Cover

Die großen Western
– 193 –

Auf rauchigem Trail

Frank Callahan

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-721-0

Weitere Titel im Angebot:

Viele Männer sind hinter dem legendären Schatz der Apachen her, der im Tal des Todes verborgen sein soll. Die Gier nach dem Gold macht sie alle zu Bestien. Hier wird keine Gnade mehr gewährt. Immer tiefer ziehen sie in die Mustang Mountains hinein – Verfolgte und Verfolger. Und sie alle reiten hinein in das geheimnisvolle Tal, das den Apachen seit uralten Zeiten als heilig gegolten hat.

Indianer – mexikanische Banditen – Arizona-Outlaws – und drei aufrechte, furchtlose Männer stoßen im Apachental aufeinander. Und sie liefern sich einen furchtbaren Kampf…

Der Stimmenlärm im Saloon erlosch schlagartig. Alle Augen richteten sich auf einen großgewachsenen und schlanken Mann, der hinter den ausschwingenden Pendeltüren stehenblieb.

Er war ganz in schwarzes Leder gekleidet. Tief hing der Revolverholster am Oberschenkel. Das ovale, von Wind und Sonne gebräunte Gesicht des Fremden blieb ausdruckslos. Hellblaue Augen erinnerten an Gletschereis.

Der kurzgestutzte Oberlippenbart gab dem ungefähr dreißig Jahre alten Mann einen Hauch von Verwegenheit.

Spencer Bowman tippte lässig gegen die breite Krempe seines Stetsons und stiefelte sporenklirrend auf den Tresen zu. Er ignorierte die mißtrauischen Blicke der zahlreichen Saloongäste, die an Tischen saßen oder sich an der Theke drängten.

Es roch nach Schweiß, abgestandenem Bier und kaltem Zigarettenrauch. Eine bläuliche Wolke hing über den Köpfen der vielen Männer am Tresen.

Eine Gasse öffnete sich. Bowman nickte freundlich und sagte mit klarer und melodischer Stimme: »Danke, Gents, das ist nett von euch.«

Er wandte sich dem dicken Wirt zu, dessen Glatze wie eine Billardkugel glänzte.

»Whisky und ein Bier.«

Nur zögernd klangen die Stimmen der Gäste wieder auf. Spencer Bowman wirkte auf die vielen Männer von Casa Blanca in Arizona wie ein Tiger unter einem Rudel Wölfe.

»Danke«, sagte der Schwarzgekleidete und ergriff das Glas mit goldgelb funkelndem Whisky, das ihm der dicke Salooner über den Tresen zugeschoben hatte. Er kippte den Drink in seine Kehle, stellte das leere Glas klirrend auf die blankpolierte Theke zurück und wischte sich über den Oberlippenbart.

Spencer Bowman blickte in den Barspiegel. Er lächelte sanft, als er noch immer viele Augenpaare auf sich gerichtet sah, die ihn musterten, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen.

Viele Gäste waren Mexikaner, dunkelhäutig und schwarzhaarig, mit riesigen Sombreros und gekreuzten Patronengürteln über Brust und Schulter.

Spencer Bowman erkannte aber auch hartbeinige Americanos, denen man deutlich ansah, daß sie auf der anderen Seite des Zaunes standen. Sie hatten sich hier in die kleine Stadt zurückgezogen, nachdem sie den Schatten auf ihren Gärten entkommen waren.

Der großgewachsene Mann lächelte flüchtig, griff nach dem Krug mit schäumendem Gerstensaft und trank durstig. Rechts und links von Bowman rückten die Männer noch mehr zur Seite. Einige verließen den Saloon, als witterten sie Verdruß.

Der wohlgenährte Salooner fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißperlende Glatze. Die Knopfaugen in seinem feisten Gesicht funkelten unruhig.

»Noch ’nen Drink?« fragte er mit dunkler Stimme, die einfach nicht zu ihm paßte.

»Gewiß, Ihr Whisky und Ihr Bier schmecken ausgezeichnet.«

Der Dicke lächelte erfreut. Während er die Gläser füllte, sah er Bowman an und fragte: »Hinter Ihnen liegt ein langer Ritt, nicht wahr? Was führt Sie nach Casa Blanca, Mister?«

Erneut wurde es still im Saloon. Sogar das Summen einer dicken Fliege war zu hören, die immer wieder auf der Glatze des Wirtes zu landen versuchte.

»Ich bin auf der Durchreise und will weiter nach Norden«, antwortete Spencer Bowman ruhig. »Das wäre schon alles. Ist nun Ihre Neugierde und die Ihrer Gäste gestillt?«

Das Gesicht des dicken Salooners rötete sich leicht. Er fuhr sich mit der Zunge über die wulstigen Lippen und schob beide Gläser zu seinem Gast hinüber.

»Nichts für ungut, Mister«, murmelte er dabei. »Es ist verdammt selten, daß sich ein Fremder in dieses abgelegene Nest verirrt. Schon gut. Bitte entschuldigen Sie meine Neugierde. Es war nicht böse gemeint. Sie kamen mir nur irgendwie bekannt vor.«

»Er lügt!« schmetterte eine harte Stimme durch den Saloon. Die Männer rechts und links neben Spencer Bowman stiefelten davon. Ein Glas fiel zu Boden und zerbrach klirrend.

»Dreh! dich um, Amigo, damit ich dir in die Augen sehen kann. Du bist ein verdammter Lügner!«

*

Spencer Bowman leerte sein Whiskyglas gemächlich, ehe er sich umdrehte und auf einen bulligen Mexikaner blickte, der sich hinter einem runden Spieltisch erhoben hatte.

Zwei Begleiter, ebenfalls dunkelhäutige Typen mit buschigen Schnurrbärten, folgten seinem Beispiel. Ihre Hände lagen auf den Griffen der Revolver.

»Mach nur so weiter, Compadre«, antwortete Spencer ruhig. »Noch hast du Zeit, dich bei mir zu entschuldigen. Niemand auf dieser lausigen Welt darf mich einen Lügner schimpfen.«

Der Mexikaner lächelte verzerrt. Haß funkelte in den dunklen Augen. »Hör gut zu, Gringo«, dröhnte seine Stimme. »Ich will wissen, wer du bist. Und zwar sofort, sonst…«

»… sonst?« unterbrach Spencer ­Bowman den schwergewichtigen Mexikaner.

Der Schnurrbärtige lachte schnaubend. Auch seine beiden Begleiter grinsten gemein. Einige Männer, die in der Nähe saßen, ergriffen die Flucht. Sie drängten zu den anderen Gästen, die rechts und links an den Seitenwänden der Schenke standen und das Geschehen mit flackernden Augen verfolgten.

»Du bist Bowman, nicht wahr?« fauchte der Mexikaner. »Auf dich warte ich schon seit Tagen. Du solltest dich schnellstens auf dein Pferd schwingen und wieder verschwinden!«

»Sehe ich so aus, Mex?« erwiderte der Schwarzgekleidete ruhig. Seine Hand senkte sich auf den elfenbeinfarbigen Griff des Peacemakers.

Der dicke Wirt raffte einige Flaschen zusammen, ehe er jammernd hinter dem Tresen in Deckung ging.

»Du willst es wohl nicht anders, ­Bowman?«

»Du redest zuviel, Amigo!«

Das Gesicht des Mexikaners wurde von einer Sekunde zur anderen hart und kantig. Die Lippen preßten sich zusammen, erinnerten an eine schlecht verheilte Narbe.

Dann blitzte es in den dunklen Augen auf. Der bullige Bursche griff zum Revolver. Seine beiden Begleiter taten das gleiche. Die drei Kerle fauchten wie angreifende Pumas, um sich gegenseitig anzufeuern, während sie ihre Colts aus den Holstern rissen.

Die Hombres waren schnell, sehr schnell sogar. Doch sie hatten gegen den großgewachsenen Fremden keine Chance.

Noch ehe sie ihre Revolvermündungen auf Spencer Bowman richten konnten, hielt dieser sein Eisen bereits in der Hand. Die Schüsse fielen so dicht hintereinander, daß sie wie ein einziger klangen.

Die Kugeln trafen die drei Männer in die Revolverarme. Ihre Colts polterten zu Boden. Die Mexikaner standen wie erstarrt, konnten nicht fassen, daß sie von einem einzigen Mann geschlagen worden waren.

Blutleer wirkten die bleichen Gesichter. Sie blickten auf die leeren Hände. Aus den Jackenärmeln tropfte Blut hervor, das sich zu kleinen grauen Klumpen am Boden ballte.

»Reicht das, Amigos, oder soll ich erst richtig loslegen?« drang es von Spencer Bowmans Lippen. Und es wirkte weder arrogant noch überheblich, als er diese Worte sagte.

Einer der Gäste seufzte und flüsterte: »Heiliger Rauch, so schnell habe ich noch nie jemanden ziehen sehen. Das grenzt bald an Zauberei.«

Bowman holsterte den Revolver, nachdem er die drei verschossenen Patronen ersetzt hatte.

Er wandte sich den anderen Gästen zu.

»Ist noch jemand hier, der etwas gegen meine Anwesenheit einzuwenden hat?«

Niemand antwortete. Die meisten Gäste senkten die Köpfe. Sie konnten dem harten Blick des Fremden nicht standhalten.

Die drei verwundeten Mexikaner stöhnten. Ihre Jackenärmel färbten sich immer dunkler. Einer der Burschen taumelte und stützte sich schwer mit der unverletzten Hand auf den vor ihm stehenden Tisch.

Der bullige Anführer preßte seine behaarten Finger auf die Einschußwunde. Grau schimmerte sein Gesicht, nur in den dunklen Augen glühte flammender Haß.

»Dein Fehler, daß du uns nicht getötet hast, Bowman«, flüsterte er kehlig. »Wir sind mit dir noch nicht fertig. Das schwöre ich dir!«

»Beim nächsten Mal schieße ich dir mitten ins Leben, Amigo. Und nun verschwinde, und nimm deine Leute mit!«

Die Mexikaner wankten davon und verließen den Saloon. Und es dauerte nicht lange, bis Hufschläge erklangen, die rasch leiser wurden.

*

Der Lärm im Saloon war kaum noch zu überbieten. Die meisten Männer palaverten über den Revolverkampf. Es schien, als nehme kaum einer noch Notiz von dem Schwarzgekleideten, der ruhig am Tresen stand und sein Bierglas leerte.

Und doch fühlte Spencer die forschenden Blicke, die ihn immer wieder trafen.

Bowman zahlte seine Zeche und verließ die Schenke durch den Hinterausgang. Schnell gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Fern funkelten die Sterne. Der Mond war noch nicht hinter den Mustang Mountains aufgegangen.

Spencer sah sich um. Seine Hand zuckte zum Revolver, als er eine Bewegung hinter einem Brennholzstapel erkannte. Es war aber nur eine getigerte Katze, die miauend davonsprang.

Er umrundete das Haus und wollte auf sein Pferd zugehen, als von seitwärts eine helle Stimme erklang.

Spencer Bowman wirbelte herum und schnellte dann zur Seite. Der Colt funkelte in seiner Hand.

»Nicht schießen, Mister«, rief jemand erschreckt.

Spencer senkte den Revolverlauf und blickte auf eine junge Frau, deren Oberkörper hinter einem Regenfaß zu sehen war. Langes blondes Haar reichte ihr bis zu den Schultern. Angst lag auf dem schönen Gesicht und ließ die Wangenknochen hervortreten.

Bowman sah sich um, witternd wie ein Wolf, der sich in die Enge getrieben fühlte.

Die junge Frau winkte ihm zu. Ihre Gesichtszüge lockerten sich. Sie atmete auf, als Spencer zu ihr huschte und dicht vor ihr stehenblieb.

»Old Iron schickt mich«, flüsterte sie.

»Old Iron?«

»Du kennst ihn doch, Spencer. Er schrieb dir vor einigen Wochen, wollte sich hier mit dir treffen. Iron mußte aber flüchten und sich verstecken. Er hat eine Nachricht für dich hinterlassen.«

»Du bist Angela, nicht wahr?« murmelte Spencer Bowman. »Beinahe hätte ich dich nicht wiedererkannt. Aus dir ist ja eine richtige Lady geworden.«

Angela Donovan lächelte sanft. Die Furcht in ihren Augen verlor sich.

»Du bist sehr lange fortgewesen, Spencer. Sieben Jahre, wenn ich mich recht erinnere.«

Das junge Mädchen, das auf der Schwelle zur Frau stand, griff in eine Tasche ihres weiten, knöchellangen Rocks und holte einen Briefumschlag hervor.

»Nimm«, stieß Angela hastig hervor. »Und sieh dich vor, Spencer. Ramon Gonzales’ Bandoleros lauern noch immer in der Stadt. Sie wollen dich umbringen.«

Das blonde Mädchen wollte davonhuschen, doch Spencer hielt sie am Arm zurück.

»Ramon Gonzales? Ist das vielleicht der dicke Bursche, der im Saloon das große Wort führte?«

Angela Donovan verneinte kopfschüttelnd. Die langen Haare flogen ihr nur so um die Ohren.

»Das sind drei seiner Muchachos gewesen, Spencer. Sie unterschätzten dich. Es gibt aber noch fünf andere Banditos, die dir nach dem Leben trachten.«

Spencer blickte auf den Brief in seiner Hand und dann nachdenklich zu seinem Pferd hinüber, das vor der Schenke am Hitchrack angebunden war.

Die Kerosinlampe, die von einem Balken hing, verbreitete ein Licht, das tödlich für ihn sein konnte, wenn er da jetzt hindurchging, um seinen Rappen zu holen.

Angela zerrte in seinem harten Griff wie eine Katze, die sich entwinden wollte.

»Sorry«, murmelte Spencer und gab den Arm der jungen Frau frei. Sie seufzte.

»Schleiche dich zum Mietstall, Spencer«, wisperte sie. »Sam gibt dir ein Pferd. Er kennt dich von früher und steht auf deiner und Old Irons Seite.«

Nach diesen Worten eilte das Mädchen davon und verschwand in der Dunkelheit. Ihre hastenden Schritte verklangen.

Spencer zögerte, ehe er sich lautlos wie ein Puma in Bewegung setzte. Schnell näherte er sich dem Mietstall von der Rückseite. Pferde wieherten leise und scharrten mit den Hufen.

Ein hartes Lächeln teilte die Lippen des großgewachsenen Mannes. Er ahnte, daß ein oder zwei mexikanische Banditen im Innern des Livery Stables auf ihn warteten.

Spencer Bowman zögerte einen Augenblick, ehe er weiterschlich. Schon bald fand er einige lose Bretter, die er geräuschlos zur Seite schob.

Sam ist noch so nachlässig wie früher, dachte Spencer. Auf Reparaturen an seinem alten Schuppen hat er noch nie großen Wert gelegt.

Spencer kroch ins Innere des Mietstalles hinein und erwischte zum Glück eine Box, die nicht von einem Pferd belegt war. Er lauschte. Der rasselnde Atem eines Mannes drang von der anderen Boxenseite an seine Ohren.

Na also, dachte Spencer. Er schlich weiter und spähte um die Bretterwand. Ein Mann kniete am Boden, wandte ihm den Rücken zu und blickte zur offenstehenden Tür des Mietstalles.

Ein einziger Schlag mit dem Revolverlauf genügte, um den Banditen auszuschalten. Spencer zog den Bewußtlosen tiefer in die Box hinein und lauschte erneut.

Er vernahm keine verdächtigen Geräusche. Sam schien sich nicht im Livery Stable aufzuhalten. Die Banditen mußten ihn davongejagt haben. Sam war ja nur ein kleiner unscheinbarer Bursche, der zudem hinkte, nachdem er beim Zureiten eines Mustangs aus dem Sattel geschleudert worden war.

Bowman schlich weiter und entdeckte einen Fuchswallach, der einen ausdauernden und zuverlässigen Eindruck machte. Ehe Spencer das Tier satteln wollte, mußte er sich davon überzeugen, daß auch wirklich keiner seiner Gegner hier im Stall lauerte.

Schon glaubte er, allein zu sein, als ihn der harte Druck eines Revolverlaufs erstarren ließ. Heißer Atem traf seinen Nacken.

»Bleib so stehen, Bowman«, zischte eine Stimme, »sonst schieße ich dich in zwei Stücke!«

Spencer erstarrte. Es schien, als ergebe er sich in sein unvermeidbares Schicksal.

*

Bowman war aber nun einmal ein Mann, der erst aufgab, wenn er seinen letzten Atemzug getan hatte.