Kramar, Konrad; Stuiber, Petra Die schrulligen Habsburger

PIPER

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Marotten und Allpren eines Kaiserhauses

 

ISBN 978-3-492-96470-8

März 2017

© Piper Verlag GmbH, München 2006

Erstausgabe

© Verlag Carl Ueberreuter, Wien 1999

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Jan Thomas (»Kaiser Leopold I.«; Foto: Erich Lessing/AKG-Images)

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

 

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Vorwort

Er hätte sein Leben dafür gegeben, Wissenschaftler werden zu dürfen – er gab es schließlich her, einfach nur, weil er mit diesem Leben nichts mehr anzufangen wusste. Die wenigen glücklichen Stunden seines Lebens verbrachte Kronprinz Rudolf mit der Vogelkunde. Wenn er oft wochenlang durch die Donauauen streifte und nächtens Größen und Maße der erlegten Vögel in seine Notizbücher eintrug, wenn er jagte und forschte, dann hatte Rudolfs Leben einen Sinn – nur eben nicht jenen, den die Dynastie dafür vorgesehen hatte.

Wer dem Weg der Habsburger durch die Geschichte folgt, erlebt eine Familie, die sich konsequenter als jede andere Dynastie Europas eisernen Prinzipien unterworfen hat: Machterwerb und Machterhalt, Regierung und Repräsentation.

Fürs Leben wie auch fürs Sterben eines Habsburgerherrschers gab es ein striktes Protokoll. So, wie sie nach eindrucksvollen Totenbettszenen – stets wurden die letzten Worte aufgezeichnet – einbalsamiert und, ihres Herzens und ihrer Eingeweide entledigt, in die Kapuzinergruft einfuhren, so verbrachten sie ihr öffentliches Leben: streng nach gottgewollter Vorschrift.

Die Krone war für viele Mitglieder der Dynastie mehr Bürde als Würde, der sie auf ganz verschiedene und oft sehr eigenartige Weise begegneten. Die persönlichen Vorlieben, die ihr Leben und in einigen Fällen ihren Regierungsstil entscheidend mitprägten, sind eine wahre Fundgrube an Kuriositäten, teils mit tragischem, teils mit komischem Einschlag.

Dieses Buch begleitet die Dynastie durch fünf Jahrhunderte. Es beginnt mit Friedrich III., dem wortkargen und wortscheuen Eigenbrötler, der von einer Gier nach Kostbarkeiten besessen war: so groß, dass er über seinen vollen Schatztruhen die Welt rund um sich vergaß. Sie wollte ihm, davon war er überzeugt, ohnehin nichts Gutes.

Wir betrachten Maximilian I. nicht als Kaiser und Krieger, sondern als beinahe manischen Selbstdarsteller, der ein Leben lang an seiner eigenen Legende arbeitete. In die Geschichte wollte er eingehen, dafür gab er den letzten Gulden aus seiner ohnehin chronisch leeren Staatskasse.

Wir schauen zu, wie Karl V., der Herrscher eines Reiches, in dem die Sonne angeblich nicht unterging, sich allmählich zu Tode isst, wundern uns über eine spröde Kaiserin Elisabeth, die dagegen fast nichts isst und statt zu tafeln lieber turnt. Wir begegnen einem begabten Komponisten namens Leopold, der für seine Hochzeit eigenhändig an einer Oper mitschreibt und seine Beamten nach ihren Gesangskünsten auswählt. Allein sein lästiger Hauptberuf, Kaiser, verhindert eine große Künstlerkarriere.

Wir beobachten den Gärtner Franz beim Tulpenzüchten im Burggarten und reisen mit Josef inkognito in der Postkutsche quer durch Europa. Wir verfolgen Maximilian, den Bruder des Kaisers Franz Joseph, in die fernen Welten, die er bereist und von denen er träumt, wenn ihn seine ererbten Pflichten gerade nicht fortlassen. Sein Fernweh bringt ihm beinahe eine Weltreise, ein exotisches Kaiserreich und schließlich einen gewaltsamen Tod.

Nicht als historische Figuren, sondern als Persönlichkeiten werden Herrscher hier porträtiert – als Menschen, deren Leben vielleicht anders ausgesehen hätte, wären sie von ihrem Schicksal nicht auf den Thron gesetzt worden.

Dieses Buch soll einfach Spaß machen, unterhaltsam sein und den an Geschichte durchschnittlich interessierten Lesern ein bisschen mehr Einblick in österreichische Herrscherhistorie bieten. Nicht Glanz und Gloria haben die Autoren interessiert, sondern die kleinen und großen Schrullen, Leidenschaften und Spießbürgerlickeiten derer, die ein Weltreich regierten. Das Buch macht aus Herrscherpersönlichkeiten, denen zu Lebzeiten vor allem Verehrung und Respekt entgegengebracht wurden, »ganz normale Menschen« – mit einigen Marotten.

 

Konrad Kramar und Petra Stuiber

FRIEDRICH III.

Lockruf des Goldes

Es war wieder einmal spät geworden. Längst hatten die Glocken der Georgskapelle Mitternacht geschlagen. Die Wiener Neustädter Burg war in tiefen Schlaf gefallen, nur in den Zimmern des Kaisers brannte noch Licht. Müde hockten die Diener, die für die Nacht eingeteilt worden waren, auf ihren Sesseln. Es galt, die Augen offen zu halten. Denn bald würden die Herrschaften wieder nach neuen, frisch gefüllten Lampen verlangen, zum dritten Mal in dieser langen Nacht.

Unüberhörbar drang die Stimme von Enea Silvio Piccolomini nach draußen; der Sekretär des Kaisers ereiferte sich wieder einmal über die vergangene Größe der Antike, die man von Neuem entdecken müsse. Thomas Ebendorfer, der berühmte Historiker, war aus Wien angereist, um über den letzten Stand seiner Ermittlungen über die glorreiche Herkunft der Habsburger zu berichten. Das römische Adelshaus der Colonna, das wären doch passende Ahnen. Ein Stammbaum mit Karl dem Großen oben drauf, da gäbe es noch einige historische Probleme zu beseitigen.

Nur gelegentlich geriet die eloquent geführte Diskussion ins Stocken. Friedrich brachte sich mit ein paar ungeschickt formulierten Sätzen in die Diskussion ein. Sicherlich konnte der Kaiser Latein, hatte er sich doch Sätze von Seneca, Horaz und anderen römischen Autoren feinsäuberlich in sein persönliches Notizbuch eingetragen, doch so flüssig wie bei den gelehrten Herren ging das eben nicht. Auch hatte er wieder einmal nur mit einem Ohr zugehört und davon wohl nur die Hälfte verstanden. Rudolf IV., sein Großonkel, der wäre doch ein Herrscher gewesen! Er, Friedrich, würde es ihm gleichtun, die Vorherrschaft der Habsburger im Reich wiederherstellen. Dann versank er wieder in sein Schweigen.

Er war müde, doch schlaflos. Den frühen Abend hatte er alleine in seiner Schatzkammer verbracht, hatte in seinen Truhen und Kisten gewühlt. Die Edelsteine, seinen ganzen Stolz, durch die Finger gleiten lassen. Über die Finanzierung weiterer Kleinodien sinniert.

Es war bereits Nacht geworden, als er seine Berater zur Plauderstunde gerufen hatte. Ein Glück wohl, dass die Herren zu Gast waren, sonst hätten wie sonst so oft die Kammerdiener seinen Ausführungen lauschen müssen, bis er endlich müde geworden war. Am nächsten Tag würde er sich wohl wieder einmal bis Mittag nicht blicken lassen. Ein Wutanfall erwartete dann denjenigen, der es wagte, ihn wegen etwaiger Regierungsgeschäfte aus dem Schlaf zu reißen.

In diesen langen Nächten erfuhr der Kaiser von einer Welt, die ihm ein Leben lang fremd blieb. Vor den Menschen da draußen schützte ihn die unüberwindliche Mauer seines trägen Gemüts und seiner maßlosen Egozentrik. Seinem zwar politisch wertlosen, aber doch Ehrfurcht einflößenden Rang entsprechend, waren es einige der größten Köpfe seiner Zeit, die er so um sich versammelte. Neben Enea Silvio, dem späteren Papst Pius II., Ebendorfer, der für ihn schon die Antrittsrede als deutscher König verfasst hatte, waren da Astrologen, Alchemisten und Philosophen, viele unter ihnen Juden. So eröffnete sich ihm nicht nur die abendländische Geisteswelt, sondern auch der Orient. Friedrich hatte so viel in seinem langen Leben zu hören bekommen – von seiner Abstammung, von der Würde des römisch-deutschen Kaisertums, von mittelalterlichen Geheimlehren, von den Kriegen, die er führen müsse, der Ehre, die er zu verteidigen, den Künsten, die er zu fördern hätte: Er hatte es mit bleierner Geduld zur Kenntnis genommen und sich seinen eigenen bescheidenen Reim darauf gemacht. Eine eigenartige Wühlkiste aus halb verdautem Wissen, Aberglauben und mittelalterlicher Mystik – das war die Basis für Friedrichs Weltbild. Sein privates Notizbuch, eine seltsame Sammlung von Lebensweisheiten, Zitaten und biografischen Notizen, ist wie ein intimer Blick in diese Wühlkiste in seinem Kopf. Scheinbar ungeordnet reihte er Sprichwörter aneinander wie: »Alle Zeiten verwandeln die Zeit« oder »Im Glück findet man viele Freunde«. Tiefgreifender Pessimismus spricht daraus, genährt nicht von weisem Verständnis, sondern vielmehr von einem halsstarrigen Unverständnis für die Welt.

Er hatte kein wirkliches Interesse an den Menschen rund um ihn, kein wirkliches Interesse an der Zeit, in der er lebte. Als er 1493 im damals beinahe biblischen Alter von 77 Jahren starb, erlebte das alte Europa einen seiner radikalsten Umbrüche. Die Renaissance und mit ihr die Neuzeit waren angebrochen – und Friedrich steckte mitten drinnen, ließ sich von einem Strom treiben, der ihn am Ende nicht für möglich gehaltene Ziele erreichen ließ. Er war der Erste in einer über ein halbes Jahrtausend fast ununterbrochenen Reihenfolge von Habsburgerkaisern, begründete die österreichische Vorherrschaft in Mitteleuropa – und schien dabei stets nur das zu tun, was er entschieden am besten konnte: ausharren und warten. Für Friedrich war die Welt nichts als ein Spielfeld, auf dem er seine von Gott in Auftrag gegebene kaiserliche Mission zu erfüllen hatte. Diese zutiefst mittelalterliche Überzeugung, die den Habsburgern übrigens bis zu ihrem Ende als Herrscher anhaftete, ermöglichte es diesem so trägen und wenig raffinierten Menschen tatsächlich, Geschichte zu schreiben.

Im historischen Überblick macht seine Regentschaft den Eindruck einer unglaublichen Erfolgsbilanz. 1435 rang der knapp Zwanzigjährige seinem Tiroler Onkel Friedrich IV. die Herrschaft über Innerösterreich ab, also in etwa die heutigen Bundesländer Steiermark und Kärnten. Fünf Jahre später verhalfen ihm zwei Todesfälle in der Verwandtschaft zu einem rasanten Machtzuwachs.

Albrecht V., Herrscher über die österreichischen Kernlande, Ungarn und Böhmen und obendrein soeben zum römisch-deutschen König gewählt, war gegen die Türken ins Feld gezogen und dabei an der Ruhr erkrankt. Er schaffte es nicht mehr heim nach Wien und ließ eine hochschwangere Frau, ein verwaistes Herzogtum und drei Königskronen zurück. Fast zur selben Zeit war in Tirol Friedrich IV. gestorben und hinterließ, seinem Spitznamen »mit der leeren Tasche« zum Trotz, ebenfalls ein durchaus gut situiertes Herzogtum.

Sigismund, der Sohn des Tiroler Herrschers, war noch minderjährig, Ladislaus, der Nachkomme Albrechts, kam überhaupt erst nach dem Tod seines Vaters auf die Welt. Friedrich war somit der einzige erwachsene Habsburger und wurde zum Vormund für beide Sprösslinge bestellt. Er war, zumindest formell, Herrscher über all jene Gebiete, die später über Jahrhunderte von Habsburgern regiert werden sollten. Es schien, als hätte die Geschichte, die da plötzlich solche Kapriolen schlug, dem jungen Habsburger ein Trugbild politischer Macht so drastisch vor Augen geführt, dass er es sein Leben lang nie wieder vergessen sollte. Friedrich hatte sein Lebensziel festgelegt, nun sollte er es mit eiserner Geduld und Ausdauer bis zu seinem Tod verfolgen. Kurz nach Friedrichs Aufstieg beschlossen die deutschen Kurfürsten, ihn zum römisch-deutschen König zu wählen. Eine Entscheidung, die wohl nicht von der Autorität, sondern vielmehr von der menschlichen und politischen Schwäche des Habsburgers motiviert gewesen sein dürfte. Die römische Königswürde war längst zu einer gering geachteten Formalität verkommen. Je schwächer der König war, dem Deutschlands Fürsten diese Würde übergaben, desto weniger Einfluss hatte er auf ihre Politik. Friedrich hat sich um Deutschland tatsächlich ein Leben lang nicht gekümmert. Er wollte das Fundament des »Hauses Österreich« errichten.

Doch seine Gegenspieler waren mächtig. 1458 wurde Matthias Corvinus König von Ungarn. Er war wohl der erste Renaissancefürst Mitteleuropas und somit nicht nur ein großer Förderer der Künste, sondern vor allem ein äußerst machtbewusster und kriegslüsterner Herrscher. Er drang in den kommenden Jahrzehnten ständig in Österreich ein und eroberte 1485 sogar Wien. Ebenfalls 1458 wählten die Adeligen in Böhmen Georg Podiebrad zum Herrscher. Er half zwar Friedrich ein paarmal aus äußerst misslichen Lagen, war aber ansonsten auch ein unangenehmer Gegenspieler, dessen sich Friedrich ständig irgendwie versichern musste.

Die Türken, denen schon Albrecht entgegengezogen war, hielten den Balkan bis hinauf nach Ungarn zumindest zeitweise besetzt und drangen von dort aus in Friedrichs Stammländer, die Steiermark und Kärnten, vor. Mit kleinen kämpfenden Einheiten führten sie zwar keinen Eroberungskrieg, plünderten und zerstörten jedoch ständig die Dörfer.

Friedrichs schlimmster Feind allerdings wurde sein eigener Bruder Albrecht VI., der ständig neue Gebietsforderungen erhob. 1462 kam es also zu einem Bruderkrieg um Wien, in dessen Verlauf Friedrich, eingeschlossen in der Hofburg, ganz und gar unkaiserlichen Hirsebrei essen musste, um seinen Hunger irgendwie zu stillen.

Eigentlich hatte Friedrich gegen alle seine Gegner wenig aufzubieten. Er hatte nur einen wirklich mächtigen Mitstreiter, der ihm schließlich zum Sieg verhalf: den Tod. Ladislaus starb, kaum volljährig geworden, 1457. Bruderfeind Albrecht VI. bekam 1463 eine »große Peul« unter der Achsel, die ihn das Leben kostete. Georg Podiebrad verabschiedete sich 1471 aus der Weltpolitik und Matthias Corvinus war kaum siegreich in Wien eingezogen, als er es auch schon wieder in Richtung Ewigkeit verlassen musste. Übrig blieb Friedrich – und in seinen Händen die Macht. Als er selbst 1493 starb, war diese Macht noch immer nicht viel mehr als ein großes Konzept, doch ihr Fundament war felsenfest. Friedrichs Sohn Maximilian sollte darauf jenes Reich errichten, in dem bald darauf »die Sonne nicht mehr unterging«. Der einsame Eigenbrötler hatte seine Mission erfüllt.

Friedrichs Auftritt auf der politischen Bühne war wenig spektakulär, aber dafür umso wirkungsvoller. Ein gutes Wort über ihn verlor trotzdem keiner seiner Zeitgenossen. Um es etwas brüsker zu formulieren: Leiden konnte diesen Menschen tatsächlich niemand.

Die Wiener, die für Fremde nie eine besondere Vorliebe hatten, riefen dem Steirer schon bei seinem ersten Einzug in die Stadt nach, er möge gefälligst heim nach Graz gehen. Man beschimpfte ihn öffentlich als König der Juden und behandelte ihn derart abweisend, dass der missmutige Kaiser in sein privates Notizbuch schrieb, die Wiener seien viel schlimmer als die Böhmen oder Ungarn und würden aus schierer Bosheit ihre Herrscher so schlecht behandeln.

Seine eigene Frau, Eleonore von Portugal, hat wohl ihr ganzes kurzes Leben bereut, ihn geheiratet zu haben. Die glanzvolle Hochzeit war vermutlich der erste und letzte Lichtblick in der Beziehung dieser zwei so grundverschiedenen Menschen. Friedrich hatte sie mit seiner Kaiserkrönung in Rom verknüpft und leistete sich einen Einzug, dessen Pracht alle in ihren Bann schlug. Allein Gewand und Schmuck des Kaisers sollen eine Million Gulden wert gewesen sein.

Ein solcher Auftritt ließ Eleonore von einem kaiserlichen Leben in Friedrichs Residenz Wiener Neustadt träumen. Die Realität sah anders aus. Wiener Neustadt war zwar eine durchaus respektable Stadt und auch Friedrichs Burg hatte nach außen hin einiges Format, doch drinnen sah alles anders aus. Wo kaiserliches Gepränge und zur Schau gestellter Reichtum keine politische Notwendigkeit hatten, entfaltete sich eine von Friedrichs markantesten Eigenschaften: Geiz. Als Verächter von Alkohol und üppiger Kost, überzeugtem Nichttänzer und meist schlecht gelauntem Langschläfer machte ihm das höfische Leben keinerlei Freude. Wozu also einen Gulden zu viel dafür ausgeben? Eleonore musste also mit einem Mann leben, der, nachdem er den Vollzug der Ehe nur mühsam und mit einigen Tagen Verzögerung vollbracht hatte, an weiterem Intimleben nur äußerst wenig Interesse hatte. Kein Einzelschicksal, doch Friedrichs Kleinlichkeit machte es seiner Ehefrau unmöglich, ihr Dasein auf andere Weise etwas bunter und fröhlicher zu gestalten. Für höfische Spielereien war kein Geld da. Die quälende Gleichgültigkeit ihres Mannes brachte Eleonore immer häufiger zur Raserei. Einmal sogar war die Kaiserin von einem Untergebenen persönlich beleidigt und gedemütigt worden. Als sie Friedrich bat, ihn zu bestrafen, meinte er nur, man könne eben nicht jeder Hure Kind erziehen. Sie beschimpfte ihn, er wäre es nicht wert, sich auch nur mit einer Schürze zu bedecken, wenn er ihre Ehre nicht wiederherstellte. Jedoch auch solche Grobheiten lockten den Kaiser nicht aus der Reserve.

Allein gelassen im Alpenvorland mit nur einer Hofdame aus Portugal, verwandelte sich die südländische Schönheit bald in eine verbitterte, rasch gealterte Frau. Ein Kind nach dem anderen starb schon im Babyalter, bis schließlich nur zwei übrig blieben, Maximilian und Kunigunde. Eleonore sah ihre Kinder nicht mehr heranwachsen. Sie starb jung.

Friedrichs Gegenspieler Matthias Corvinus spottete, der Kaiser würde wohl eher sein Land ins Unglück stürzen als einen Gulden dafür auszugeben, würde lieber sein Gold als seine Mitmenschen schonen. Er hatte Recht. Der Kaiser legte sein Geld lieber in etwas an, was nur ihm ganz allein gehörte und an dem er sich vermutlich in aller Stille und Heimlichkeit bis ins hohe Alter erfreut hat: einen Schatz. Was für viele mittelalterliche Fürsten eine standesgemäße Wertanlage war, entwickelte sich beim ebenso geizigen wie gierigen Friedrich zu einer Manie. Er war besessen von Edelsteinen, von Gold- und Silberobjekten. Ganz nebenbei häufte er auch völlig ungeordnet Handschriften, Bilder oder naturwissenschaftliche Geräte an, doch was ihn wirklich von Jugend an in seinen Bann schlug, war der Glanz von Juwelen und Edelmetall.

Wenn es darum ging, seinem Schatz ein paar neue Kostbarkeiten hinzuzufügen, legte der Kaiser das Phlegma, das ihn sonst wie ein Panzer von der Außenwelt abschirmte, ab. Er verfiel in regelrechte Begeisterung. Dass er die Hausmacht der Habsburger so nachhaltig stärken konnte, ist wohl vor allem seiner Geduld und seinem langen Leben zu verdanken. Dass er ihren über Jahrzehnte in alle Lande zerstreuten Schatz wieder in den Schatzkammern der Wiener Neustädter und später der Grazer Burg zusammentragen konnte, war das Produkt zäher Verhandlungen, ungeheurer Hartnäckigkeit und, wie man heute in Wien sagen würde, Groschenzählerei.

Bereits Friedrichs erster Auftritt in der Geschichte ist ein Erbschaftsstreit. Kaum war er die bereits lästige Vormundschaft seines Onkels Friedrich IV. losgeworden, verlangte er von diesem auch den Schatz seines Vaters zurück. Friedrich, der ja mittlerweile keine leeren Taschen mehr hatte, stand nicht an, die Kostbarkeiten, die er in Verwahrung genommen hatte, dem jungen Herzog auszuhändigen. Schon bald traf in Wiener Neustadt eine erste Lieferung aus Tirol ein. In Innsbruck wünschte man sich für diese bereitwillig erbrachte Lieferung ein paar Gewehre und Pulver aus dem Nachlass von Friedrichs Vater. Der willigte ein und zeigte in einem recht skurrilen Akt von Großzügigkeit seine wahren Interessen. Die paar Bücher seines Vaters, so schrieb er nach Innsbruck, könne man ruhig behalten. Die würde er gerne dem Oheim schenken. Für damalige Zeiten, der Buchdruck war noch nicht erfunden, ein wirklich kostbares Geschenk. Schließlich handelte es sich allesamt um wertvolle Einzelstücke. Aber am Inhalt der Bücher war er ohnehin nicht interessiert. »Der Kaiser gibt den Lorbeer, aber er kann ihn nicht schätzen. Eher liebt er das Lied, wie der Barbar es singt«, spottete ein Zeitgenosse über Friedrichs Desinteresse an Literatur. Eine Geschichte Österreichs hatte er bei Thomas Ebendorfer in Auftrag gegeben. Als der Historiker das umfangreiche Werk schließlich ablieferte, bat Friedrich erschrocken um eine Kurzfassung. So viel Interesse brachte er für seine Ahnen doch nicht auf.

So wenig er sich um Literatur scherte, so genau kontrollierte Friedrich die Inventarlisten des väterlichen Schatzes, die er in seinen Händen hielt. Und wenn ein geiziger Pedant wie Friedrich einmal zu kontrollieren anfing …

Schon kurz darauf traf eine geharnischte Forderung in Tirol ein: Der Herzog möge sich gefälligst besinnen, sein Bruder Ernst müsse wohl weit mehr besessen haben.

Was darauf folgte, war ein zäher Streit um jeden Silberlöffel. Nach und nach trafen in Wiener Neustadt Perlen, Saphire und schließlich ein Ring ganz aus Saphir ein. Der Ring liegt heute noch in der Schatzkammer in Wien.

Der Grundstein für seinen Schatz war gelegt. Von jetzt an würde Friedrich jede Gelegenheit nützen, um ihm ein paar Kostbarkeiten hinzuzufügen. Wie von einem echten Österreicher zu erwarten, nützte er gleich seine erste Auslandsreise, um kräftig einzukaufen.

Eigentlich war er ja im Sommer 1436 ins Heilige Land aufgebrochen, um sich zum Ritter schlagen zu lassen. Aber es wäre nicht Friedrich gewesen, hätte er eine solche Fahrt nicht für einige Geschäfte benützt.

Eine Anekdote erzählt von einem Abstecher des Kaisers nach Ägypten, wo er sich in der Verkleidung eines Kaufmanns in den Bazaren herumtrieb, um von jüdischen Händlern Edelsteine zu kaufen.

Auf der Heimreise machte er in Venedig Station, um ebenfalls Geschäfte zu machen. Bei einem gewissen Amadeo kaufte er kostbare Stoffe. Über die Einkaufstour nach Venedig berichtet er übrigens selbst – in seinem bereits erwähnten berühmten Notizbuch, das er nach seiner Heimkehr aus Palästina zu schreiben begann. Inmitten dieser seltsamen Ansammlung von Sinnsprüchen, Erinnerungen, politischen Kommentaren und allerlei zusammengestoppelten Halbweisheiten finden wir alle Details dieser angeblich so erfolgreichen Verkaufsgespräche.

Politische oder religiöse Anliegen seiner Reise waren Friedrich nur ein paar Bemerkungen wert. Aber jeden Gulden, den er sich in Venedig wegen seiner ach so billigen Einkäufe erspart hatte, erwähnte er ausführlich und voll kaum verhohlenem Stolz.

Kaum hatte er also eine kleine Sammlung angelegt, wollte er sie selbstverständlich auch entsprechend kennzeichnen. Hier finden sich zutiefst kleinliche Pedanterie und eine tüchtige Portion mittelalterlichen Aberglaubens zu einer Geste Friedrichs zusammen, die mehr Geschichte machen sollte, als es der junge Herzog wohl jemals erwartet hätte.

Die Buchstabenfolge AEIOU, vielleicht das bekannteste, sicherlich aber das am meisten missverstandene und missbrauchte Motto der Habsburger, hat Friedrich ganz vorne in sein Notizbuch eingetragen, mit der anschließenden Erklärung, dass alles, Silbergeschirr, Kirchengewänder und Kleinodien – und überhaupt alles, was er bauen und anfertigen ließ, ja alles, was er überhaupt besaß – mit diesem Zeichen versehen werden sollte. In beinahe kindlichem Stolz erwähnte er außerdem, dass ihm diese wunderbaren fünf Buchstaben ganz alleine eingefallen seien.

Die Nachwelt stürzte sich auf dieses AEIOU. Ließ es sich doch hervorragend als die Grundlage allen österreichischen Herrschaftsanspruchs interpretieren. Spätere Habsburgerkaiser fabulierten großzügig: »Alles Erdreich ist Österreich untertan«, lateinisch »Austria erit in orbe ultima« (Österreich wird auf Erden einzigartig sein«) oder »Aller Ehre ist Österreich voll«. Aus fünf Buchstaben ließ sich tatsächlich einiges machen. Vor allem, weil Friedrich das Rätsel schlicht als Rätsel bestehen ließ und keinerlei Erklärung hinzufügte, was er wohl mit den fünf Vokalen gemeint hatte. Auf eine Tatsache hat man sich, all dieser österreichischen Einzigartigkeit zum Trotz, mittlerweile doch geeinigt: Imperiale Visionen plagten Friedrich zu dieser Zeit sicherlich noch nicht. Er hatte nicht den geringsten Grund, sich Hoffnungen auf die Kaiserkrone zu machen. Und da das eigentliche Kernland Österreich zu dieser Zeit nicht einmal von ihm, sondern von Albrecht V. regiert wurde, hatte es wohl auch wenig Sinn für den jungen Herzog, diesem Österreich allzu viel zukünftige Größe zuzuschreiben.

Egal, Österreich hatte ein unsterbliches Motto, über das man noch im 20. Jahrhundert herrlich Witze machen konnte: »Österreich ist auf Erden wirklich das Letzte« übersetzte man etwas böswillig aus dem Lateinischen.

Friedrich aber hatte etwas ganz anderes im Sinn. Schon im alten Orient war es magische Praxis, die geheimnisvolle Kraft der Steine zu beschwören, indem man ihnen gewisse Buchstabenfolgen einritzte. Die Spätantike berief sich auf König Salomon, der den Vokalen magische Kraft zugesprochen hatte. »Mystische Stimmen« nannte das Mittelalter die fünf Vokale, verbarg sich doch in diesen fünf der Name Gottes.

Woher Friedrich nun die Anregung für sein Zeichen bekam, bleibt wohl für immer unklar. Hatte er es aus Palästina mitgenommen oder von seinem Zwischenstopp auf Zypern, wo er in den dortigen Ritterorden aufgenommen wurde? Das Schweigegelübde dieses Schwertordens könnte ihn jedenfalls dazu veranlasst haben, seinem Rätsel keine Lösung anzufügen.

Doch Friedrich musste nicht weit reisen, um orientalischer Mystik zu begegnen. Seine Residenz Wiener Neustadt war ein Zentrum rabbinischer Gelehrsamkeit und die Beziehungen des Kaisers zu den Juden der Stadt dürften sich wohl nicht nur auf finanzielle Fragen beschränkt haben. Obwohl man dem Kaiser wohl regelmäßig aus schlimmer finanzieller Misere geholfen hat.

Buchstabensymbolik, verschlüsselte Gottesnamen: Friedrich hat von diesen Spielarten mittelalterlicher Mystik vermutlich auch nur die Hälfte verstanden. Auf jeden Fall müssen ihn diese Geheimnisse fasziniert haben, hinterlässt er doch in seinem Notizbuch einige Versuche mit Geheimschriften und Verschlüsselungen. Es scheint, als hätte der junge Fürst seinen Besitz unter den Bann einer Art von Zauberspruch stellen wollen, um ihn so allen Schicksalsschlägen zum Trotz an sich zu binden.

Es gelang Friedrich nicht, seinen ganzen Besitz zu markieren, doch er hinterließ sein AEIOU an vielen Stellen. Vor allem an vielen Gebäuden, die er errichten ließ, prangen noch heute die fünf Vokale. Ein Stadtspaziergang durch Wiener Neustadt kann sich so zu einer regelrechten AEIOU-Rätselrallye entwickeln. Nun wirken so prächtige Ausführungen des Zeichens wie an der Liebfrauenkirche tatsächlich eher kaiserlich als magisch. Doch als man bei der Stephanskirche einen Mammutknochen ausgrub, den man für den Schenkel eines Giganten hielt, befahl Friedrich sofort, sein AEIOU einritzen zu lassen. Sicherlich eine Geste, die mehr mit Magie als mit Politik zu tun hat.

Doch es hieße Friedrich verkennen, würde man seiner Buchstabenspielerei jeglichen politischen Charakter absprechen. Die persönliche Autorität eines Kaisers hatte ihm die Natur nicht gegönnt, also konnte dieser menschenscheue, grüblerische Einzelgänger seine Machtansprüche ausschließlich in Symbolen und Gesten darstellen. Schon der millionenschwere Mantel bei seiner Krönung zeigt, wie Friedrich seine gottgegebene Würde darzustellen versuchte. Auch das AEIOU diente diesem Zweck.

Er war ein Herrscher, der nicht herrschen konnte, also musste er andere Wege finden, um seine Macht zu erhalten und bei Gelegenheit auszuweiten. Er wählte einen typisch österreichischen Weg. Wer sich ihn zum Feind machte, wer seine Gesetze brach, der wurde nicht gleich bestraft, sondern vorerst in Sicherheit gewiegt. Friedrich konnte auf seine Chance warten. »Die Rache ist die Wirtschafterin der Zeit«, pflegte er zu sagen. Er konnte wunderbar Streit und Missgunst unter seinen Widersachern anzetteln, bis einer von ihnen plötzlich des Kaisers Hilfe oder Rat notwendig hatte. Was dann geschah, lassen wir am besten den Hofhistoriker Joseph Grünpeck im Original berichten: »Nachdem sie durch unsägliche Martern langen Wartens und durch ständiges Herumlaufen bei denen, welche die Angelegenheit zu besorgen hatten, aufs Äußerste geplagt worden waren, mussten sie eine Audienz um einen ungeheuren Preis erkaufen, in der sie nicht sicher sein konnten, einen günstigen Bescheid zu bekommen. Am Hof eines so bedeutenden Fürsten geht eben alles der Reihe nach.«

Zu Recht fühlt man sich hier an ein österreichisches Amt erinnert. Vierhundert Jahre vor Metternich hatte da einer die Bürokratie als Werkzeug seiner Rache erfunden.

Zurück zu Friedrichs Lieblingsbeschäftigung, dem Anhäufen von Kostbarkeiten. Kaum hatte er sich der Vormundschaften über den minderjährigen Ladislaus und den ebenfalls noch nicht regierungsfähigen Sigismund versichert, versuchte er auch schon, sich deren ererbtes Vermögen einzuverleiben. Zwar hatte er in Tirol gelobt, sich persönlich um das Erbe des jungen Sigismund zu kümmern, doch legte er diesen Schwur wohl in seinem Sinne aus. Er kümmerte sich so gründlich um die Schätze seines verstorbenen Onkels, dass die Tiroler sie nie wieder zu Gesicht bekamen. Auch in Perchtoldsdorf bei Wien gab er ein gleich lautendes Versprechen für den jungen Ladislaus – und dachte nicht im Traum daran, es zu halten. Da Ladislausʼ Vater früh gestorben war und keine Zeit mehr gehabt hatte, sich um den Familienunterhalt anständig zu kümmern, musste dessen Frau Elisabeth nach und nach das Familiensilber veräußern. Ein kostbares goldenes Diadem, 56 Saphire, 50 Rubine, kostbare Halsbänder – all das ging für ein lächerliches Pfand an einen Händler. Es lässt sich unschwer erraten, wer dieses Pfand auslöste und so ein paar Steine mehr in seinen Truhen einlagern konnte.

Sogar die ungarische Stephanskrone hatte Friedrich auf solche Weise in seine Finger bekommen. Ohne jemals Macht über Ungarn zu besitzen, besaß er also das Herrschaftssymbol des Landes. Matthias Corvinus musste einigen politischen Druck ausüben, um ihn zur Herausgabe der Krone zu zwingen.

Als der junge Ladislaus endlich seine Regentschaft antreten durfte, schickte er ein ziemlich grobes Schreiben an seinen Vormund, mit der Aufforderung, all das herauszugeben, was er sich auf so zwielichtige Weise angeeignet hatte. Wer das Schreiben liest, staunt, was Friedrich da alles aus dem Besitz der österreichischen Erzherzöge abgezweigt hatte. Sogar die gesamte Bettwäsche hatte er aus sämtlichen Schlössern mitgehen lassen.

Friedrich blieb unbeirrbar bei seiner Beschaffungspolitik. Knapp bei Kasse zu sein war damals Alltag jedes Fürsten. Kriege, Hofhaltung, Bestechungen – all das brachte einen mitteleuropäischen Fürsten regelmäßig an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Auch Ladislaus musste bald seine Kleinodien beim Pfandleiher, das waren in diesem Fall natürlich andere Fürsten, zu Geld machen. Er starb und Friedrich löste das Pfand ein. Denn an einem hielt der Kaiser, der öfter pleite war als alle anderen, als Einziger unbeirrbar fest: Aus der Schatzkiste wird nichts verkauft.

Viel schlimmer noch: Egal ob Geld vorhanden war oder nicht, Friedrich kaufte – aber er kaufte wenigstens mit gehöriger Fachkenntnis. Hofhistoriker Grünpeck bescheinigt ihm ungeheures Wissen über Gold und Edelsteine. Fälschungen, wie sie im ausgehenden Mittelalter überall im Umlauf waren, erkannte er sofort. Schon in seinen frühen Regierungsjähren beschäftigte er einen Steinschleifer und einen eigenen Einkäufer, der für ihn günstige Gelegenheiten in ganz Deutschland ausfindig machen sollte. Im Übrigen verkehrte er persönlich mit Juwelieren und Goldschmieden bis hinauf nach Nürnberg.

Dass seine Sammelleidenschaft ständig von einer nicht zu stillenden Gier angefeuert wurde, führte gerade in seinen ansonsten gut inszenierten öffentlichen Auftritten zu oft peinlichen Situationen. Sein Italienzug, der in der Kaiserkrönung in Rom und der gleichzeitigen Heirat mit Eleonore von Portugal gipfeln sollte, war als Demonstration von politischer Macht und wirtschaftlichem Reichtum geplant. Der bereits erwähnte Mantel, in dem Friedrich in Rom an der Spitze eines gigantischen Festzugs im Vatikan einzog, ist nur ein Beispiel für Glanz und Gloria, die der Herzog für diese Reise aufbot. Immerhin handelte es sich um zwei eminent wichtige politische Akte. Doch schon das Vorspiel zur Hochzeit, die Brautwerbung in Lissabon, war auf unschöne Weise danebengegangen. Der Kaiser hatte seine Gesandten so ärmlich ausgestattet, dass man sie am portugiesischen Hof eher für Landstreicher als für fürstliche Boten hielt und sogleich einsperrte. Friedrich hatte sich bei seiner neuen Verwandtschaft, zu der immerhin Berühmtheiten wie Heinrich der Seefahrer zählten, nicht gerade vorteilhaft eingeführt.

Die Romfahrt selbst erweckte bei den italienischen Würdenträgern keineswegs den geplanten Eindruck. Weder Weisheit noch freigiebigen Sinn würde man bei ihm finden, urteilte der Erzbischof von Florenz, sondern lediglich eine unstillbare Gier nach Geschenken.

Sein edelsteingespickter Prunkmantel sorgte anschließend in Rom für einen Tumult. Einem alten Brauch folgend, wollten die Zuschauer ihm diesen Mantel entreißen. Friedrich, der wohl eher sein Leben als seine Edelsteine hergegeben hätte, wehrte sich nach Leibeskräften. Es kam sogar zu Todesfällen.

Als er zwanzig Jahre später seinen Sohn zu dessen Eheverhandlungen nach Burgund führte, übermannte den Kaiser ebenfalls die Gier. So sehr, dass er sich von seinem Verhandlungspartner Karl dem Kühnen regelrecht zum Gespött machen ließ. Der Burgunder, der im Gegensatz zu Friedrich auf ausgesprochen glanzvolle Hofhaltung Wert legte, tat während des gesamten Treffens in Trier nichts anderes, als dem Kaiser seinen Reichtum vorzuführen. Friedrich, der sich, wieder einmal in Geldnöten, sogar die Reisekosten bei den Fuggern geliehen hatte, kam aus dem Staunen nicht heraus. Kostbare Tapisserien, goldenes Geschirr, edelsteinbesetzter Schmuck: Karl wusste eben, was seinen armseligen österreichischen Verwandten beeindrucken würde. Es tat seine Wirkung. Friedrich, der anfangs noch über das »welsche Geprotze« geschimpft hatte, verlor bald die Fassung und begann sein Gegenüber regelrecht um Kleinodien und kostbare Reliquien anzubetteln. Nach diesem peinlichen Formfehler meinte Karl, Friedrich endgültig überrumpeln zu können, und begann seine maßlosen politischen Forderungen aufzutischen. Da hatte er sich in der kaiserlichen Krämerseele allerdings verschätzt. Über den Tisch ließ sich Friedrich nicht ziehen. Ohne auf Karls politische Wunschträume einzugehen, verließ er grußlos die Stadt. So ersparte er sich obendrein, die Rechnung für seinen Besuch zu bezahlen. Die musste, um einen Eklat zu vermeiden, der Erzbischof von Mainz übernehmen.

Der gerade vierzehnjährige Maximilian hatte einen weiteren Grund, seinen Vater aus tiefster Seele zu verachten und ihm zu misstrauen. Hatte ihm schon seine früh verstorbene Mutter Eleonore erzählt, was von diesem Steirer zu halten war, so machte ihr gänzlich verschiedenes Wesen Vater und Sohn schließlich zu regelrechten Feinden.

Maximilian ließ seinen Vater sogar ausspionieren, um mehr über seinen sagenhaften Reichtum zu erfahren. Er hatte Angst, dass sich da irgendwelche Hofschranzen bereichern wollten, noch ehe er sein Erbe angetreten hatte. Ein Passauer Priester wurde dem alten Mann als Beichtvater geschickt, um etwas über den Inhalt der 60 Kisten zu erfahren, die in den Burgen lagerten. Doch wenn es ums Geld ging, war Friedrichs Instinkt untrüglich. Auf die auffallend neugierige Fragerei des Paters über sein Vermögen antwortete er ärgerlich, Fragen, die den Beichtenden ärgern könnten, wären erstens verboten und zweitens solle sich sein Sohn gefälligst persönlich bei ihm über sein Erbe erkundigen.

Der Prunk der römischen Hochzeit blieb ein Einzelfall, Friedrich sollte seinen Schatz nie wieder für Repräsentation oder andere politische Zwecke einsetzen. Er zeigte ihn von da an überhaupt nicht mehr gerne her. Auch Freunden oder Verbündeten wurde der Blick in seine Schatzkammern in Wiener Neustadt und Graz verwehrt.

Am liebsten zog er sich alleine zu seinen gut gefüllten Kisten und Truhen zurück. Je älter er wurde, desto häufiger zog er die Einsamkeit jeglichem Kontakt zu den Menschen vor. Während sein Sohn Maximilian seine ersten Schritte auf der politischen Bühne machte, ging er daran, diese zu verlassen. »Heillos« würde er handeln, meinte der alte Kaiser und wich ihm aus, so gut er konnte. Er zog sich nach Linz zurück. Geheimwissenschaften wie Astrologie oder Alchemie hatten ihn sein Leben lang fasziniert, jetzt gehörte seine ganze Zeit dem Goldmachen und den Sternen. In der zur Festung ausgebauten Linzer Burg verkroch er sich am liebsten auf die Aussichtswarten. Keinen Menschen wollte er in diesen »contemplatoria« sehen. Hier interessierten ihn nur die Sterne. Rund um ihn wurde das Bild des Weltalls gänzlich erneuert. An der Wiener astronomischen Schule fasste man Erkenntnisse, die zur Grundlage für die wissenschaftlichen Revolutionen Galileis oder Keplers werden sollten. Friedrich wusste davon, war aber zu antriebslos, um sich damit wirklich zu beschäftigen.

So blieb sein Wissen über Astronomie zutiefst mittelalterlich. Nächtelang schaute er hinauf in die Sterne und sammelte seltsam pseudowissenschaftliches Schriftenmaterial, aus dem er seine Erkenntnisse schmiedete. Er berechnete Horoskope und weil es seinem magischen Weltbild entsprach, ließ er sich von ihnen auch in seinem politischen Handeln leiten. Das Schicksal seines Sohnes Maximilian hat er angeblich in den Sternen vorausgesehen. Eine zeitgenössische Abbildung zeigt ihn übrigens mit zwei seiner Hofastrologen unter dem Torbogen der Linzer Burg. Die Astrologen halten einen Himmelsglobus in den Händen und besprechen mit ihrem Kaiser die aktuelle Sternenlage.

Vermutlich kannte er die neuen astronomischen Instrumente, wie sie etwa in Nürnberg gebaut wurden. Es waren die Wegweiser, die Spanier und Portugiesen in den kommenden Jahrzehnten quer über den Erdball führen sollten. Verwendet hat er sie sicher nicht