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Die moderne Wissenschaft hat tiefgreifend unser Verständnis der Natur geprägt. In den letzten drei Jahrhunderten bildete diese Idee der Natur den Hintergrund all unseres Tuns. Aufgrund der ökologischen Folgen des menschlichen Handelns tritt die Natur jedoch heute aus dem Hintergrund auf die Bühne, wie Bruno Latour in seinem faszinierenden Buch zeigt. Die Luft, die Meere, die Gletscher, das Klima, die Böden, alles interagiert mit uns. Wir haben die Epoche der Geohistorie betreten, das Zeitalter des Anthropozäns – mit dem Risiko eines Krieges aller gegen alle.

 Die alte Natur verschwindet und weicht einem Wesen, das schwierig zu bestimmen ist. Es ist alles andere als stabil und besteht aus einer Reihe von Feedbackschleifen in ständiger Bewegung. Gaia ist sein Name. Latour argumentiert, daß die komplexe und mehrdeutige Gaia-Hypothese, wie sie von James Lovelock entwickelt wurde, ein idealer Weg ist, um die ethischen, politischen, theologischen und wissenschaftlichen Aspekte des nunmehr veralteten Begriffs der Natur zu entwirren. Er legt den Grundstein für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Theologen, Aktivisten und Künstlern, während wir beginnen, mit dem neuen Klimaregime zu leben.

 

Bruno Latour, geboren 1947, ist Professor am Sciences Politiques Paris und dem Centre de Sociologie des Organisations (CSO). Für sein umfangreiches Werk hat er zahlreiche Preise und Ehrungen erhalten, darunter den Siegfried-Unseld-Preis und den Holberg-Preis.

 

Zuletzt erschienen

Cogitamus (eu 38)

Jubilieren. Über religiöse Rede (stw 2186)

Existenzweisen. Eine Anthropologie der Modernen, 2014

Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft (stw 1967)

Das Parlament der Dinge (stw 1954)

Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie (stw 1861)

 

 

BRUNO LATOUR

Kampf um Gaia

Acht Vorträge über das
Neue Klimaregime

Aus dem Französischen von
Achim Russer und Bernd Schwibs

Suhrkamp

 

 

Titel der Originalausgabe: Bruno Latour, Face à Gaïa. Huit conférences sur le nouveau régime climatique © Éditions La Découverte, Paris, 2015

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2017

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe 2017

© Suhrkamp Verlag Berlin 2017

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Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

Umschlagabbildung: Caspar David Friedrich, Das große Gehege bei Dresden, um 1832 (Öl auf Leinwand), Galerie Neue Meister, Dresden, © Staatliche Kunstsammlungen Dresden/Bridgeman Images

eISBN 978-3-518-75108-4

www.suhrkamp.de

INHALT

EINLEITUNG

ERSTER VORTRAG

Über die Instabilität (des Begriffs) der Natur

Die Beziehung zur Welt mutiert • Vier Arten, sich von der Ökologie verrückt machen zu lassen • Die Instabilität des Verhältnisses Natur/Kultur • Die Berufung auf die menschliche Natur • Der Rekurs auf die »natürliche Welt« • Die Pseudo-Kontroverse über das Klima leistet uns einen großen Dienst • »Sagt Euren Herren, daß die Wissenschaftler auf dem Kriegspfad sind!« • Wo versucht wird, von der »Natur« zur Welt überzuwechseln • Wie der Herausforderung zu begegnen ist

ZWEITER VORTRAG

Wie wir der Natur (kein) Leben einhauchen können

»Störende Wahrheiten« • Beschreiben, um zu alarmieren • Wo man sich auf die Wirkungsmächte konzentriert • Von der Schwierigkeit, Menschen von Nichtmenschen zu unterscheiden • »Und doch bewegt sie sich« • Eine Neufassung des Naturrechts • Über eine ärgerliche Tendenz, Ursache und Schöpfung zu verwechseln • Auf dem Weg zu einer Natur, die keine Religion mehr ist?

DRITTER VORTRAG

Gaia, eine (endlich profane) Gestalt der Natur

Galilei, Lovelock: Zwei symmetrische Entdeckungen • Gaia, ein mythischer Name, hochgefährlich für eine wissenschaftliche Theorie • Eine Parallele zu Pasteurs Mikroben • Auch bei Lovelock wimmelt es von Mikroakteuren • Wie läßt sich die Vorstellung von einem System vermeiden? • Die Organismen passen sich ihrer Umgebung nicht an, sie stellen sie her • Eine gewisse Komplikation des Darwinismus • Der Raum, ein Kind der Geschichte

VIERTER VORTRAG

Das Anthropozän und die Zerstörung (des Bilds) des Globus

Das Anthropozän: eine Innovation • Mente et Malleo • Ein anfechtbarer Ausdruck für eine ungewisse Epoche • Eine ideale Gelegenheit, die Figuren Mensch und Natur zu sprengen • Sloterdijk oder der theologische Ursprung des Bilds der Sphäre • Die Vermischung von Wissenschaft und Globus • Tyrrell gegen Lovelock • Die Rückwirkungsschleifen zeichnen keinen Globus • Endlich, ein neues Kompositionsprinzip • Melancholia oder das Ende des Globus

FÜNFTER VORTRAG

Wie können die verschiedenen Völker (der Natur) einberufen werden?

Zwei Leviathane, zwei Kosmologien • Wie können wir den Krieg der Götter vermeiden? • Ein gefahrvolles diplomatisches Projekt • Die Unmöglichkeit der Einberufung eines »Volks der Natur« • Wie können wir der Verhandlung eine Chance geben? • Über den Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion • Unsicherheit über den Sinn des Worts »Ende« • Ein Vergleich der kämpfenden Kollektive • Verzicht auf jede natürliche Religion

SECHSTER VORTRAG

Wie soll man dem Zeitenende (k)ein Ende bereiten?

Das Schicksalsjahr 1610 • Stephen Toulmin und die wissenschaftliche Gegenrevolution • Auf der Suche nach dem religiösen Ursprung der »Enthemmung« • Das sonderbare Projekt, das Paradies auf Erden zu schaffen • Erik Voegelin und die Wandlungen des Gnostizismus • Über einen apokalyptischen Ursprung der Klimaskepsis • Vom Religiösen über das Säkulare zum Irdischen • Ein »Volk der Gaia«? • Was auf die Anschuldigung, »apokalyptische Reden« zu halten, zu antworten ist

SIEBTER VORTRAG

Die Staaten (der Natur) zwischen Krieg und Frieden

»Das Große Gehege« von Caspar David Friedrich • Das Ende des Staates der Natur • Von der richtigen Dosierung Carl Schmitts • »Wir suchen den normativen Sinn der Erde« • Vom Unterschied zwischen Krieg und polizeilicher Maßnahme • Wie sollen wir uns Gaia zuwenden? • Menschen gegen Erdverbundene • Lernen, die im Kampf befindlichen Territorien zu orten

ACHTER VORTRAG

Wie sollen die kämpfenden (natürlichen) Territorien regiert werden?

Im Verhandlungstheater, Les Amandiers, Mai 2015 • Lernen, sich ohne obersten Schlichter zu versammeln • Ausweitung der Konferenz auf nichtmenschliche Lebewesen • Multiplizierung der Beteiligten • Die kritischen Zonen abgrenzen • Den Sinn des Staats wiederfinden • Laudato si'! • Endlich Gaia gegenüber • »Land in Sicht!«

BIBLIOGRAPHIE

 

 

Für Ulysse und Maya
Für die gesamte Truppe, Szene und Kulisse,
des Gaia Global Circus

 

 

»Die Erde wird in mythischer Sprache die Mutter des Rechts genannt. […] Das meint der Dichter, wenn er von der allgerechten Erde spricht und sagt: justissima tellus.«

Carl Schmitt, Der Nomos der Erde, S. 13

 

»Nicht mehr die Politik ohne Beiwort, sondern die Klimapolitik ist das Schicksal.«

Peter Sloterdijk, Sphären II: Globen, S. 353

 

»Ich würde eher erwarten, daß eine Ziege als verantwortungsvolle Gärtnerin mehr Erfolg hat als wir Menschen.«

James Lovelock, Gaia. Die Erde ist ein Lebewesen, S. 184

 

»Natur ist nur ein anderer Name für Selbstüberschreitung.«

William James, Das pluralistische Universum, S. 18413

EINLEITUNG

 

Alles begann mit Bildern aus einem Tanz, die ich vor etwa zehn Jahren gesehen habe und nicht mehr losgeworden bin: Während eine Tänzerin vor etwas zurückweicht, vor dem ihr zu grauen scheint, wirft sie immer besorgtere Blicke hinter sich, als häufe ihre Flucht hinter ihrem Rücken Hindernisse an, die sie immer mehr in ihren Bewegungen hemmen, bis sie am Ende gezwungen ist, sich ganz umzudrehen – und bestürzt, fassungslos, wehrlos sieht sie etwas noch Grausigeres auf sich zukommen, was sie zwingt, erneut zurückzuweichen. Auf der Flucht vor Grauenhaftem stößt sie auf Schlimmeres, das ihre Flucht teilweise erst geschaffen hat.

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Abb. 0.1 Stéphanie Ganachaud, 12. Februar 2013

Ich war davon überzeugt, daß dieser Tanz den Geist der Zeit ausdrückt, daß er sie auf eine einzige, für mich höchst verwirrende Situation zurückführt: auf das, wovor die Moder14nen zuerst geflohen waren, das archaische Grauen vor der Vergangenheit, und auf das, dem sie heute gegenüberstanden: dem Einbruch einer enigmatischen Figur, der Quelle eines Grauens, das nicht mehr hinter uns liegt, sondern vor uns. Den Einbruch dieses Monsters, halb Zyklop, halb Leviathan, habe ich zunächst unter dem seltsamen Namen »Kosmokoloss« verzeichnet;[1] dann verschmolz es für mich sehr rasch mit jener anderen, so umstrittenen Figur, in die meine Lektüre von James Lovelock mich eintauchen ließ: Gaia. Ich konnte mich ihr nicht mehr entziehen, ich mußte zu verstehen suchen, was in dieser einigermaßen beängstigenden Form einer zugleich mythischen, wissenschaftlichen, politischen und wahrscheinlich auch religiösen Kraft auf mich zukam.

Da ich nichts von Tanz verstehe, brauchte ich einige Jahre, bis ich in Stéphanie Ganachaud die ideale Interpretin dieser kurzen Szene fand.[2] Inzwischen hatte ich einige gute Freunde davon überzeugt, die obsessive Figur Kosmokoloss zu einem Theaterstück zu verarbeiten; das Ergebnis war Gaia Global Circus.[3] Infolge einer jener Koinzidenzen, von der nicht überrascht sein dürfte, wer schon einmal Opfer einer Obsession 15war, erhielt ich damals die Einladung des Gifford Lectureships Committee, 2013 in Edinburgh einen sechsteiligen Vortragszyklus mit dem ebenfalls recht enigmatischen Titel »Natürliche Religion« zu bestreiten. Wie sollte ich einem Angebot widerstehen, das bereits William James, Alfred North Whitehead, John Dewey, Henri Bergson, Hannah Arendt und viele andere verlockt hatte?[4] Bot sich da nicht die ideale Gelegenheit, mich argumentativ mit einer Aufgabe auseinanderzusetzen, vor die mich zunächst der Tanz und das Theater gestellt hatten? Zumindest das Medium war mir diesmal nicht allzu fremd, zumal ich gerade eine Untersuchung über die Existenzweisen abgeschlossen hatte, in deren Verlauf Gaia sich immer mehr vordrängte.[5] Hier finden sich nun meine Edinburgher Vorträge in überarbeiteter, erweiterter und völlig umgeschriebener Form wieder.

Wenn ich bei dieser Veröffentlichung das Genre, den Stil und den Tonfall von Vorträgen beibehalte, so deswegen, weil die Anthropologie der Modernen, an der ich seit vierzig Jahren arbeite, immer mehr mit dem in Resonanz tritt, was man das Neue Klimaregime nennen kann.[6] Mit diesem Begriff 16fasse ich die gegenwärtige Situation zusammen, in der der physische Rahmen, den die Modernen als gesichert erachtet hatten, der Boden, auf dem ihre Geschichte sich immer abgespielt hatte, ins Wanken geraten ist. Als würde eine Bühne lebendig und versuchte, am dramatischen Geschehen mitzuwirken. Von diesem Augenblick an ändert sich an der Art und Weise, Geschichten zu erzählen, von Grund auf alles, so daß in die Politik Einzug hält, was jüngst noch zur Natur gehörte – einer Figur, die damit zu einem Tag für Tag weniger entzifferbaren Rätsel wird.

Seit Jahren versuchten meine Kollegen und ich, dieses Eindringen der Natur und der Naturwissenschaften in die Politik aufzufangen; wir hatten mancherlei Methoden entwickelt, die ökologischen Kontroversen zu verfolgen, ja zu kartographieren. Aber all diese Spezialuntersuchungen hatten die Gewißheiten derer nie zu erschüttern vermocht, die fortfuhren, sich eine soziale Welt ohne Objekte zu imaginieren und eine natürliche Welt ohne Menschen – und ohne erkennenden Wissenschaftler. Während wir uns damit abmühten, einige epistemologische und soziologische Knoten aufzudröseln, stürzte das ganze Gebäude, das deren Funktionen verteilt hatte, zusammen oder vielmehr: fiel buchstäblich wieder der Erde zu. Wir waren noch dabei, über mögliche Beziehungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Wesen zu diskutieren, über die Rolle der Wissenschaft bei der Produktion der Objektivität, über die mögliche Bedeutung künftiger Generationen, da ergriffen die Naturwissenschaftler selbst immer häufiger das Wort, um von den gleichen Dingen zu sprechen, aber auf einer ganz anderen Skala: Sie benutzten Wörter wie »Anthropozän«, »große Beschleunigung«, »planetarische Grenzen«, »Erdgeschichte«, »tipping points«, »kritische Zonen« – erstaunliche Formulierungen, die aber erforderlich 17zu sein schienen und denen wir nach und nach begegnen werden, um diese Erde zu verstehen, die auf unser Handeln zu reagieren scheint.

Mein ursprüngliches Fach – die Wissenschaftssoziologie, oder besser Wissenschaftsanthropologie – wird heute durch die weithin verbreitete Einsicht in ihrer Stellung gestärkt, daß die alte Verteilung der Gewichte zwischen Wissenschaft und Politik obsolet geworden ist. Ganz als hätte das vielgestaltige Eindringen der Klimafrage und, seltsamer noch, ihrer Verbindung mit dem Regieren uns von einem Ancien Régime in ein Nouveau Régime gelangen lassen – wobei von Klima und Regierung im weitesten Sinne die Rede sein soll, in dem Sinn, den die Geographiehistoriker nur noch innerhalb der seit langem aus der Mode gekommenen »Klimatheorie« Montesquieus benutzten. Plötzlich schwant allen, daß ein anderer Geist der Gesetze der Natur im Entstehen begriffen ist und daß wir beginnen müssen, ihn niederzuschreiben, wenn wir die von jenem Neuen Regime entfesselten Gewalten überleben wollen. Unser Werk versteht sich als Beitrag zu dieser kollektiven Unternehmung.

Gaia wird hier als Anlaß einer Rückkehr zur Erde aufgefaßt, einer Rückkehr, die es ermöglicht, den endlich bescheidener und irdischer definierten Wissenschaften, Politiken und Religionen eine differenziertere Version ihrer spezifischen Qualitäten abzuverlangen als bisher. Die Vorträge sind paarweise angeordnet: Die beiden ersten betreffen den Begriff der Wirkungsmacht (im Englischen agency), einen unerläßlichen Operator für den Austausch zwischen bisher streng unterschiedenen Domänen und Disziplinen; die beiden folgenden führen die Hauptpersonen ein: zuerst Gaia, dann Anthropozän; die Vorträge fünf und sechs definieren die Völker, die um die Besetzung der Erde kämpfen, und die Epoche, in der 18sie sich befinden; die beiden letzten erforschen das geopolitische Problem der im Kampf begriffenen Territorien.

Die Leserschaft eines Buchs ist noch schwieriger einzukreisen als ein Vortragspublikum, aber da wir nun einmal in einer geologisch und menschlich zugleich geprägten Geschichtsepoche angelangt sind, möchte ich mich an Leser mit kombinierten Kompetenzen wenden. Ohne die Naturwissenschaften ist es unmöglich zu verstehen, was mit uns geschieht; sie haben uns als erste alarmiert, aber anhand des Bildes, das die alte Epistemologie von ihnen entwarf, sind sie nicht zu verstehen. Die Naturwissenschaften sind inzwischen so untrennbar mit der gesamten Kultur verbunden, daß es zu ihrem Verständnis der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften bedarf. Einem hybriden Thema gebührt ein hybrider Stil, der sich an ein zwangsläufig ebenfalls hybrides Publikum wendet.

Hybrid ist, wie Sie sich denken können, auch die Entstehung eines solchen Buchs. Wie alle Forscher bin ich gezwungen, auf englisch zu schreiben, um gelesen zu werden. In dieser Sprache wurden die sechs Gifford-Vorträge verfaßt, die ich im Februar 2013 in Edinburgh hielt; zusammen mit einem weiteren Vortrag von 2013 wurden sie von Franck Lemonde ins Französische übersetzt.[7] Aber anschließend ist das eingetreten, was Übersetzern passieren kann, wenn sie das Pech haben, in die Muttersprache eines Autors zu übersetzen, und was sie am meisten verabscheuen: Ich habe den Text völlig überarbeitet, um zwei neue Kapitel erweitert und derart umgeschrieben, daß ein ganz neuer Text entstanden ist (den ich nun wiederum für die englische Veröffentlichung übersetzen las19sen muß …). Ich bitte meinen Übersetzer tausendmal um Entschuldigung.

Autoren können sich mit der Illusion schmeicheln, daß ihre Leser von Anfang bis Ende des Buchs dieselben bleiben und von Kapitel zu Kapitel dazulernen. Für den Vortragenden, der sich jedesmal an ein partiell anderes Publikum wenden muß, gilt das nicht. Daher kann jeder der acht Vorträge für sich gelesen werden und alle in beliebiger Reihenfolge – was spezielle Ausführungen angeht, so habe ich sie in die Anmerkungen verwiesen.

Ich bin mehr Personen zu Dank verpflichtet, als ich nennen kann. In den bibliographischen Verweisen versuche ich, meine Dankesschuld abzutragen.

Es wäre jedoch ungerecht, nicht die Mitglieder des Gifford-Vortragskomitees an erster Stelle zu erwähnen, die mir ermöglicht haben, das Thema »natürliche Religion« aufzugreifen – nicht zu vergessen das Publikum, das sich im Februar 2013 an diesen sechs wundervollen, sonnigen Tagen im Santa-Cecilia-Saal in Edinburgh einfand.

Isabelle Stengers verdanke ich, daß sie mein Interesse für das Eindringen Gaias geweckt hat, und ich habe versucht, mich von der unmöglichen Gestalt Gaia zu befreien, indem ich wie üblich Simon Schaffer um Hilfe bat und meine Ängste Clive Hamilton, Dipesh Chakrabarty, Deborah Danowski, Eduardo Viveiros de Castro, Donna Haraway, Bronislaw Szerszynski und vielen anderen Kollegen mitteilte.

Ganz besonders jedoch möchte ich Jérôme Gaillardet und Jan Zalasiewicz danken, die mir bestätigten, daß die Natur- und die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften seit dem 20Anthropozän durchaus einen gemeinsamen Boden haben oder sogar eine kritische Zone teilen, die uns alle verbindet.

Den Studenten, die im Mai 2015 im Amandiers[8] das Théâtre des négociations konzipiert und aufgeführt haben, den Veranstaltern der Ausstellung Anthropocène Monument in Les Abattoirs[9] in Toulouse im Oktober 2014 sowie den Teilnehmern der Vorlesung »Politische Naturphilosophie« verdanke ich selbstverständlich viel mehr, als sie sich vorstellen.

Schließlich möchte ich mich bei Philippe Pignarre bedanken, der mich so lange schon als Verleger begleitet. Ich glaube nicht, daß er je ein Buch herausgebracht hat, das derart unmittelbar mit dem Namen seiner Reihe Les Empêcheurs de penser en rond zu tun hat, denn im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Auffassung ist Gaia keineswegs global, keine runde Sache; unzweifelhaft ist sie eine Angelegenheit für Menschen, die sich nicht im Kreis drehen wollen.21



[1] Bruno Latour, Kosmokoloss (2013), ein Hörspiel des Bayerischen Rundfunks. Dieses Hörspiel wie auch die Mehrzahl meiner in diesem Buch erwähnten Artikel können in ihrer vorläufigen oder endgültigen Fassung abgerufen werden auf der Website www.bruno-latour.fr.

[2] Die Szene wurde am 12. Februar 2013 getanzt und von Jonathan Michel gefilmt; siehe 〈www.vimeo.com/60064456〉.

[3] Die gemeinsam mit den Regisseurinnen Chloé Latour und Frédérique Ait-Touati, den Schauspielerinnen und Schauspielern Claire Astruc, Jade Collinet, Mathieu Protin und Luigi Cerri und dem Autor Pierre Daubigny seit Ostern 2010 durchgeführte Arbeit führte zu einer Aufführung in Toulouse (im Rahmen des Festivals Novela) im Oktober 2013 und an der Comédie de Reims im Dezember desselben Jahres, französische und internationale Tourneen folgten.

[4] Die sechs Vorträge sind auf der Webseite der Gifford Lectureships der Universität Edinburgh zugänglich. Zur Geschichte dieser Vorträge und des in französischen Augen recht enigmatischen Gebiets der »natürlichen Religion« vgl. Larry Witham, The Measure of God (2005).

[5] Bruno Latour, Existenzweisen – Eine Anthropologie der Modernen (2014).

[6] Dieser Ausdruck geht zurück auf einen von Stefan Aykut und Amy Dahan in Gouverner le climat? 20 ans de négociations internationales (2015) eingeführten Begriff, der den sehr eigentümlichen und ihnen zufolge wenig effizienten Versuch bezeichnet, »das Klima zu steuern«, als ob CO2 ein weiterer Fall von Umweltverschmutzung sei. Das leider noch nicht ins Deutsche übersetzte Buch spielt im vorliegenden Buch eine wichtige Rolle.

[7] Dieser Vortrag trug den Titel »Agency at the time of the Anthropocene« (2014); er wurde teilweise in den zweiten Vortrag übernommen.

[8] <Das Théatre des Amandiers in Nanterre ist eine der wichtigsten Experimentierbühnen im Pariser Raum.>

[9] <Museum für moderne und zeitgenössische Kunst.>