. Juli 1952: Gamal Abdel Nasser stürzt in Ägypten König Faisal
1950 – 1953: Koreakrieg
1952: US-Friedensvertrag mit Japan
17. Juni 1953: Volksaufstand in der DDR
Mai – Juli 1954: Genfer Konferenz (Indochina-Konferenz)
15. Mai 1955: Unterzeichnung des Warschauer Paktes
September 1955: Verkündigung der Hallstein-Doktrin
1955: Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO Aufnahme der DDR in Warschauer Pakt
Oktober 1956: Volksaufstand in Ungarn
4. November 1956: Einmarsch der Sowjetunion in Ungarn
1956: Suezkrise
6. März 1957: Ghana wird als erstes Land Afrikas unabhängig
25. März 1957: Gründung der Europäischen Wirtschafts-Gemeinschaft (EWG)
1. Januar 1959: Fidel Castro siegt in Kuba
30. Juni 1960: Unabhängigkeit des Kongo
13. August 1961: Bau der Berliner Mauer
1962: Kuba-Krise
2. März 1965: Beginn des Vietnamkrieges (Militärische Intervention der USA)Frühjahr
1968: Prager Frühling
21. August 1968: Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR
April 1974: Enttarnung des Kanzleramt-Spiones Günter Guillaume
30. April 1975: Ende des Vietnamkrieges (Abzug der Amerikaner)
1. August 1975: Schlussakte von Helsinki, Ende der KSZE-Konferenz
1977: Nachrüstungsdebatte(Pershing II, SS20)
16. Oktober 1978: Wahl von Karol Wojtyla zum Papst Johannes Paul II.
24. Dezember 1979: Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan
Dezember 1979: NATO-Doppelbeschluss
1980: Gründung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc
13. Mai 1981: Mordanschlag auf Papst Johannes Paul II.
1981: Verhängung des Kriegsrechtes in Polen
November 1983: Abrüstungsabkommen zwischen Reagan und Gorbatschow
7. Dezember 1988: Abrüstungsrede Gorbatschows vor der UN
9. November 1989: Fall der Berliner Mauer und der Grenze zur DDR

Inhaltsverzeichnis


Die Vorgeschichte I: Russland

Die Vorgeschichte II: DerWesten

Der Beginn des Kalten Krieges

Die Truman-Doktrin

Der Korea-Krieg

Geheimdienst als Waffe

Die Manipulation von Roosevelt

Spionagedorado Großbritannien

Turbulenzen nach dem Krieg

Die Atombombe

Der technisch-militärische Komplex

Gier statt Ideologie

Das Ende der Kolonien

Agitation in Afrika

Der Nahe Osten

Die Kuba-Krise

US-Debakel in Vietnam

Angst vor dem Kommunismus

Proteste gegen den Vietnamkrieg

Konflikt im Nahen Osten

Kommunismus in Asien

Kommunismus in Afrika

Bundesrepublik und DDR

Pershing II gegen die SS20

Das Duell der Schlapphüte

Einfluss auf die Bundesrepublik

Die Wirkung der Romantik

Der polnische Papst

Die Macht der Solidarnosc

Mordanschlag auf den Papst

Der Aufstand in Ungarn

Der Prager Frühling

Die Polen mucken wieder auf

Die Sonderrolle von Tito

Die Ära Andropow

Der Krieg der Falken

Das Ende der Sowjetunion

Die Öffnung der Sowjetunion

Als der zweite Weltkrieg im Mai 1945 zu Ende ging, war die Hoffnung auf Frieden groß. Es begann nun auch tatsächlich eine für Europa ungewöhnlich lange Friedensphase, die bis heute andauert. Das galt aber nur für „heiße“, militärisch kriegerische Auseinandersetzungen. Das Ende des blutigen Ringens markierte eine andere, erbitterte Auseinandersetzung, die der „Kalte Krieg“ genannt wird.

Scharfe ideologische Gegensätze zwischen den kapitalistischen und kommunistischen Supermächten verhinderten damals einen umfassenden Frieden. Stattdessen begann der Kampf um die Vormacht in der Welt als ein weltweiter Ost-West-Konflikt, vornehmlich als Auseinandersetzung zwischen den USA und der UdSSR und den von ihnen beeinflussten Staaten. Es begann der „Kalte Krieg“, ein Krieg um Einflusssphären, um Wirtschaftsräume und auch Rohstoffe.

Der Westen schuf mit dem Marshallplan die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), aus der später die EU entstand, und das Militärbündnis NATO. Der Osten antwortete mit der Gründung der COMECON, dem sozialistischen Wirtschaftsblock zur Durchsetzung des sowjetischen Planwirtschaftssystems, und dem Militärbündnis Warschauer Pakt, unter der Führung der Sowjetunion.

Diese Entwicklung – und der gesamte „Kalte Krieg“ – hatte ihren eigentlichen Ursprung in der von Roosevelt und Churchill schon während des 2. Weltkrieges am 15. August 1941 beschlossenen Erklärung über die Grundsätze der Nachkriegspolitik. In ihr proklamierten sie als gemeinsame Prinzipien der Nachkriegspolitik:

• den Verzicht auf Annexionen

• die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker bei der Wahl ihrer Regierungsform

• die Wiederherstellung der weltwirtschaftlichen Beziehungen, auf der Grundlage der Gleichberechtigung aller Staaten im Welthandel.

Am 1. Januar 1942 wurde diese Erklärung als „Atlantic Charta“ unterzeichnet. Sie wurde eines der Grunddokumente für den Zusammenschluss zu den Vereinten Nationen, der UN.

Die Euphorie in zahlreichen Völkern Afrikas und Asiens über die zugesagte Unabhängigkeit und Selbstständigkeit war riesig. Die daraus abzusehenden Auswirkungen auf die europäischen Kolonialmächte England, Frankreich, Belgien, Portugal und Holland versuchte der Imperialist Churchill einzudämmen, indem er die zugesagte Freiheit auf die vorher von den Achsenmächten besetzten Länder zu beschränken versuchte. Das aber ließ sich nicht mehr durchsetzen.

Es folgten die vielen und oft erbarmungslos geführten Kriege um die Unabhängigkeit der früheren Kolonien. Die Sowjetunion sah ihre Position in Europa durch die Errichtung des Eisernen Vorhangs weitgehend gesichert. Sie konnte sich deshalb in den Kolonialkriegen stets auf der Seite der um Unabhängigkeit kämpfenden nationalen Bewegungen stellen und mit Waffenlieferungen und politischer Unterstützung versuchen, ihren Einflussbereich zu vergrößern.

Gleichzeitig steigerte das atomare Wettrüsten die Gefahr einer direkten Konfrontation der Supermächte. Als schließlich beide Machtblöcke mit atomaren Sprengköpfen und Interkontinentalraketen ausgerüstet waren, ergab sich eine Patt-Situation. Diese führte schließlich dazu, dass die Sowjetunion unter dem neuen Kreml-Chef Gorbatschow, in seiner berühmten Rede bei der Generalversammlung der UN 1988, den ersten Schritt zu einer Entspannung unternahm. Diese leitete das Ende des „Kalten Krieges“, des Kampfes um die Vormacht in der Welt ein – und es leitete zugleich das Ende der Sowjetunion ein.

Die Vorgeschichte I: Russland

Die krassen sozialen Ungerechtigkeiten und die Separations-bestrebungen der zahlreichen nichtrussischen Völker waren der Sprengstoff, der das feudale, russische Zarenreich mit dem Ende des Ersten Weltkriegs von innen her zerstörte. Die Revolutionäre der Oktoberrevolution propagierten den Klassenkampf und nutzten den Krieg zum Aufstand gegen den Adel und das Großbürgertum. Die zahlreichen Nichtrussen in dem Riesenreich sahen eine Chance für die Freiheit ihrer Völker. So entstand nach dem Friedensschluss mit Deutschland 1917 die Sowjetunion, allerdings erst nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der neu gegründeten Roten Armee und den weißen, zaristischen Interventionstruppen, welche die Entstehung eines kommunistischen Staates verhindern wollten.

Schon im Dezember 1920 erklärte Lenin in einer Grundsatzrede vor den Bolschewisten, den hohen Funktionären der kommunistischen Partei: „Bis zum endgültigen Sieg des Sozialismus auf der ganzen Welt gilt die Grundregel, dass man die Widersprüche und Gegensätze zwischen zwei imperialistischen Mächtegruppen oder zwischen zwei kapitalistischen Staatengruppen ausnutzen und sie auf einander hetzen muss. Ist es unmöglich, beide zu besiegen, so muss man es verstehen, seine Kräfte so zu gruppieren, dass die beiden untereinander in Streit geraten. Sobald wir aber stark genug sind, den gesamten Kapitalismus niederzuwerfen, werden wir ihn sofort an der Gurgel packen.“

Stalin berief sich später auf Lenin, wenn er darauf beharrte, dass die Imperialisten auf jeden Fall den Versuch unternehmen müssen, den ersten und einzigen Arbeiter- und Bauernstaat der Welt zu vernichten. Gern zitierte er Lenins Worte: „Wir leben nicht nur in einem Staat, sondern in einem Staatensystem, und die Existenz der Sowjetunion, Seite an Seite mit imperialistischen Staaten, ist langfristig undenkbar. Letzten Endes wird eine der beiden Seiten triumphieren. Aber bis dahin ist eine Reihe der schrecklichsten Zusammenstöße zwischen der Sowjetrepublik und den bürgerlichen Staaten unvermeidlich.“

Innenpolitisch konsolidierte die Sowjetunion damals ihr Staatssystem und nutze für die Überwachung des politischen Geschehens im Land die aus der Zarenzeit noch vorhandene und von den Kommunisten übernommene „Ochrana“, die Geheimpolizei, mit ihrem Spitzelnetz. Ihr erster Chef unter der kommunistischen Regierung wurde Felix Dserschinski. Er baute die mit umfassenden Vollmachten ausgestattete Organisation zu einem äußerst wirksamen Instrument für die kommunistische Führung aus.

Im März 1919 wurde auf Initiative Lenins in Moskau die „Komintern“, die kommunistische Internationale, gegründet. Sie war der internationale Zusammenschluss von Parteien und Gruppen der äußersten Linken und sollte sich zu einer straff organisierten Weltpartei mit nationalen Sektionen entwickeln. Der zweite Weltkongress der Komintern im August 1920 billigte Lenins „21 Leitsätze über die Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale“, die die Aufnahme so genannter „zentristischer“ kommunistischer Parteien verhindern sollten, und damit das Leitprinzip des demokratischen Zentralismus.

Die Führung der Komintern lag beim Exekutivkomitee in Moskau. Ziel war die Weltrevolution, also die Errichtung der Diktatur des Proletariats und der Rätemacht in allen Ländern der Welt. Nach dem fünften Weltkongress 1924 wurde die Komintern endgültig den Interessen der Sowjetunion unterworfen, sie erkannte die Führungsrolle der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Stalins an. Schrittweise wurde die Volksfrontpolitik verkündet. Unter den veränderten Umständen während des zweiten Weltkrieges und im Interesse des notwendigen Bündnisses mit den Westmächten wurde die Komintern jedoch im Mai 1943 aufgelöst.

Nach Lenins Tod 1924 begann Stalins Aufstieg an die Spitze von Partei und Regierung. Schnell etablierte er sich als Alleinherrscher, der mögliche Gegner und Konkurrenten durch die Besetzung aller Partei- und Staatspositionen mit seinen Anhängern ausschaltete.

Das Ausbleiben kommunistischer Revolutionen, vor allem in Westeuropa, interpretierte die Sowjetführung als Notwendigkeit, ein starkes Industrieproletariat zu schaffen, um gegenüber der kapitalistischen Einkreisung bestehen zu können. Der Anteil der Arbeiter und Angestellten an der Gesamtbevölkerung betrug zu der Zeit damals nur etwa 17 Prozent und diese Zahl galt es zu vergrößern. Daraus resultierte nicht zuletzt auch Stalins unselige Bevorzugung der Schwerindustrie, zu Lasten von Landwirtschaft und Konsumgüterindustrie.

Stalin betrieb außerdem von Anfang an mit dem Instrument der Komintern eine subversiv revolutionäre Außenpolitik. 1927 wurde die „Neue Ökonomische Politik“ Lenins beendet. An ihrer Stelle folgten die zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft und eine radikale Industrialisierung unter Bevorzugung der Grundstoff, der Investitionsgüter- und der Rüstungsindustrie. Wohnungsbau und Konsumgüter wurden vernachlässigt. Die Kollektivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft setzte die notwendigen Arbeitskräfte für die Industrie frei.

1922 wurde die Sowjetunion von Deutschland, 1933 von den USA diplomatisch anerkannt, dazwischen lag die Aufnahme in den Völkerbund. Doch das außenpolitische Prestige des Sowjetregimes sank atemberaubend schnell. Ursache dafür waren die vielen, brutalen innersowjetischen Säuberungen.

In dieser außenpolitisch isolierten Lage und angesichts der damaligen Machtstärke Deutschlands unter den Nationalsozialisten entschied sich die Sowjetregierung für ein Bündnis mit den Nazis und den Nichtangriffspakt mit Deutschland vom August 1939. Damit sollte die Beteiligung an einer künftigen Aufteilung Osteuropas gesichert werden. Der Vertrag legte die Grenzen der deutschen und sowjetischen Einflusszonen fest.

Der Einmarsch der deutschen und der sowjetischen Truppen in Polen im September 1939 entsprach der Logik dieses Vertrages und besiegelte die vierte Teilung Polens. Die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland wurden gezwungen, Beistandspakte mit der Sowjetunion abzuschließen. Im Juni 1940 erfolgte ihre staatliche Integration in die Sowjetunion als Sowjetrepubliken. 1940 zwang die Sowjetunion Rumänien, von seinem Staatsgebiet Bessarabien und die Nordbukowina an sie abzutreten. Ein Nichtangriffs- und Neutralitätsabkommen mit Japan sollte vor einem möglichen Zweifrontenkrieg im Fall eines deutschen Angriffs schützen.

Die Vorgeschichte II: Der Westen

Diesem Machtmonolith der Sowjetunion standen die Westmächte England, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Churchill und Roosevelt beschlossen im August 1941 die Grundsätze ihrer künftigen Kriegs- und Nachkriegspolitik. Diese „Atlantik- Charta“ proklamierte als gemeinsame Prinzipien unter anderem:

• den Verzicht auf Annexionen

• die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker bei der Wahl ihrer Regierungsform

• die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker bei der Regelung von territorialen Streitigkeiten

• die Gleichberechtigung aller Staaten im Welthandel

• die Freiheit der Meere

• die vollständige Entmilitarisierung aller Aggressorstaaten bis zur Herstellung eines dauerhaften Systems der kollektiven Sicherheit.

Die 26 Staaten, die im Januar 1942 in der Deklaration von Washington den Zusammenschluss der Vereinten Nationen vereinbarten, erkannten in ihrer Erklärung die Atlantik-Charta an und machten sie damit zu einem der Grunddokumente der UN.

Im Zweiten Weltkrieg kämpften noch England, die USA und die Sowjetunion Seite an Seite gegen Deutschland. Wegen des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion waren alle drei in gleicher Weise an einem Sieg interessiert. Das machte eine enge Zusammenarbeit sinnvoll, das schweißte – auf Zeit – zusammen.