Ein dramatisches Gedicht
Des Schauspiels zweiter Teil
Faust II
Personen
Orte der Handlung
1. Akt
2. Akt
3. Akt
4. Akt
5. Akt
Felix Faust, Atom- und Astrophysiker
Mephisto, Teufel Staatsverschuldung
Mysterium (nur Stimme)
Apasmara, Dämon der Unwissenheit
Chrona, Göttin der Zeit
Göttin des Lichts
Präsident
Diktator
Weltproduzent
Ethiker
Direktor einer Roboterfabrik
Biologin
Kirchenfürst
Julia
Amalie
Britta
Elena
Naturgeister
Observatorium, Labor, Lichtung, Grotte der Lust, freie Natur, Amtszimmer des Präsidenten, Turmzimmer des Ethikers, Roboter-Fabrik, verschiedene Projektionen.
Mitternacht, auf einer Lichtung, sie umgebender Wald.
Mephisto etwas kleinlaut:
Hier bin ich nun zur vorgeschriebenen Stunde
und sehr begierig, Neues zu erfahren,
zumal aus Eurem werten Munde.
Mysterium, Stimme scheint von allen Seiten zu kommen:
Red keinen Unsinn, Mund und solche Dinge,
wohl möglich, dass ich mich von Zeit zu Zeit
zu menschlich Antlitz zwinge.
Die Sache fiele mir wohl leicht,
bin in Myriaden von Gestalten,
doch will ich mich nie lange halten,
weil immer Neues meinem Geist entspringt
und eine Form gern mit der anderen ringt.
Doch nun zu dir und deinen Missetaten,
die Sache war voraussehbar und gar nicht
anders zu erwarten.
Du kleiner Teufel hast die Regeln kalt gebrochen
und übermütig, teilnahmslos zerstochen,
was tief in Faustens Herzen lebt.
Du kannst nun einmal nicht verlieren,
doch da du Teil der Welt,
müsst ich mich wohl genieren.
Mephisto:
Verzeiht, dass ich Euch unterbreche, sie kannten
sich nur ein paar Stunden..
Mysterium:
Die dennoch reichten ernstlich zu verwunden!
Schweig endlich still, wenn streng ich zu dir spreche!
Ein dunkler Bereich der Bühne erhellt sich, Faust
an einem Teleskop wird sichtbar.
Sieh ihn nur an, den Faust, wie er sich plagt,
die ganze Nacht bis früh der Morgen tagt,
gebrochenen Herzens will er sich berauschen
und in des Weltalls Stille voller Hoffnung lauschen.
Faust:
So angeweht von der Erkenntnis,
die sich mir zögernd offenbart,
Gedanke, Spiel, ein wenig Wagnis,
im besten Fall mit Wirklichkeit gepaart.
Doch was für eine Wirklichkeit?
Ein Reigen aus fünf Sinnen,
der Urgrund bleibt fern unserem Raum,
ein Blatt vielleicht in zeitlichem Verrinnen,
nur Blütenstaub vom großen Schöpfungsbaum.
Das alles fließt, das wussten schon die Alten,
doch wie es fließt, das öffnet sich uns voll
in sternenklaren Nächten,
tief umhüllt von Kaltem,
in denen dieses Abbild überquoll.
Und beinah zitternd führt die Hand die Linse
und tiefer dringt der Blick zu fernstem Raum,
am Ende Dunkelheit und wenig Lichtgebilde
und schwarz die Gottheit,
bröckelnd unser Traum.
Die Feuerschwaden fressen ganze Welten,
vielleicht auch Leben,
das dem unseren gleicht.
Ob eine Formung häufig oder selten,
nichts bleibt von der Vernichtung unerreicht.
Doch vor dem Leuchten, Licht und Wolkenschleier,
die wie Giganten durch das Dunkel ziehen,
greift Menschengeist nach Abbild und nach Leier
und sieht die Schönheit selbst im Untergehen.
Die Elemente tauschen sich
in ungezähltem Reigen
im myriadenhaften Meer,
und aus Vernichtung schafft sich neues Leben,
und Herz und Moleküle werden schwer.
Ich blicke auf zur Magellanschen Wolke
hinein in einen Schleier voller Licht,
in dessen Austausch, Flammenräusche,
der große Wunsch nach Dauer gleißend bricht.
Das Auge trinkt die wunderbaren Dinge,
die mir der Schirm dort nächstens angezeigt.
Durch alles dringt ein Hauch jener Sekunde,
in der sich Dunkelheit vor erstem Licht verneigt.
Licht um Faust wird eingezogen.
Mysterium zu Mephisto:
Zwar bist du Teil von mir,
doch ist es so bei meinen höheren Kreaturen,
sie führen oft ein Eigenleben
voll individueller Spuren.
Mich amüsiert, was sich da stets gebiert,
an Formenreichtum immer interessiert,
sag ich nur:
Mutig und sich nicht geziert,
denn was sich aus des Urgrunds Tiefe
so manches Mal durch Menschengeist entbunden,
das ist schon einer Schöpfung wert,
das Tier in ihm scheint überwunden,
doch meistens ist es schnell zurückgekehrt.
Doch nun zu dir, Mephisto, alte Plage,
zwar brauch ich dich für diesen Menschenbrei,
damit sein Übermut gedämpft und noch so allerlei.
Doch mit dem Faust, da hast dus überspannt!
Was schlägst du vor, das seine Leiden bannt?
Mephisto zuckt mit den Achseln.
Mysterium:
Nun gut, ich möchte, dass ihm wieder Hoffnung
winkt,
nicht vollends er im Schmerz versinkt!
Oh menschlich Fortpflanzung!
Selbst mir scheint diese Sache fast entglitten,
es wird darum gar viel zu viel gelitten!
Ein Zeitloch werde ich errichten,
es wird die Zeit mit Stella sanft vernichten.
Mephisto:
Oh, Meister, Euer Geist! Für alles eine Lösung.
Mysterium:
Zur Strafe hilfst du nun dem Faust,
der Mensch kann manches noch vollbringen,
du unterstützt ihn, wo du kannst,
ohne zur Gegenleistung ihn zu zwingen.
Mephisto:
Ihr greift zum Innersten,
auf dem mein Wesen ruht,
bin plötzlich hilfreich, wirklich gut!
Schon jetzt die für mich größte Qual,
doch bleibt mir keine andere Wahl.
Mysterium, verhallend warnend:
Gedenke meiner Macht!
Mephisto:
Die allerorts und ständig wacht.
Mephisto allein.
Mephisto zu sich selbst:
Welch ein Theater um die kleine Sache,
ein Zeitloch extra, dass man da nicht lache.
Die frisch entflammte Liebe
voll von Lust und Qual,
zum Lachen ists mir jedes Mal.
Und dieser Acker lässt sich leicht bestellen,
ein wenig Eifersucht
lässt schnell die Lieb vergällen,
und Mißtrauen, Eitelkeit, Besitzerstolz,
dazu die tausend kleineren und größeren Komplexe,
hier braucht es nur ein wenig Zeit,
nicht einmal Teufel oder Hexe!
Statt der Natur, die auf Bestand bedacht,
das Opfer lustvoll darzubringen,
muss man beständig mit Romantik ringen,
mit Ehre, Edelmut, Galanterie …
und dann die Zweisamkeit nach vielen Jahren,
was hat man dann für Streit und Qual erfahren!
Ich setzte oft schon selbst den Hebel an,
half kräftig nach, so gut ich kann.
Den Frauen half der Argwohn und die List,
um ihren Mann dann in die Schuld zu schlagen.
Doch bei den Männern wird es richtig leicht,
ein kurzer Rock, der Busen quillt hervor,
der klügste Mann wird rasch ein großer Tor!
Und schon beginnt das ewig neue Spiel:
am Anfang Lieb und Lust,
zum End ein Trauerspiel.
Für Mord und Totschlag häufigstes Motiv:
die holde Liebe, die uns rief!
Der arme Faust ironisch,
ihn würgt die Liebe,
die im Anfang starb,
bevor die Zeit
ihm selbst die Lieb verdarb.
Mysterium hat das Zeitloch geschaltet, Faust und die Welt haben alles vergessen.
Faust am Steuerpult des Teleskopes:
Es ist das Schweigen,
das das Sein umgibt,
das weder hasst
noch etwas liebt,
das weder anklagt
noch vergibt,
das teilnahmslos
den Menschen stumm umhüllt,
nie ein Versprechen gab,
nie eine Hoffnung stillt.
Die Dinge sind so nah und
doch so fern zugleich,
die Vielfalt der Gestaltungen
so offen und geheimnisvoll zugleich
und Wandlungen so weit
das Auge reicht,
und Form prägt sich auf Form,
die welkt, vergeht und Neuem weicht.
Und voll der Stille
zieht das Ganze seine Bahn
und wirkt verborgen unseren Blicken,
um dann mit größerem Entzücken
sich unseren Augen darzustellen:
Sieh! Eine neue Form
darf nun zum Lichte quellen!
Und angepasst und neuem Wesen eigen,
hebt sich ein Schmetterling,
den es zuvor in dieser Form nicht gab,
hinauf zu seinem ersten Lebenstag
und weiß nichts um die Kräfte,
die ihn schufen,